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Lukaschenko verspricht westlichen Investoren kein süßes Leben


„Harte Maßnahmen“ versprechen die Offiziellen Weißrusslands den internationalen Unternehmen, die sich „nicht an die Regeln“ halten. Als erstes überprüft man einen Telekommunikationsanbieter mit österreichischer Kapitalbeteiligung. Die weißrussischen Propagandisten behaupten, dass dessen Mitarbeiter ihre Telefone den politischen Opponenten und ihnen so eine „Hetzkampagne“ beschert hätten.

„Der Telekommunikations- und Content-Provider A1, der auf dem Territorium von Belarus arbeitet, hat in einer gewissen Weise nicht den „Content“ und nicht an die richtige Stelle preisgegeben. Und dies verletzt jegliche moralischen, ethischen und juristischen Normen und Regeln. In diesem Zusammenhang ist durch den Präsidenten der Republik Belarus der Auftrag erteilt worden, eine Bewertung der Handlungen des Unternehmens vorzunehmen“, zitiert die Zeitung der Präsidialadministration „Belarus heute“ den stellvertretenden Leiter der Administration des Präsidenten, Igor Luzkij.

Der Beamte erklärte, dass im Auftrag von Alexander Lukaschenko „die härtesten Maßnahmen ergriffen werden“. Es müsse sich darüber Klarheit verschafft werden, was in dem Unternehmen geschehe, um künftig derartige Handlungen nicht zuzulassen, warnte er. „Dies wird nicht einem einzigen Unternehmen erlaubt werden, weder einem ausländischen noch jeglichem weißrussischen. Man darf nicht so auf dem Territorium unseres Landes arbeiten. A1 ist ein internationales Unternehmen. Und was man da auch immer sagen mag, dass sie entsprechend von Regeln arbeiten. In dem Unternehmen ist alles auf dreiste Weise über den Haufen geworfen worden“, behauptet Igor Luzkij.

Gleichzeitig damit erklärte der Weißrussische Journalistenverband, der Vertreter der staatlichen Massenmedien vereint, dass er sich „an die zuständigen Behörden“ gewandt habe, damit sie „im Verlauf einer komplexen Überprüfung der Tätigkeit“ A1 hinsichtlich einer Beteiligung am Diebstahl ihrer Telefonnummern kontrollieren.

Im erwähnten Verband behauptet man, dass die Telefonnummern der besonders aktiven Staatspropagandisten der Öffentlichkeit zugänglich geworden seien und man sie einer „Hetzjagd“ ausgesetzt habe. „Ab April 2020 bis einschließlich März 2021 sind über 450 unserer Kollegen Beleidigungen, einer Einschüchterung, Hetzjagd und Bedrohungen für das Leben und die Gesundheit ausgesetzt worden. In vielen Fällen besaßen die Verbrecher die Nummern von Mobiltelefonen und andere persönliche Informationen der Journalisten“, erläuterte man im Journalistenverband. „Allein die Tatsache der Weitergabe solcher Angaben ist ein schweres Verbrechen gegen die Unantastbarkeit des persönlichen Lebens, den Schutz von Personendaten und eine Verletzung der Vertragsbeziehungen mit dem Unternehmen – dem Mobilnetzbetreiber“, begründen sie ihre Beanstandungen.

Die Mitarbeiter der staatlichen Massenmedien verlangen, dass man sich bei ihnen öffentlich entschuldigt (bei jedem einzeln) und „den moralischen, Ansehens-, materiellen und anderen Schaden“ kompensiert. Gleichfalls bestehen sie auf eine „maximale Haftung der Schuldigen entsprechend dem weißrussischen Gesetz“. „Der Journalistenverband bittet die gesetzgebenden, exekutiven, Kontroll- und Gerichtsorgane von Belarus, alles von ihnen Abhängende für eine Nichtzulassung derartiger Verbrechen in der Zukunft zu tun“, heißt es in einer Erklärung.

Die Autoren der Erklärung sind der Auffassung, dass es für ein „solches Unternehmertum keinen Platz im heutigen weißrussischen Staat“ gebe. Und im Telegram-Kanal eines der berüchtigtsten Propagandisten war gar das Wort „Nationalisierung“ aufgetaucht.

Die Geschichte mit A1 hatte bereits am 10. Dezember begonnen. Die Hauptverwaltung für die Bekämpfung organisierter Kriminalität und von Korruption, die die weißrussischen Repressalien angeführt hatte, nahm den Pressesekretär dieses Unternehmens Nikolaj Bredeljew fest. Wie dies diese Verwaltung praktiziert, wurde mit ihm ein Bekennervideo aufgenommen, in dem er nicht nur darüber erzählt, dass er Personendaten von Kunden dem Autor eines der Telegram-Kanäle übergeben hätte, sondern auch seine nichttraditionelle sexuelle Orientierung eingesteht.

Im Unternehmen selbst erklärte man, dass man diesbezüglich über keinerlei Informationen verfüge und dass man keinerlei offizielle Beanstandungen gegen sie vorgebracht habe. Und Nikolaj Bredeljew hätte keinen Zugang zu Personendaten von Kunden gehabt. Dabei sicherte man dort zu, dass man eine interne Überprüfung vornehmen werde. Österreichs Botschaft erklärte einen Protest im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Reue-Videos, wobei man es als eine Verletzung der persönlichen Rechte von Bredeljew bewertete.

Der weißrussische Anbieter von Telekommunikationsleistungen A1 ist Teil der internationalen Gruppe A1 Telekom Austria Group, die wiederum zum europäischen Ableger der aus Mexiko agierenden transnationalen Holding América Móvil gehört.

Wie aus offiziellen Erklärungen folgt, sind die Drohungen an die Adresse der internationalen Holding teil der gegen die Sanktionen gerichteten Kampagne des offiziellen Minsk. Bei der Formulierung der Beanstandungen gegenüber A1 sprach Igor Luzkij davon, dass jegliche Sanktionen, die gegen Weißrussland verhängt werden würden, Folgen für jene haben würden, die dies tun. Er erklärte, dass bald Litauen Probleme erwarten würden, das androht, den weißrussischen Kali-Transit zu unterbinden. „Dies wird ihnen nicht gelingen“, ist sich Igor Luzkij sicher.

Einen Tag zuvor veröffentlichten die staatlichen Massenmedien Fragmente aus einem Interview von Außenminister Wladimir Makei, welches er dem russischen Auslandsfernsehsender RT Arabic gewährt hatte und in dem er erklärt, dass Minsk als Antwort auf die unfreundlichen Handlungen des Westens beabsichtige, bei sich auf dem Territorium Kernwaffen zu stationieren. Zuvor hatte dies Alexander Lukaschenko angedeutet. „Das, was Präsident Alexander Lukaschenko erklärte, dass wir die Möglichkeit einer Stationierung von Kernwaffen auf dem Territorium von Belarus prüfen würden, ist eine der möglichen Antworten auf künftige mögliche Aktionen seitens des Nordatlantikpakts auf dem Territorium Polens“, sagte Makei.

Experten konstatieren, dass die Konfrontation von Minsk mit den Ländern des Westens nicht aufhöre. Durch seine Handlungen versuche Alexander Lukaschenko zu beweisen, dass er der stärkste Politiker in Europa sei, und zu zwingen, ihn zu achten. Insbesondere ihn als legitimes Staatsoberhaupt anzuerkennen. Politologen schließen nicht aus, dass sich Lukaschenko nach den gescheiterten Erpressungsversuchen mit den Migranten auf irgendeine neue Erpressungsvariante einlassen werde.

Wirtschaftsexperten schließen nicht aus, dass es wirklich zu einer Nationalisierung von Aktiva westlicher Unternehmen kommen könne. Freilich erinnern sie daran, dass dadurch in erster Linie Weißrussland selbst und dessen Bevölkerung leiden würden. Wie allerdings auch durch andere Gegensanktionen, die beispielsweise den Weißrussen Importprodukte nehmen. Neue ausländische Investitionen fließen schon seit vielen Jahren nicht mehr nach Weißrussland. Diejenigen jedoch, die im Land geblieben sind und arbeiten, investieren den gesamten erwirtschafteten Gewinn in der Republik. Und dies sind etwa eine Milliarde Rubel. Die weißrussischen staatlichen Unternehmen haben wenig Geld für die Finanzierung neuer Projekte. Die Verfolgung ausländischer Businessvertreter kann zu deren Exodus aus Weißrussland führen. Dies wiederum kann mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit einhergehen, mit einem Rückgang der Einnahmen der staatlichen Etats aller Ebenen. Und in der mittelfristigen Perspektive wird dies die technische und technologische Rückständigkeit der weißrussischen Wirtschaft verstärken. Laut Angaben des Statistikamts „Belstat“ haben ausländische Investoren in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 6,674 Milliarden Dollar in die weißrussische Wirtschaft investiert. Nicht ausgewiesen wurde dabei allerdings, aus welchen Ländern diese Gelder gekommen sind.