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Lukaschenko bietet dem Westen einen Dialog an


Alexander Lukaschenko hat erklärt, dass er bereit sich, sich mit dem Westen an einen Verhandlungstisch zu setzen, wenn die Vereinigten Arabischen Emirate als Vermittler auftreten würden. Dabei haben die Offiziellen von Weißrussland nicht eine Bedingung erfüllt, die dem Beginn eines Dialogs vorausgeht. Mehr noch, nachdem sie Medien und gesellschaftliche Organisationen zerschlagen haben, haben sie begonnen, sich den Klein- und Mittelstand vorzunehmen.

Dass Lukaschenko bereit sei, sich mit dem „kollektiven Westen“ an den Verhandlungstisch zu setzen, erklärte er in einem Interview für den TV-Kanal Sky News Arabia. Auf die Frage danach, in welchem Zustand der Dialog mit dem Westen sei, sagte er, dass es derzeit faktisch keinerlei Dialog gebe. Doch er erklärte sofort, dass dies möglich sei. „Ich mag überhaupt keine Vermittlung, wenn aber, werter Imad (El Atrache, Nachrichtenchef von Sky News Arabia – Anmerkung der Redaktion), Dein Land in diesem Dialog der Vermittler sein wird, werde ich nicht ablehnen, denn dies sind objektive Menschen, ehrliche und anständige“, sagte er, sich an den Interviewer wendend. „Deshalb, wenn die Europäer Ihr Angebot zu einem Dialog annehmen, könnten die Emirate zu solch einem Vermittler werden“, fügte Alexander Lukaschenko hinzu.

Bei der Kommentierung der eigentlichen Tatsache des Interviews für den arabischen Fernsehkanal erklärte der Politologe Pawel Usow, dass er darin den Versuch von Alexander Lukaschenko sehe, aus jenem Informationsvakuum herauszukommen, in das er geraten ist. Selbst die russischen Kanäle würde sehr ungern für ihn PR-Arbeit leisten, betonte der Experte. „Lukaschenko und sein Clan haben sehr gute Beziehungen – finanzielle, wirtschaftliche und persönliche – mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und mit Saudi-Arabien, daher haben sie beschlossen, wie mir scheint, diesen Faktor dafür auszunutzen, um irgendwie doch auf den westlichen Informationsmarkt zu gelangen“, zitiert die Internetseite „Weißrussischer Partisan“ Usow. Nach seiner Meinung habe Alexander Lukaschenko speziell das für ihn wichtige Signal an die westlichen Partner gesandt, dass er zu einem Dialog bereit sei, dass „er bereit ist, sich mit Litauen oder mit dem Westen hinzusetzen und zu reden, ungeachtet dessen, dass man auf sie Druck ausübt und ihnen die Luft nimmt“. Möglicherweise signalisiere er etwas verschleiert, „dass das System bereit ist, sich auf irgendwelche Gespräche mit den Nachbarn, vor allem mit Litauen und zweifellos via Litauen mit der Europäischen Union einzulassen“, betonte er.

Zuvor hatte von der Bereitschaft, einen Dialog zu beginnen, der Chef des weißrussischen Außenministeriums Wladimir Makei gesprochen. Damals hatte der Politologe Valerij Karbalewitsch in einem Kommentar für die „NG“ erklärt, als er sich zur Wahrscheinlichkeit solch einer Entwicklung der Ereignisse äußerte, dass er dafür keinerlei Perspektiven sehe. Ein Dialog werde nur möglich, nachdem die Offiziellen Weißrusslands zumindest irgendeinen Schritt für eine Deeskalation des innenpolitischen Konflikts tun, hatte er behauptet.

Die neuen Erklärungen von Alexander Lukaschenko haben die Meinung von Valerij Karbalewitsch nicht verändert. Er ist überhaupt der Auffassung, dass es nicht lohne, die Erklärung über Gespräche und einen Vermittler ernst zu nehmen, und schlägt vor, dies als eine Metapher anzusehen. „Lukaschenko liebt es, dem Gesprächspartner das zu sagen, was dem gefällt. In diesem Fall war der Gesprächspartner ein arabischer (TV-) Kanal. Daher hatte er beschlossen, ihm zu gefallen, und hatte aus dem Stand improvisiert. Ich betrachte dieses Angebot nicht als ein seriöses“, sagte Valerij Karbalewitsch der „NG“. Mehr noch, der Experte ist sich sicher, dass bisher keiner ernsthaft bereit sei, einen Dialog mit Lukaschenko ohne die Erfüllung zumindest minimaler Bedingungen – die Freilassung der politischen Häftlinge und eine Beendigung der Repressalien – aufzunehmen. „Zumindest dies… Aber Lukaschenko hat nicht vor, dies zu tun. Seine Rhetorik wird dagegen immer aggressiver gegenüber dem Westen. Er wirft ihm schon nicht nur eine Unterstützung von Terror vor, sondern bezeichnet sie als Faschisten und Nazis und droht an, bewaffnete Männer die Grenze passieren zu lassen“, sagte der Gesprächspartner der „NG“.

Valerij Karbalewitsch sieht vom Prinzip her keinerlei Bedarf an Unterhändlern bei der Anbahnung eines Dialogs des offiziellen Minsk mit dem Westen. „Es gibt weitaus einfachere Mechanismen. In Minsk gibt es Botschaften westlicher Länder. Und man kann direkt einen Dialog führen. Ein Vermittler wird gebraucht, wenn es vollkommen keine Beziehungen gibt. Da wird irgendwer gebraucht, der Informationen übergeben kann. Vorerst aber gibt es Diplomaten und Botschaften. Ich verstehe nicht, worin der Sinn einer Vermittlung besteht“, betonte Valerij Karbalewitsch.

Derweil nimmt die Stärke der Inlandsrepressalien praktisch nicht ab. Nachdem fast alle nichtstaatlichen Massenmedien zerschlagen und über 30 Journalisten hinter Gitter gebracht wurden, haben die Behörden eine Säuberung unter den gesellschaftlichen Organisationen begonnen. „Sowohl die Regierung als auch das Außenministerium waren so der „Demokratie“ hinterhergerannt und haben bei uns so viel eingerichtet… Und wir haben so um die 2000 Nichtregierungs- und nichtkommerzielle Organisationen sowie Banditen und ausländische Agenten in dem kleinen Land bekommen. Ja und, haben sie eine Demokratie bekommen? Jetzt schauen sie sich um: Dies ist doch ein Schaden für den Staat! Es erfolgt eine Säuberung. Denken Sie, dass dies einfach ist? Da arbeiten bereits tausende Menschen, unsere Leute. Und vor allem mit verdrehten Hirnen, mit fremden Geldern einer Gehirnwäsche unterzogene“, erklärte Lukaschenko aus diesem Anlass am vergangenen Donnerstag bei einer Beratung mit der Regierung. Und am Montag meldete das Menschenrechtszentrum „Wesna“, dass im Rahmen der laufenden „Säuberungen“ bereits 56 NGOs in Weißrussland liquidiert wurden.

Die Beratung der Regierung war derweil aber der Gestaltung der Beziehungen mit dem Business gewidmet. Lukaschenko ordnete unter anderem an, „Ordnung im Bereich des individuellen Unternehmertums und der Selbständigen zu schaffen“. „Ich möchte, dass die Geschäftsleute, die Unternehmer mich vernehmen, damit es dann kein Staunen gibt und man sich dann nicht ärgern muss. Steuerhinterziehungen und ein halblegaler Umsatz im Handels- und Dienstleistungsbereich sind unzulässig“, warnte er.

In der gegenwärtigen weißrussischen Wirklichkeit können derartige Erklärungen eine Säuberung im nächsten Segment der Gesellschaft bedeuten. Unter anderem im Wirtschaftsbereich. „Nach Meinung vieler Offizieller sei der private Sektor am Vorgefallenen, an den Protesten schuld. Daher erklingen auch Stimmen für eine Verstaatlichung, für eine Nationalisierung“, betont Dmitrij Kruk, Wirtschaftsexperte im Forschungszentrum BEROC. Nach seiner Meinung sei nicht ausgeschlossen, dass die Behörden in der nächsten Zeit beginnen werden, die Wirtschaft zu „normalisieren“, das heißt, sie zu einer vollkommen abhängigen von den Herrschenden zu machen. Nur solch ein Business habe nach Meinung der Offiziellen ein Existenzrecht, meint Dmitrij Kruk.