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Lukaschenko hat eine Grenze für die militärische Konfrontation mit dem Westen aufgezeigt


Die russisch-weißrussischen Manöver „Bündnisentschlossenheit“ werden eine beispiellose Dimension aufweisen und können zu einem Vorboten für einen militärischen Vormarsch des Kremls auf das Territorium der Ukraine werden. Dies sagt mit Besorgnis der Chef des Nordatlantikpakts Jens Stoltenberg. Für den Generalsekretär der NATO ist dies ein „Schwanengesang“. Der Feldherr wird nach Ablauf der Amtszeit seinen Posten verlassen und voraussichtlich die Führung von Norwegens Nationalbank übernehmen. Die mythische Krise, die durch den Westen rund um die „ukrainische Frage“ geschaffen wird, ist für ihn eine wunderbare PR-Aktion. Sie rechtfertigt vollkommen die Neuernennung: Er hat eine Aggression verhindert, also wird er auch die Geldbösen retten. Allerdings gibt es keinen Rauch ohne Feuer.

„Es besteht das ernsthafte Risiko, dass die Manöver eine Maskierung für Kampfhandlungen, für einen Einmarsch in die Ukraine sein können“, erklärte Jens Stoltenberg bei einer Online-Konferenz, die von der Zeitung „The Washington Post“ organisiert worden war.

Die praktischen Handlungen der russisch-weißrussischen Kräfte werden auf den Truppenübungsplätzen Domanowskij, Goschskij, Obus-Lesnowskij, Brestskij und Osipowitschskij, aber auch in einigen Gebietsabschnitten, die auf dem Territorium Weißrusslands gelegen sind, erfolgen. Einige von ihnen befinden sich direkt an den Grenzen zur NATO und deren Partner. Dies sind das Truppenübungsgebiet Brestskij neben Polen und der Flugplatz in Luninez, der sich 50 Kilometer von der Ukraine befindet. Bei den Manövern werden beinahe alle Streitkräfte Weißrusslands, aber auch Truppenteile des Östlichen Militärbezirks, der Luft- und Kosmos-Streitkräfte und der Luftlandetruppen Russlands zum Einsatz kommen. Es geht dabei um zehntausende „freundliche Menschen“ und deren entsprechende Technik. Unter der sind die operativ-taktischen „Iskander“-Komplexe, S-400-Luftabwehrsysteme und Su-35-Jagdflugzeuge.

Die Überprüfung der Truppen des Unionsstaates hinsichtlich eines Reagierens erfolgt in zwei Etappen. In der ersten werden bis zum 9. Februar eine Verlegung und die Bildung von Truppen-Gruppierungen auf dem Territorium Weißrusslands durchgeführt, die Verteidigung wichtiger staatlicher und militärischer Objekte organisiert, der Schutz der Staatsgrenze im Luftraum verstärkt sowie eine Überprüfung der Bereitschaft der diensthabenden Kräfte der Luftabwehr und -verteidigung zum Schutz wichtiger Objekte vorgenommen. Im Verlauf der zweiten Etappe werden vom 10. bis einschließlich 20. Februar die gemeinsamen Manöver „Bündnisentschlossenheit-2022“ abgehalten. In deren Verlauf werden unmittelbar Fragen der Unterbindung und Abwehr einer äußeren Aggression, aber auch Handlungen zur Terrorismusbekämpfung und zum Schutz der Interessen des Unionsstaates trainiert.

Russlands Verteidigungsministerium hat offen erklärt, dass am 25. Januar in die Republik Belarus eine Reihe von Truppenteilen und Einheiten mit den entsprechenden Waffen verlegt worden seien – Artilleriekräfte und Marineinfanteristen. Zuvor hatten die russischen Militärs Bilder vom Eintreffen von Kräften einer Mot.-Schützen-Brigade aus dem Gebiet Transbaikalien in Weißrussland veröffentlicht. Am 26. Januar informierte Weißrusslands Verteidigungsministerium über die Ankunft eines Militärzugs mit russischen Fallschirmjägern für die Manöver. Am 27. Januar meldete das Ministerium, dass zwölf Su-35-Jagdflugzeuge aus dem Fernen Osten für die Manöver verlegt worden seien. Zwei Tage später wurde das Eintreffen einer Division von Luftverteidigungskomplexen geringer Reichweite vom Typ „Panzir-S“ bekanntgegeben. Am 2. Februar wurden gemeinsame Trainings von Militärs beider Länder begonnen. Für eine Vernichtung des angenommenen Gegners wurden eingesetzt: eine Division modernisierter 152-Millimeter-Selbstfahrhaubitzen 2S3M „Akazie“, eine Division von 120-Millimeter-Artilleriegeschützen vom Typ 2S9 „Nona-S“, zwei Batterien mit BM-21-Mehrfachraketenwerfern des Typs „Grad“ sowie eine Minenwerfer-Batterie 2S12 „Sani“ und eine Batterie mit Minenwerfern 2B23 „Nona-M1“. Und am 3. Februar ist das Luftabwehrraketensystem S-400 „Triumph“ nach Weißrussland verlegt worden. Dies sind bis zu einhundert Gefechts- und Sicherstellungsmaschinen. Sie alle haben bereits auf dem Truppenübungsgelände im Verwaltungsgebiet Brest und im Bestand des gemeinsamen regionalen Luftabwehrsystems von Weißrussland und Russland ihren Gefechtsbereitschaftsdienst aufgenommen.

„In Russland schätzt man hoch Ihre Entschlossenheit, der destruktiven Linie des Westens Paroli zu bieten, und die Bereitschaft zur Gestaltung eines gemeinsamen Verteidigungsraums in den Grenzen des Unionsstaates. Dabei können Sie auf unsere feste Unterstützung setzen“, erklärte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei einem Treffen mit Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko. Nach seinen Worten seien die Solidarität beider Länder, aber auch das Streben, maximal operativ und effektiv dem Verbündeten Hilfe zu leisten, im Verlauf der gemeinsamen Friedensoperation in Kasachstan bereits anschaulich demonstriert worden. Lukaschenko revanchierte sich nach diesen Worten mit der Erklärung: „Geredet wird darüber, ob es einen Krieg oder keinen Krieg geben wird. Und so weiter. Wenn sie vorrücken, werden sie eine Antwort bekommen. Ja, und dies ist der ganze Krieg. Ich habe jüngst darüber gesprochen. Wir brauchen nichts Fremdes. Geb‘ Gott, dass wir das Unsrige erschließen – von Brest bis nach Wladiwostok“, präzisierte der weißrussische Staatschef.

Zur Bestätigung ihrer Entschlossenheit holten weißrussischer, eher aber russische Militärs eine „Spectator“-Aufklärungsdrohne auf dem Territorium des Landes vom Himmel. Der Apparat befasste sich allem Anschein nach mit der Erkundung der Lage im Gebiet der Militärmanöver und war sozusagen nicht in die richtigen Hände geraten, indem er von System der funkelektronischen Abwehr abgefangen wurde. Die Drohne kann mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h und in einer Höhe von bis zu vier Kilometern fliegen und besitzt eine Reichweite von 150 Kilometern, wobei sie bis zu zwei Stunden in der Luft sein kann. Was die Drohne da in dieser Zeit zu erkunden geschafft hatte, ist unklar. Russlands Generalstab hatte die westlichen Militärattachés in Moskau vollkommen über den Charakter und die Dimensionen der anstehenden Manöver in Weißrussland informiert. Dennoch ist der Zwischenfall mit der Drohne für das weißrussische Außenministerium zum Anlass geworden, einen Protest gegenüber dem ukrainischen Botschafter in Minsk zu erklären. Laut Angaben des Ministeriums hatte die Drohne widerrechtlich die Staatsgrenze des Landes überflogen und wurde liquidiert.

Möglicherweise ist etwas Anderes wichtiger: Im Rahmen der Minsk-Reise von Sergej Schoigu sind sehr ernsthafte Erklärungen sowohl von der russischen als auch von der weißrussischen Seite abgegeben worden. Zum Beispiel darüber, dass eine große Gruppierung weißrussischer Truppen auf das Territorium Russlands im Rahmen der strategischen Manöver „Vostok-2022“ („Osten-2022“) verlegt werde. Diese Manöver sollen im Fernen Osten abgehalten werden, auf Kamtschatka, den Kurilen und auf Sachalin. Im Verlauf dieses Jahres werde es noch über 20 Veranstaltungen und Maßnahmen für ein Trainieren des militärischen Zusammenwirkens von Einheiten beider Länder geben. Ja, und natürlich auch darüber, dass die Länder gemeinsame Schulungszentren für die Luftabwehr und -verteidigung schaffen würden.

„Die Schulungszentren sind eine Idee, die durch Sie formuliert und durch unseren Präsidenten unterstützt wurde. Wir haben sie realisiert. Heute ist ein gemeinsames Ausbildungszentrum eingerichtet worden. Ich akzentuiere hier die Aufmerksamkeit darauf, weil die Hauptidee war, dass dies ein gemeinsames Zentrum ist. Damit wir zusammen fliegen und gemeinsam den Luftraum sichern“, teilte Sergej Schoigu bei dem Treffen mit Lukaschenko mit. Nach seinen Worten bestehe die Hauptaufgabe darin, dass das System der Luftverteidigung, das im Rahmen der Gemeinschaft geschaffen werde, „faktisch täglich seine Fertigkeiten trainieren und seine Effektivität demonstrieren kann, darunter auch jenen, denen man dies zeigen muss“.