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Kommt nach dem 3. November der Einbruch des Rubels?


Die russische Währung macht eine erneute Schwächeperiode durch, die nach den Wahlen in den USA am 3. November mit einer Rekordtalfahrt enden könne, warnen Analytiker. Die Beamten schlagen vor, der Dynamik der Währungskurse keine Aufmerksamkeit zu denken und nur an die „Vorhersehbarkeit des Kurses der nationalen Währung“ zu denken. Die einzige Vorhersehbarkeit des Rubels in den letzten 30 Jahren ist jedoch sein permanentes Abrutschen nach unten. Seit dem Zeitpunkt des Übergangs zu einem kommerziellen Kurs in nomineller Form hat die russische Währung gegenüber dem Dollar um das 40.000fache an Wert verloren. 

Der russische Rubel setzt seine Talfahrt fort. Entsprechend den Ergebnissen der Börsengeschäfte vom Freitag wurde der Kurs des Dollars mit 79,53 Rubel notiert, was um 3,40 Rubel über den Abschlusswerten der vorangegangenen Woche lag. Billiger geworden ist der russische Rubel auch in Bezug auf die einheitliche europäische Währung.

So hatte der Euro-Kurs gegenüber dem Rubel am Donnerstag das Maximum vom Januar 2016 erreicht, indem er mit 93,83 Rubel notiert wurde. 

Seit Beginn dieses Jahres ist der Rubel gegenüber dem Dollar um 22 Prozent billiger geworden. Unter den sich entwickelnden Märkten ist die Situation nur in der Türkei und in Brasilien schlimmer als in Russland. Entsprechend den Ergebnissen der ersten zehn Monate dieses Jahres hat die türkische Lira gegenüber dem Dollar 28,7 Prozent ihres Wertes verloren, der brasilianische Real – 30 Prozent, schreibt der Telegram-Kanal MMI unter Berufung auf Berechnungen der Bank J.P. Morgan. 

Als einen Wesenszug des Rubels in der ganzen Zeit des Bestehens des heutigen Russlands kann man die langfristige Tendenz zur Abwertung bezeichnen. In den letzten 30 Jahren ist die russische Währung um mehrere zehntausende Male gegenüber der amerikanischen im Wert gefallen, meldete die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti unter Berufung auf Berechnungen von Wirtschaftsfachleuten. Gleich nach dem Übergang des Rubels zu einem kommerziellen Kurs am 1. November 1990 ist die einheimische Währung gegenüber dem Dollar um die Hälfte eingebrochen. Und nach diesem Zeitpunkt hat sich der Trend zur Verringerung des Preises des Rubels gegenüber dem Dollar schon nicht mehr geändert. „Bereits am 1. Juli 1992 lag der offizielle Dollarkurs bei einer Marke von 125,26 Rubel. Insgesamt aber ist der Preis des Dollars in Rubeln innerhalb von 30 Jahren ohne eine Berücksichtigung der Denomination (Abwertung) von 1997-1998 um mehr als das 40.000fache gestiegen“, zitiert RIA Novosti Berechnungen von Dmitrij Ryschkow, eines Analytikers der Agentur „Nationale Kreditratings“. 

Allein in den Jahren 1992 bis 1994 ist die Kaufkraft des Rubels um beinahe das Tausendfache gefallen, erzählt der stellvertretende Direktor der Gruppe für souveräne Ratings und makroökonomische Analyse der Firma AKRA, Dmitrij Kulikow. Seinerseits sei der reale Warenwert des Rubels in den letzten 30 Jahren um mehr als das 100fache zurückgegangen, betont der Analytiker. Nach Meinung von Experten war früher die Inflation die Hauptschuldige für die rasante Abwertung des Rubels gewesen. „Der Rubel damals und der Rubel heute, dies sind unterschiedliche Rubel. Wir beobachten die Periode einer Hyperinflation, in der der reale Wert der Geldeinheit sehr schnell gefallen ist, eine faktische Zerstörung des Geldumlaufs, die Koexistenz mehrere Wertsysteme, eine Denomination und mehrere Transformationen des Regimes des Devisenkurses“, erinnern die Wirtschaftsexperten.     

Die Analytiker unterstreichen: 99 Prozent der gesamten Rubelabwertung fielen auf den Zeitraum bis 1998. Doch auch danach ist der russische Rubel gegenüber dem amerikanischen „Kollegen“ wesentlich schwächer geworden. Nach dem Default von 1998 verlor der Rubel gegenüber dem amerikanischen Dollar fast 70 Prozent seines Wertes, erinnert Michail Selzer, Experte der Firma „BKS Welt der Investitionen“.

Was aber den aktuellen Verfall angeht, so wirken heute gegen den Rubel unter anderem auch der Rückgang der Erdöl-Notierungen. Die Futures für Erdöl der Marke Brent sind bis auf die minimalen Juni-Werte von 37,30 Dollar je Barrel abgerutscht, wobei sie innerhalb von ein paar Sessionen um fast 10 Prozent eingebrochen sind. 

Zusätzlichen Druck auf die Währungen der Entwicklungsländer, aber auch auf die Notierungen für das schwarze Gold übt gleichfalls die Ausdehnung der Quarantäne-Einschränkungen in Europa aus. So beginnt in Frankreich, bereits das Regime der sogenannten Selbstisolation der Menschen zu wirken. Und in Deutschland besteht seit dem 2. November eine beschränkte Quarantäne. Die neuen Quarantänemaßnahmen, die unter anderem Einschränkungen für die Bewegungsfreiheit umfassen, lösen Zweifel hinsichtlich der Perspektiven für eine Wiederherstellung der Nachfrage nach Erdöl aus. Als ein Ergebnis dessen haben allein die Nachrichten darüber, dass die Behörden Deutschlands und Frankreichs einschränkende Maßnahmen aufgrund der Zunahme der Coronavirus-Erkrankungen um 40 Prozent innerhalb einer Woche verhängten, eine Flucht der Investoren aus riskanten Anlagen ausgelöst, die zur umfangreichsten seit April-Mai geworden ist, schreiben die Analytiker von ITI Capital.    аналитики ITI Capital. „Mit den neuen Quarantänemaßnahmen oder ohne sie wird der Verkehr durch Europa und Nordamerika in den nächsten Wintermonaten zurückgehen, da die meisten Menschen Reisen und große Ver- und Ansammlungen meiden werden. Und dies wirkt sich auf die Nachfrage nach Treibstoff aus“, erläutert der Analytiker der Eurasia Group, Henning Gloystein. 

Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind noch eine bedeutsame Gefahr für die russische Währung. Unter anderem wird die Wiederaufnahme der Sanktionsrhetorik Druck auf den Rubel ausüben, schließen die Experten nicht aus. Beispielsweise könne im Falle eines Sieges des Kandidaten der Demokratischen Partei, Joe Biden, im Präsidentschaftswahlkampf der Dollarkurs bereits zum August kommenden Jahres die Marke von 120 Rubel erreichen, schließt Finanzanalytiker Dmitrij Golubowskij nicht aus. Nach Meinung des Wirtschaftsfachmannes sei solch ein Höhenflug im Falle der Verhängung von Sanktionen gegen die russischen staatlichen und korporativen Schuldverschreibungen möglich. Dies führe dazu, dass nicht ein privates russische kommerzielles Unternehmen nicht eine Schuldenverschreibung anlegen könne, urteilt der Experte.  

Die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen beeinflussen faktisch sofort den Rubel, fährt Iwan Kapustjanskij, Experte der Firma „Forex Optimum“, fort. Wenn der neue Staatschef eine Verschärfung der Sanktionen ankündigt, so werde der Rubel einbrechen. Außerdem werde vom gewählten Präsidenten auch die Annahme eines Hilfspakets für die amerikanische Wirtschaft abhängen, sagte der Experte. Diese Maßnahme könne das Interesse der Investoren für risikoreiche Anlagen wiederaufleben lassen, was den Dollar billiger machen werde und den Rubel stütze, argumentierte der Experte. „Wenn man das Hilfspaket verabschiedet, wird der Dollar im November nicht mehr als 74 bis 76 Rubel kosten. Und der Euro wird an der 89-Rubel-Marke bleiben. Wenn dies nicht erfolgt und die Rhetorik des neuen Präsidenten eine scharfe sein wird, wird der Dollar bis auf 81,97 Rubel klettern, und der Euro – bis auf 93,32 (Rubel)“, meint Kapustjanskij. Eine Verzögerung der Annahme des Pakets von Stimuli für die amerikanische Wirtschaft könne die Flucht der Investoren von den sich entwickelnden Märkten verstärken, fügte Jurij Krawtschenko, Analytiker des Investitionsunternehmen „VELES Capital“, hinzu. 

Es ist erstaunlich, doch die russischen Offiziellen sehe bisher keine Gründe für eine Beunruhigung. So antwortete beim Investitionsforum von VTB Capital „Russia calling!“ der russische Präsident Wladimir Putin auf die Frage nach einer möglichen Änderung des Dollarkurses entsprechend den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen in den USA, dass Russland gegenwärtig die Stabilität der nationalen Währung aus der Sicht der Kursschwankungen bewahre. Nach Meinung des Staatsoberhauptes sei nicht der Rubel an sich heute wichtig, sondern die Vorhersehbarkeit der Veränderung seines Kurses. „Die Zentralbank ergreift Maßnahmen, aber akkurat zur Bewahrung der Kursstabilität der nationalen Währung. Hier ist meines Erachtens nicht einmal der Kurs wichtig, sondern die Vorhersehbarkeit und die Stabilität dieses Kurses. Und zusammen mit der Regierung gelingt es der Zentralbank insgesamt auch, dies zu tun“, sagte das Staatsoberhaupt. Putin erinnerte gleichfalls daran, dass es den russischen Offiziellen früher bereits gelungen sei, „die Wirtschaft des Landes von den Schwankungen der Preise für Erdöl und Gas zu lösen“. 

Nach Meinung einiger Experten der „NG“ habe der Rubel bereits die Talsohle durchlaufen. „Schlüsselfaktoren für die russische Währung bleiben bis zum Jahresende die generellen Marktstimmungen, der geopolitische Background und die Dynamik der Erdölpreise“, sagt Alexander Bachtin, Investitionsstratege von „BKS Welt der Investitionen“. Der Experte schließt gleichfalls eine Festigung des Rubelkurses gegenüber dem Dollar im Bereich von 71 bis 75 (Rubel pro Dollar) bis zum Jahresende im Falle einer Verlangsamung der Ausbreitung der neuen Coronavirus-Infektion nicht aus.

„Für den Rubel können zu Stabilisierungsfaktoren eine dynamische Entwicklung der Weltwirtschaft und als Folge eine große Nachfrage nach Rohstoffe, hohe Notierungen für Erdöl und Erdgas, das Ausbleiben von Sanktionen und der  Zugang russischer Unternehmen zu Technologien und kostengünstigen Leihmitteln werden“, erklärte Artjom Dejew, Leiter des analytischen Departments von AMarkets, wobei er anmerkte, bisher nichts von dem zu beobachten sei. „Die Weltwirtschaft ist in die ernsthafteste globale Krise seit den letzten 100 Jahren geraten, in deren Ergebnis alle sich entwickelnden Wirtschaften (besonders die rohstofforientierten wie die Russische Föderation) ernsthafter als die entwickelten Länder schrumpfen. Die geringe Nachfrage nach Rohstoffen drückt auf die Notierungen. Daher wird es in der Perspektive der nächsten zwei Jahre keine hohen Erdölpreisegeben“, fuhr der Experte fort. Nach Meinung von Dejew werde der Rubel bald die psychologische Marke von 80 für einen Dollar und 95 für einen Euro überschreiten.   

Zur gleichen Zeit werde die Zukunft des Rubels jetzt wirklich von den Ergebnissen der Wahlen am 3. November in den USA bestimmt, pflichtet der Leiter des analytischen Zentrums von „Alpari“, Alexander Rasuwajew, bei. „Ein Sieg Bidens bedeutet eine Aufhebung der Sanktionen gegenüber dem Iran und das Auftauchen iranischen Öls auf dem Weltmarkt“, prognostiziert der Analytiker.