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Künftigen „ausländischen Agenten“ will man in Russland eine Teilnahme an den Wahlen verbieten


Unter den neuen Maßnahmen gegen sogenannte ausländische Agenten ist der Vorschlag ein fundamentaler, sie nicht zu den Wahlen zuzulassen. Bisher gibt es keinerlei entsprechende Initiativen in der Staatsduma, was scheinbar nur auf eine ernsthafte Vorbereitung hinweist. Es gibt aber bereits die Entscheidung der Kremlpartei „Einiges Russland“, die Primaries in der Partei vor zweifelhaften Personen abzuschotten. Und entsprechend einem Gesetz kann man vom Prinzip her einzelnen Kategorien von Bürgern verbieten, selbst im Verlauf von Wahlkampagnen zu kandidieren. Folglich sind das Ziel nicht so sehr die heutigen „ausländischen Agenten“, die fast alle in der Emigration sind, als vielmehr die künftigen. Dabei wird man operativ jegliche nicht mit den Offiziellen abgestimmten Kandidaten in das Register des Justizministeriums aufnehmen.

Die Vertreter der Kremlpartei setzen schon die Anweisung des Präsidenten der Russischen Föderation, den Helden der militärischen Sonderoperation den Weg in die Organe der Staatsmacht zu bahnen, um. Solche sind bereits unter den potenziellen Teilnehmern der Primaries von „Einiges Russland“ im Vorfeld des einheitlichen Abstimmungstages in diesem Herbst aufgetaucht.

Gleichzeitig werden zu den Primaries keine „ausländischen Agenten“ zugelassen, aber auch, was sogar wichtiger ist, keine mit ihnen affiliierten natürlichen Personen.

„Anträge von ausländischen Agenten, wenn solche für eine Teilnahme an der Vorabstimmung registriert worden sind, werden durch die regionalen Organisationskomitees für diese Prozedur annulliert“, heißt es in einer entsprechenden Entscheidung des Präsidiums des Generalrates von „Einiges Russland“. Jedoch belegt gerade die Erweiterung des Kreises der Bürger, die die regierende Partei nicht bei ihren Veranstaltungen erwartet, dass die Änderung an den Regeln für die Primaries nicht zufällig aufgetaucht ist. Dies ist keine plötzliche Phantasie, sondern das Resultat des Besitzens zuverlässiger Insider-Informationen über Gesetzesänderungen, die vorbereitet werden. Und in der Tat, in der Staatsduma spricht man offen davon, dass eine Gesetzesvorlage über verschiedene Verbote für „ausländische Agenten“, darunter auch mit Blick auf die Wahlen, gegenwärtig aktiv ausgearbeitet wird.

Natürlich, was kann eine noch zuverlässigere Quelle von Insider-Informationen als eine superqualifizierte Mehrheit in der Staatsduma sein, an der nicht eine Gesetzesinitiative vorbeikommt? Es sei daran erinnert, dass man das Verzeichnis der natürlichen Personen, die mit „ausländischen Agenten“ affiliiert sind, nirgendwo außer im Justizministerium einsehen kann, das das entsprechende Dokument nicht für einen öffentlichen Zugang veröffentlicht. Persönlich kann jeder Bürger darum bitten, über sich zu erzählen. Aber den staatlichen Machtorganen ist das Recht eingeräumt worden, um eine umfangreichere Suche zu bitten. Freilich, formell wird „Einiges Russland“ scheinbar nicht zu den staatlichen Strukturen gerechnet, doch hat diese Partei sicherlich auch andere Wege für einen Erhalt notwendiger Informationen. Die Nuance besteht hierbei auch darin, dass für die Affiliierten bisher keinerlei Restriktionen eingeführt worden sind. Mehr noch, es wird speziell ausgewiesen, dass sie „ausländischen Agenten“ nicht gleichgestellt werden.

Jedoch bestätigt das Akzentuieren von „Einiges Russland“ auch in Bezug auf diese Helfershelfer allem nach zu urteilen, dass sie im künftigen Gesetz über das Verbot für „ausländische Agenten“ zu kandidieren erwähnt werden. Es hatten bekanntlich der Vorsitzende der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“, Sergej Mironow, und der 1. stellvertretende Fraktionsvorsitzende dieser Duma-Partei, Dmitrij Gusjew, initiiert. Später präzisierten die Vertreter dieser Partei, dass sie ihre Gesetzesvorlagen nicht einbringen würden, da sich diese sich zwecks Abstimmung in höheren Instanzen befinde und damit das Dokument zu einer Entscheidung der gesamten Duma werden könne, wofür zusätzliche Konsultationen nötig seien. Dabei hatte sich früher an die Abgeordneten eine der öffentlichen bzw. gesellschaftlichen Strukturen gewandt, die sich offen mit Denunziationen in Bezug auf öffentliche Figuren, die Illoyalität gegenüber den Offiziellen demonstrieren, befasst.

Und die Vertreter der gesellschaftlichen Strukturen waren ihrerseits zu solch einem Appell dank der Medienkampagne veranlasst worden, die einzelne „ausländische Agenten“ aus den Reihen der vor langem emigrierten Kultur- und Kunstschaffenden veranstalteten. Es sei erinnert: Sie erklärten, dass beispielsweise in allen 45 Wahlbezirken bei den anstehenden Wahlen zur Moskauer Stadtduma Kandidaten mit einem entsprechenden Status sein sollten. Und wenn man für jene wenigen „ausländischen Agenten“, die in Russland bleiben, eine Beteiligung an diesem Flashmob noch als die Demonstration einer gewissen politischen Furchtlosigkeit ansehen kann, so ist dies für die abgetretenen Künstler des gesprochenen Wortes oder verbotenen Schriftsteller, die sich auf einmal dessen erinnerten, wie sie die Proteste des Jahres 2012 angeführt hatten, natürlich nicht mehr als eine Performance. Jedoch haben sie eine entsprechende Reaktion der Herrschenden ausgelöst, so dass es vielen oppositionellen Kandidaten jetzt nicht leicht werden wird.

Die Sache ist die, dass die Herrschenden wohl kaum Angst vor einem möglichen Auftauchen der früheren führenden Köpfe der öffentlichen Meinung aus dem Ausland bekommen haben. Verständlicherweise glaubt kaum einer daran. Doch das deutliche Signal über Löcher in der Wahlgesetzgebung ist wahrgenommen, analysiert und als ein rechtzeitiges anerkannt worden. Und in der Tat, wenn schon fast alles den „ausländischen Agenten“ verboten worden ist, so kann man sie auch nicht zu den Wahlen zulassen. Aber natürlich nicht so sehr jene, die bereits den Status eines ausländischen Agenten erhalten haben, sondern künftige. Mit ihnen wird man doch auch das Register des Justizministeriums in dem Fall auffüllen, wenn sich irgendwer als ein nichtabgestimmter Kandidat erweist, der die früher geplanten Wahlergebnisse durcheinanderbringen wird. Die natürlichen Personen, die mit „ausländischen Agenten“ affiliiert sind, wird man bis zur Abgabe der Dokumente einfach nicht zulassen. Die heutigen Gesetze enthalten bereits eine lange Liste von Normen, die erlauben, aufgrund der einen oder anderen Anlässe das passive Wahlrecht einzelner Kategorien von Bürgern einzuschränken. Es wird aber scheinbar noch eine entsprechende Norm beschlossen werden.