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Lawrow fürchtete sich nicht, das Wort „Krieg“ in den Mund zu nehmen


Traditionsgemäß gab Außenminister Sergej Lawrow Mitte Januar seine große Jahres-Pressekonferenz, dieses Mal am 18. Januar. Sie galt den außenpolitischen Ergebnissen des vergangenen Jahres. Das Jahr 2022 bezeichnete er als ein recht schwieriges und in irgendeiner Weise auch als ein einmaliges. Erstens hätten sich in der Geopolitik und in den internationalen Bestrebungen der führenden Staaten tiefgreifende Tendenzen offenbart, die im Verlauf von nicht nur einem Jahrzehnt heranreiften. Zweitens müsste Russland auf den hybriden Krieg des Westens reagieren.

Die Pressekonferenz, die erstmals seit 2019 ohne COVID-Restriktionen erfolgte, dauerte etwas mehr als drei Stunden. In dieser Zeit beantwortete Lawrow die Frage von 18 russischen und ausländischen Journalisten. Seine Eingangsworte waren recht kurze. In ihnen erklangen aber mehrere wichtige neue Momente. Der wichtigste Aspekt betraf den Vergleich von Schritten Washingtons zur Etablierung einer antirussischen Koalition mit Handlungen von Napoleons und Hitlers, die ihrerzeit gegen Russland und die Sowjetunion gekämpft hatten.

Der fast 73jährige Minister betonte, dass genauso wie Napoleon fast das gesamte Europa gegen das Russische Reich mobilisiert und wie Hitler viele eroberte Länder gegen die UdSSR eingesetzt hatten, die USA jetzt eine Koalition aus praktisch allen Ländern Europas organisiert hätten und mittels der Ukraine einen hybriden Krieg gegen Russland führen würden. Als Hauptaufgabe des Westens bezeichnete er eine endgültige Lösung der „russischen Frage“. Entsprechend der Analogie, wonach Hitler ein und für allemal die „Judenfrage“ lösen wollte. (Gerade das Ziehen solch einer Parallele löste Empörung seitens des Europäischen Jüdischen Kongresses aus. https://www.juedische-allgemeine.de/politik/lawrow-vergleicht-russlandpolitik-des-westens-mit-der-schoa/ — Anmerkung der Redaktion).

Dass der Westen sehr hohe Einsätze im Krieg gegen Russland vorgenommen habe, würden die Dimensionen der Unterstützung für die Ukraine belegen. „Wenn unsere westlichen Partner verleugnen und mit Schaum vor dem Mund beweisen, dass sie nicht gegen Russland kämpfen würden, dass sie nur der Ukraine helfen würden, mit der Aggression fertig zu werden, und helfen würden, seine territoriale Integrität wiederherzustellen, heucheln sie“, meinte Lawrow. Im Zusammenhang damit bezeichnete er die jüngste Erklärung von Kroatiens Präsident Zoran Milanović, wonach die NATO in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen würde, als eine ehrliche und offenherzige.

Es erstaunt nicht, dass Lawrow bei der Beantwortung der Frage, welches Wort das tragischste im vergangenen Jahr gewesen sei, ohne lange Nachzudenken „Krieg“ sagte. „Ich fürchte mich nicht, dies zu sagen, da das Geschehen unsere Antwort ist, die, wie der Präsident (der Russischen Föderation Wladimir Putin – „NG“) sagte, möglicherweise etwas früher hätte erfolgen müssen“, erläuterte er. Gleichfalls nannte der Minister ein Wort, dass die Welt erhören müsse – „Sieg“. Schließlich würde gerade er Hoffnung geben. Diejenigen aber, die das Wort „Verhandlungen“ erhören möchten, würden nach Meinung von Lawrow selbst nicht nur solche Verhandlungen nicht wünschen, sondern auch auf jegliche Art und Weise mit diesem Begriff manipulieren, um den Krieg so lange wie möglich in die Länge zu ziehen.

Zur gleichen Zeit sei Moskau bereit, jegliche ernsthaften Vorschläge des Westens zu Verhandlungen zu prüfen. Bisher seien sie jedoch nicht eingegangen. Mehr noch, nach Meinung Lawrows habe der Westen keine einheitliche Herangehensweise daran, wie man eine friedliche Regulierung in der Ukraine suchen sollte. Von Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij können auch schon deshalb keine Rede sein, da er gesetzgeberisch verboten hätte, mit der russischen Führung Kontakte aufzunehmen. Selenskij selbst würde völlig unsinnige Initiativen vom Typ eines Plans aus zehn Punkten vorlegen, wo alles nach Aussagen Lawrows „alles zusammengeworfen wurde, was man kann“. Lebensmittelsicherheit, Energie- und biologische Sicherheit, einen Abzug der russischen Truppen von überall, eine Buße der Russischen Föderation, ein Tribunal, eine Verurteilung usw.

Der russische Minister ist überzeugt: „Irgendwann wird dieser Krieg aufhören. Wir werden dennoch unsere Wahrheit verteidigen“. „Wie man aber weiter leben wird, kann ich mir vorerst nicht vorstellen“, sagte er verloren. „Alles wird davon abhängen, welche Schlussfolgerungen Europa ziehen wird“.

Bisher aber würden sich die Länder der Europäischen Union immer stärker von Russland isolieren, es mit harten Sanktionen bestrafen, es als eine Bedrohung betrachten und diese Bedrohung in einen Faktor für einen inneren Zusammenschluss konvertieren. Die EU hätte vollkommen die Eigenständigkeit verloren, indem sie sich in ein Attribut der NATO verwandelt hätte. (Ein Narrativ Moskaus, das ganz massiv auch in den Staatsmedien propagiert wird. – Anmerkung der Redaktion). Lawrow ist der Auffassung, dass die in der vergangenen Woche angenommene gemeinsame Deklaration von EU und NATO die Pflichten der Europäer enthalten würden, ein Bedienen der US-amerikanischen Interessen beim geopolitischen Zügeln Russlands und Chinas zu gewährleisten.

In Moskau sei man nach seinen Worten erstaunt gewesen, dass Italien rasant ins Lager der Spitzenreiter in Sachen antirussischer Handlungen gewechselt sei. Das, wie Rom auf das Geschehen reagiere, reflektiere eher die Europa aufgezwungene Linie einer aggressiven Konfrontation denn die Interessen des italienischen Volkes. Nicht weniger hätte Russland die Geschwindigkeit des Positionswechsels von Finnland überrascht. Lawrow bezeichnete die Äußerung dessen Präsidenten Sauli Väinämö Niinistö über die Handlungen Russlands in der Ukraine als einen primitiven Monolog. „Mir scheint, dass sich die Finnen gut der Geschichte erinnern müssen. Sie waren ganz und gar keine unschuldigen Opfer der Prozesse, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg und nach dessen Ausbruch abgespielt hatten. Es ist schade, dass alles, was in Europa und in Vielem durch die führende Rolle Finnlands geschaffen worden war, in nicht geringem Maße durch die Anstrengungen von Finnland selbst zum Einsturz gebracht worden ist“, meinte der Minister. Er ist der Annahme, dass hinter jenem Tempo, mit dem Finnland – wie auch das benachbarte Schweden – drastisch die Rhetorik änderte, entweder wirklich eine Änderung der Position stehe oder diese Position stets eine antirussische gewesen sei, die man nur gut getarnt hätte. Es ist logisch, dass Lawrow vor einer militärtechnischen Antwort Russlands auf seiner Seite der Grenze auf einen Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO warnte.

Er versprach gleichfalls, dass es die Beziehungen im bisherigen Format zwischen Russland und den Ländern des Westens nicht mehr geben werde, und Moskau werde es nicht erlauben, es bei der Unterzeichnung internationaler Dokumente zu betrügen. Unter den Fällen einer Lüge seitens des Westens hob er die Deklarationen des Russland-NATO-Rates und der OSZE hervor, aber auch das Abkommen über die Beilegung der Krise in der Ukraine vom Februar 2014, für die Deutschland, Frankreich und Polen garantiert hätten. Lawrow erinnerte gleichfalls an die Minsker Vereinbarungen, die durch den UN-Sicherheitsrat gebilligt worden waren. „All diese Vereinbarungen hatte der Westen nicht einmal zu erfüllen vorgehabt. Man hat uns direkt ins Gesicht belogen, als auf der Ebene von Präsidenten und Premierministern eben diese feierlichsten Verpflichtungen unterschrieben wurden. Daher haben wir bereits aufgehört, ihren Worten zu glauben“, sagte der Minister.

Er erklärte ebenfalls, dass Russland nicht den USA mit den Vorschlägen „lassen Sie uns Freunde sein“ hinterherlaufen werde. Schließlich hatte nicht eine der Richtungen des bilateralen Zusammenwirkens, besonders der strategische Dialog auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle, nicht Moskau im Unterschied zu Washington zum Scheitern gebracht. 2Sie wissen, dass wir ernsthafte Menschen sind, und wir werden stets auf ernsthafte Anfragen ernsthaft antworten“, resümierte Lawrow.