Die jüngst verabschiedeten Änderungen zum Gesetz „Über die Regulierung der alkoholischen Erzeugnisse“ erlauben, von nun an die Bezeichnung „Champagner“ nur hinsichtlich russischen Sekts anzuwenden, der auf dem Territorium Russlands hergestellt wurde, wobei zur gleichen Zeit die Erzeuger von Champagner-Weinen aus der französischen Region Champagne verpflichtet werden, ihre Erzeugnisse in „Schaumwein“ umzubenennen.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete, haben sich die französischen Winzer aus der Provinz Champagne natürlich über die russischen Neuerungen empört. Die Mitglieder der dortigen Vereinigung der Champagner-Hersteller haben die Diplomaten Frankreichs und der EU aufgerufen, auf die Anwendung des Gesetzes Einfluss auszuüben. In Brüssel hat man bereits erklärt, dass die Europäische Kommission alles Notwendige tun werde, um die Rechte der europäischen Unternehmen im Falle des Inkrafttretens des neuen Gesetzes in Russland zu schützen. Letzteres erlaubt, nur Erzeugnisse aus russischer Produktion als Champagner zu bezeichnen.
Die Marke „Sowjetischer Champagner“ (auf Russisch: Sowjetskoje Schampanskoje) war bereits 1928 durch den Rat für Volkswirtschaft entwickelt worden, als sich die bolschewistische Regierung nicht sehr viel Gedanken über solche Kategorien wie Rechte auf geistiges Eigentum gemacht hatte. Die Herstellung des perlenden Getränks war in der UdSSR 1937 aufgenommen worden. Und es ist zu einer Marke auf dem Markt der alkoholischen Erzeugnisse der UdSSR und danach der GUS-Länder geworden, die sich durchgesetzt und eingebürgert hat.
Ende der 1990er – Anfang der 2000er wurden jedoch im Zusammenhang mit dem Beitritt Russlands zur WTO eine ganze Reihe neuer Gesetze und Änderungen an geltenden Gesetzen verabschiedet, um die Inlandsgesetzgebung mit den internationalen Normen in Übereinstimmung zu bringen, unter anderem mit den Forderungen des WTO- Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums oder TRIPS-Abkommen (englisch: Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights).
Im Jahr 2006 wurde der IV. Teil des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation angenommen, der den Rechten des geistigen Eigentums gewidmet ist. Punkt 5 des Artikels 1483 dieses Teils des russischen ZGB lautet: „Entsprechend dem internationalen Vertrag der Russischen Föderation ist eine staatliche Registrierung der Bezeichnungen als Handelsmarken unzulässig, die Elemente darstellen oder enthalten, die in einem der Teilnehmerstaaten dieses internationalen Vertrages als Bezeichnungen geschützt werden, die erlauben, Weine oder Spirituosen als von seinem Territorium stammende (in den Grenzen des geografischen Objekts dieses Staates hergestellte) zu identifizieren und eine besondere Qualität, ein Ansehen oder andere Charakteristika besitzen, die hauptsächlich durch ihre Herkunft bestimmt werden, wenn das Warenzeichen zur Kennzeichnung der Weine oder Spirituosen, die nicht vom Territorium dieses geografischen Objekts stammen, bestimmt ist…“
Die Idee eines Verzichts auf die Bezeichnung „Champagner“ begann man ab 2009 aktiv zu diskutieren. Die Franzosen hatte schon lange darauf bestanden, dass das Getränk Champagner eine geografische Anbindung – die Provinz Champagne – besitzt. Folglich könne damit nur die Produktion als solche bezeichnet werde, die dort erzeugt worden ist. Im Herbst des Jahres 2011, kurz vor der offiziellen Aufnahme der Russischen Föderation in die WTO, hatten die Hersteller von Schaumwein aus Russland die Bereitschaft bekundet, freiwillig auf die Verwendung des Namens „Champagner“ für ihre Erzeugnisse nach einer bestimmten Zeit zu verzichten. Es war sogar ein Datum für den vollständigen Verzicht auf den Namen genannt worden – der 31. Dezember 2022. Vorläufige Vereinbarungen dazu waren mit dem Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (CIVC — Wirtschaftsverband, der die Interessen der unabhängigen Champagner Produzenten (vignerons) und Champagner-Häuser vertritt – Anmerkung der Redaktion) erzielt worden. Gleichzeitig war entschieden worden, einen neuen Namen für die eigenen Weine zu kreieren, wie die bereits viele andere Sekthersteller in den europäischen Ländern getan hatten.
Schaumweine werden in der ganzen Welt erzeugt. Und an vielen Orten verwendet man zur Bezeichnung des eigenen Schaumweins schon lange eigene Termine. In Spanien ist dies Cava, in Italien – Spumante, in Südafrika – Cap Classique. Italienischen Schaumwein aus Trauben der Sorte Muskat nennt man Asti. In Deutschland ist Schaumwein als Sekt bekannt. Selbst anderen Regionen Frankreichs ist es untersagt, die Bezeichnung „Champagner“ zu verwenden. Die Winzer von Bordeaux, Burgund und dem Elsass stellen Wein unter dem Namen Crémant her.
Vom Prinzip her besteht auch in Russland ein analoger Trend. Im Management der Firma „Abrau-Durso“ hat man sich nie an den Namen „Champagner“ festgeklammert. Wie seinerzeit der Haupteigner des Unternehmens und Russlands Business-Obmann Boris Titow erklärte, sei der Gedanke der Schaffung genau solcher geografischen Zonen zum Anbau von Wein wie auch in Frankreich diskutiert worden: eine auf dem Territorium des Nordkaukasus und der Verwaltungsregion Krasnodar, eine andere – im Flusstal des Dons im Verwaltungsgebiet Rostow. Dementsprechend sollten auch die Namen unserer Schaumweine geografische Verweise auf diese Regionen haben. Anders gesagt: Unser einheimisches Business hält sich an die gleichen Prinzipien und Regeln wie auch die Franzosen. Daher ergibt sich logisch die Frage: Wie können wir dabei nicht das Recht der Franzosen achten?
An der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert vermochte Fürst Lew Golizyn nach einem Aufenthalt in der französischen Provinz Champagne die Herstellung seiner Weine unter dem Namen „Nowij Swet“ und „Paradies“ anschieben, die internationale Bekanntheit erlangten. 1896 wurde der Sekt aus dem Weingut „Nowij Swet“ bei den Krönungsfeierlichkeiten in Moskau gereicht und wurde verdient mit dem Namen „Krönungssekt“ geehrt. 1900 wurde der Golizyn-Sekt auf der Weltausstellung in Paris mit einem Grand Prix ausgezeichnet. Die Weinmarken von Golizyn wurden zu solch anerkannten, dass sie der ausländischen Bezeichnung „Champagner“ nicht bedurften. Sie wurden unter eigenen Markennamen erzeugt und als Schaumweine auf den internationalen Markt gebracht. Sicherlich hätte nicht einmal in einem Albtraum den Fürsten ja und überhaupt irgendwen anderen im damaligen Russland der irrsinnige Traum über ein Verbot des Markennamens von wahren französischen Champagner in Russland heimsuchen können.
Das, was heute mit der französischen Marke Champagner passiert, ähnelt einer Aberration (Abweichung von einer Norm – Anmerkung der Redaktion) des Bewusstseins. Möglicherweise scheint dies für irgendwen ein Akt zur Verteidigung nationaler Interessen zu sein, obgleich dies hier überhaupt nicht der Fall ist. Wenn es schon den großen Wunsch gibt, für die nationalen Interessen einzutreten, so wäre es weitaus nützlicher, bei Verhandlungen mit der EU die Frage nach unseren Rechten auf den russischen Wodka als Gegenleistung für unsere Unterstützung der französischen Marke „Champagner“ aufzuwerfen.
- S. der Redaktion „NG Deutschland“
Der EU-Botschafter in Moskau Markus Ederer bekundete nach Unterzeichnung des umstrittenen „Champagner-Gesetzes“ durch Russlands Präsident Wladimir Putin Besorgnis und erklärte, dass man in der Europäischen Union dies als ein „unlauteres Embargo“ ansehe. Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag erinnerte er laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur „Interfax“ daran, dass der Gesamtumfang der Verluste für die russischen Verbraucher aufgrund des russischen Lebensmittelembargos bereits 445 Milliarden Rubel im Jahr (umgerechnet ca. 5,04 Milliarden Euro) ausmache. Wobei solche Schätzungen nicht von der EU, sondern von russischen Experten kommen würden. „Jeder russischer Bürger leidet dadurch“, fügte der EU-Diplomat hinzu. Hinsichtlich der neuen Gesetzesänderungen, die offenkundig auch einen protektionistischen Charakter tragen, meinte Ederer, dass dies „ein erneuter Schuss ins eigene Knie“ seitens der Russischen Föderation sei, zumal keine Konsultationen mit den europäischen Erzeugern stattgefunden hätten. „Was bedeuten sie aber“, fragte der Botschafter rhetorisch. „Die russischen Importeure hören auf oder haben aufgehört, Waren mit geschützten geografischen Bezeichnungen einzuführen, da sie dem neuen Gesetz nicht entsprechen werden. Und somit können sie nicht gemäß den aktuellen Übereinstimmungsdeklarationen realisiert werden. Dies wird einen Mangel in den russischen Geschäften verursachen“, sagte Ederer. Ob die Anstrengungen der EU zu einer Regulierung dieses Problems führen werden, ist bisher schwer abzuschätzen. Es kann aber dazu kommen, dass beispielsweise die sonst 600.000 bis 800.000 Liter des Premium-Champagners „Moet Hennessy“, die üblicherweise pro Jahr in Russland verkauft werden, andere Kunden weltweit genießen können.