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Lukaschenko gibt Oppositionellen eine neue Chance


Die Causa Durow hat Misstrauen der Bürger hinsichtlich der Motive der Staaten und Geheimdienste offenbart

Warum löst der Druck auf Telegram in Frankreich Befürchtungen der Nutzer aus?

Redaktionsbeitrag

 

Die Festnahme des Gründers und Chefs von Telegram, Pawel Durow, hat bei den Fans des Messengers eine Reaktion von Unverständnis und ein Gefühl von Ungerechtigkeit ausgelöst. Für vieles wurde es zu einer Offenbarung, dass man in einem Rechtsstaat, in Frankreich, „ganz genau wie in Russland“ einen Geschäftsmann aufgrund der Weigerung, mit den Geheimdiensten zusammenzuarbeiten und ihnen einen Zugang zu ihren Entwicklungen zu gewähren, festnehmen kann. Zu vernehmen ist ein naives Unverständnis. Warum hält man Durow für einen Komplizen von Verbrechen, die auf Kanälen von Telegram oder mit Hilfe des Messengers verübt werden. Die Nutzer sehen in der Situation eine Gefahr von Zensur und Kompromittierung persönlicher Informationen.

In Frankreich wirft man Telegram vom Wesen her genau das gleiche wie vor einigen Jahren auch in Russland vor. Damals hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB von den Entwicklern Informationen für ein Decodieren eines Schriftwechsels verlangt, der mit einem Terrorakt in Sankt Petersburg im Jahr 2017 in Verbindung gebracht wurde. Telegram hatte es abgelehnt, die Codes für das Chiffrieren der Daten herauszugeben. Und in den Jahren 2018-2020 versuchte man, den Messenger zu blockieren (erfolglos – Anmerkung der Redaktion). In den letzten Jahren hat sich zwischen den Offiziellen der Russischen Föderation und dem Messenger gegenseitiges Einvernehmen herausgebildet. Über dessen Nuancen hüllen sich die Seiten in Schweigen. Und die Vertreter der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane bekunden keine Beanstandungen mehr. Scheinbar hat man im Westen beschlossen, das Gleiche zu tun.

Im Zuge der Entwicklung von Telegram hat Durow stets das Misstrauen der Nutzer – des „kleinen Mannes“ – gegenüber den Motiven der Geheimdienste, Staaten und großen Konzerne ausgenutzt. Der Unternehmer unterstrich: Ihre Daten werden stets vor einem Abzapfen gesichert sein, wir werden sie keinem und nie herausgeben, denn wir haben es so eingerichtet, dass dies technisch unmöglich ist. Es hat sich herausgestellt, dass dies eine riesige unerschlossene Nische ist. Und es geht nicht um Straftäter, die etwas zu verbergen haben. In den letzten zehn Jahren ereignet sich in der Welt ein Skandal nach dem anderen aufgrund der staatlichen Verfolgung von Internetnutzern und einer direkten Zensur in den sozialen Netzwerken. Der Durchschnittsbürger, der oft geneigt ist, an Verschwörungstheorien zu glauben, oder unter einer Paranoia leidet, verspürt ein Unbehagen unter den Blick des „Big Brothers – sowohl in Russland als auch im Westen.

Die Dimensionen der Entlarvungen von Edward Snowden sind gut bekannt. Die Geheimdienste drangen in Computernetze ein, lasen E-Mails mit und hörten Telefonate von Menschen in der ganzen Welt ab. Im Jahr 2016 kam es in den USA zu einem interessanten Zwischenfall. Der FBI war an das iPhone eines Terroristen gelangt. Der Sicherheitsdienst forderte auf dem Gerichtsweg von Apple, es zu entsperren und obendrein in den vom Konzern hergestellten Smartphones eine „Hintertür“ für die Zukunft zu integrieren. Der Prozess drohte, sich in die Länge zu ziehen. Der FBI zog die Forderung zurück und heuerte Spezialisten an, die beinahe für eine Million Dollar alles taten, was gebraucht wurde (dabei wurde in dem Gadget nichts Brauchbares gefunden). Apple hatte sich scheinbar aus der Schlinge gezogen. Aber wer weiß, möglicherweise hat sich der FBI außergerichtlich mit dem Unternehmen geeinigt? Es versteht sich, dass dies keiner an die große Glocke hängen wird.

Als eine Fiktion hat sich nicht nur das Briefgeheimnis, sondern auch die Redefreiheit erwiesen. Die Öffentlichkeit hat erfahren, dass Twitter direkte Anweisungen vom FBI hinsichtlich einer Zensur unter dem Vorwand eines Schutzes vor Desinformationen und Terroristen erhielt. Dieser Tage hat der Generaldirektor von Meta (dem Unternehmen, das in Russland verboten und als extremistisch eingestuft worden ist), Mark Zuckerberg, reumütig eingestanden, dass er dem Druck der Forderungen, die Inhalte seines Netzwerkes, darunter über den Sohn des Präsidenten zu zensieren, nachgegeben hätte. Es hatte auch den Präzedenzfall einer „Geiselnahme“ gegeben: Im Jahr 2018 hatte man in Kanada Meng Wanzhou, die Finanzdirektorin und Tochter des Präsidenten von Huawei, verhaftet. China bezeichnete dies als Ausübung politischen Drucks auf chinesische High-Tech-Unternehmen.

Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, warum die Menschen nicht nur in der Russischen Föderation als auch in anderen Ländern den Motiven der Vertreter der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane in Fragen einer Verbreitung von Informationen kein Vertrauen schenken. Sie sehen die Causa Durow als eine Auseinandersetzung von Leviathan und den Piraten von Tortuga. Dies sind lediglich Emotionen. Eine Kontrolle zu umgehen, wird wohl kaum gelingen. Aber die Emotionen sind bemerkenswerte.

Post Scriptum:

In Russland verfolgt man natürlich aufmerksam das Pariser Geschehen um Pawel Durow. In diesem Zusammenhang erklärte am Donnerstag der Kremlsprecher Dmitrij Peskow: „Hier ist natürlich das Wichtigste, dass das, was sich abspielt, dass sich dies in Frankreich nicht zu einer politischen Verwandlung verwandelt“. „Wir wissen, dass Frankreichs Präsident irgendeine Verbindung mit der Politik verneint. Andererseits aber werden bestimmte Vorwürfe vorgebracht. Wir werden sehen, was sich weiter ereignen wird“.