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Lukaschenkos Opponenten bereiten sich auf Frühjahrsaktionen vor


Am vergangenen Mittwoch haben die Führer der weißrussischen Proteste Pawel Latuschko, Swetlana Tichanowskaja, die Eheleute Valerij und Veronika Zepkalo sowie Olga Kowalkowa erklärt, dass alle von ihnen geschaffenen Strukturen (die Antikrisen-Volksverwaltung, der Koordinierungsrat und der Tichanowskaja-Stab) ihre Anstrengungen vereinen würden. In der nächsten Zeit würden sie beabsichtigen, ihren Plan für einen Sieg – 2021 zu präsentieren. Vorerst aber setzen die Opponenten von Alexander Lukaschenko konsequent ihre Absichten um, alle Verbrechen des gegenwärtigen Regimes zu fixieren. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Untersuchung der Umstände der Ermordung von Roman Bondarenko und ein Bericht über Folterungen und Gewalt in Bezug auf während der Proteste Festgenommenen.

Die in der Freiheit gebliebenen Opponenten von Alexander Lukaschenko haben, auch wenn sie sich im Exil befinden, die gewisse Ratlosigkeit und Differenzen, die in der letzten Zeit zu beobachten waren, überwunden. Am Mittwoch haben die Anführer der Proteste Pawel Latuschko, Swetlana Tichanowskaja, die Eheleute Valerij und Veronika Zepkalo sowie Olga Kowalkowa erklärt, dass alle von ihnen geschaffenen Strukturen (die Antikrisen-Volksverwaltung, der Koordinierungsrat und der Tichanowskaja-Stab) ihre Anstrengungen vereinen würden. In der nächsten Zeit würden sie beabsichtigen, ihren Plan für einen Sieg – 2021 zu präsentieren. In ihm gibt es nicht nur Hilfe für von den Repressalien Betroffenen, sondern auch „eine Forcierung der Protestaktivitäten“ sowie des „ökonomischen und politischen Drucks auf das Regime“ und eine Arbeit unter den Staatsbediensteten zwecks deren Übergang auf die Seite des Volkes. „Es ist an der Zeit, zu handeln, alle Ressourcen zu mobilisieren und zu demonstrieren, dass wir die Mehrheit sind. Schon jetzt bereiten wir gemeinsame Februar-Kampagnen und eine Unterstützung für Massenaktionen auf den Straßen im Frühjahr vor. Wir arbeiten zusammen, um unseren gemeinsamen Sieg und neue Wahlen näher zu bringen“, heißt es in ihrer gemeinsamen Erklärung. 

Derweil wurden am Mittwoch gleich zwei Dokumente veröffentlicht, die Tatsachen von Folterungen und Gewalt gegenüber friedlichen Bürgern Weißrusslands fixieren. Die Initiative BYPOL, die ehemalige Mitarbeiter von Strukturen der bewaffneten Organe vereint, die auf die Seite der Protestierenden übergegangen sind, publizierte Angaben einer eigenen Untersuchung der Umstände des Todes des 31jährigen Roman Bondarenko. Der junge Mann war am 12. November vergangenen Jahres an ihm bei der Festnahme zugefügten Verletzungen verstorben. Die Rechtsschutzorgane haben bisher nach wie vor kein Strafverfahren hinsichtlich der Tatsache seines Todes eingeleitet. Wie allerdings auch in Bezug auf alle anderen Fälle von Gewalt und Folterungen. 

In dem veröffentlichten BYPOL-Dokument wird minutiös alles beschrieben, was mit Roman Bondarenko geschah, nachdem er in den Hof gekommen war, um „nicht gleichgültige Bürger“ darin zu hindern, von Bewohnern befestigte weiß-rot-weiße Bänder abzuschneiden. Dabei werden die Namen dieser „nicht gleichgültigen Bürger“ genannt. Laut Angaben von BYPOL sind unter ihnen die Pressesekretärin von Alexander Lukaschenko, Natalia Eismont, die Schwester ihres Ehemanns und Chefs der Weißrussischen Funk- und Fernsehgesellschaft Iwan Eismont, die Moderatorin der Sportnachrichten auf diesem Kanal, Anna Eismont, das Mitglied der Präsidenten-Eishockey-Mannschaft Pawel Woltschek und seine Gattin Jeanetta. Früher waren bereits auf einem Video der Chef der Weißrussischen Eishockey-Föderation Dmitrij Baskow und der Boxer Dmitrij Schakuta identifiziert worden. Deren Anwesenheit am Ort, wo sich die Tragödie ereignet hatte, wird in der Untersuchung durch Geolokalisierungsdaten ihrer Mobiltelefone bestätigt. Bezeichnend ist, dass nur das Telefon von Dmitrij Baskow ausgeschaltet war. 

Weiter nennen die Autoren der Untersuchung Namen von Mitarbeitern von Polizeispezialkräften für schnelle Einsätze, die Roman Bondarenko in einen Bus am Hof gebracht hatten, wobei sie ihn an den Armen und Füßen festgehalten hatten, während der Kopf auf den Asphalt schlug. Die Geolokalisierungsdaten der Telefone, die allen in der Untersuchung aufgezählten Mitarbeitern dieser Polizeispezialkräfte gehören, bestätigen gleichfalls deren Anwesenheit an diesem Ort und zu dieser Zeit. 

Im Bus hatte sich Roman rund 40 Minuten befunden, bevor er bereits durch OMON-Mitarbeiter (die Namen und Geolokalisierungsdaten deren Telefone sind ebenfalls in der Untersuchung) in die Abteilung des Innern des Zentralen Stadtbezirks von Minsk in einem Zustand gebracht wurde, der „für einen Sprachkontakt ungeeignet“ war. „Als ihn die OMON-Mitarbeiter unter das Sichtfenster des operativen Diensthabenden in einem Raum der Dienststelle geworfen hatten, konnte er lediglich unkontrollierte Bewegungen – „zusammenzucken“ – tun“, heißt es im BYPOL-Report. Die OMON-Mitarbeiter hatten mitgeteilt, dass sich der junge Mann im Zustand eines „starken Alkoholrausches“ befinden würde, und verschwanden schnell. In der Stadtbezirksabteilung des Innern stellte man nach einiger Zeit (nicht sofort) fest, dass er überhaupt nicht betrunken war, was die Audioaufnahmen mehrerer Telefonanrufe in der Notrettungshilfe-Zentrale mit der Forderung, schnell zu kommen, belegen. „Als man ihn hierher brachte, wurde sein Zustand praktisch zu eingeschätzt, dass er bereits fast hinter der Linie war, die die Lebenden von den Nichtlebenden trennt… Eine Gehirnprellung. Das heißt, Abschnitte des Gehirns waren zerstört, und in ihnen gab es Blutungen“, beschrieb ein Arzt im Nothilfekrankenhaus den Verwandten den Zustand des Patienten, wobei er konstatierte, dass es praktisch keine Überlebenschancen geben würde. 

Alexander Lukaschenko hatte das mit Roman Bondarenko Geschehene kommentiert und dies als eine Hof-Schlägerei bezeichnet. Dabei hatte er behauptet, dass der zu Tode Geprügelte „im Zustand einer Alkohol-Intoxikation“ gewesen wäre. Der Arzt Artjom Sorokin, der Angaben darüber, dass Roman Bondarenko nicht betrunken gewesen war, zur Verfügung gestellt hatte, aber auch die Journalistin Katerina Borisjewitsch des Internet-Portals TUT.BY, die darüber geschrieben hatte, sitzen gegenwärtig im Gefängnis. Man bezichtigt sie der Preisgabe eines Arztgeheimnisses. 

Der Tod von Roman Bondarenko ist der spektakulärste Fall der weißrussischen Proteste, jedoch bei weitem nicht der einzige. In den ersten Tagen war der 34jährige Alexander Taraikowskij aus kürzester Distanz erschossen worden. Durch einen Genickschuss wurde der 44jährige Gennadij Schutow umgebracht, durch Folterungen wurde der 25jährige Alexander Wikhor zu Tode gequält, erhängt aufgefunden wurde der 28jährige Nikita Kriwzow. Über 30.000 friedliche Bürger wurden festgenommen, mehr als eintausend Beweise für Folterungen und Gewalt sind fixiert worden.     

Am Mittwoch, dem 27. Januar, wurde noch ein Bericht zu diesem Thema – „Korridor der Schlagstöcke“: Der Weg der weißrussischen Herrschenden“ – veröffentlicht. Ihn haben das russische Komitee gegen Folterungen und die World Organisation Against Torture vorbereitet. Darin sind schockierende reale Geschichten realer Menschen beschrieben worden, mit Fotos, Videos und Tonaufnahmen darüber, was mit ihnen in den ersten Tagen nach den Präsidentschaftswahlen bei der Festnahme geschehen war. Die Menschen berichten, wie man sie mit Schlagstöcken und Fußtritten blau geschlagen hatten, sie mit Farbe beschmierten, mehrere Tage lang Essen und Trinken verwehrte, in für vier Personen vorgesehenen Zellen 40 Menschen einsperrte, zwangen, die Hymne zu singen und zu rufen „Ich liebe die OMON“, und die ganze Zeit forderten, Namen gewisser Koordinatoren zu nennen und zu berichten, wieviel man ihnen gezahlt hätte.  

Nicht ein Strafverfahren ist gegen Mitarbeiter der bewaffneten Organe eingeleitet worden, dafür sperrt man die Betroffenen bereits nicht einfach für einen Tag wie zu Beginn der Proteste, sondern für Jahre ein. Am Mittwoch, dem 27. Januar verurteilte das Gericht des Minsker Lenin-Stadtbezirks den 32jährigen Unternehmer Viktor Boruschko zu fünf Jahren strenger Lagerhaft wegen der „Zufügung eines schweren körperlichen Schadens einem OMON-Angehörigen“. Im Verlauf der Verhandlung hatte der Angeklagte nicht nur seine Schuld bestritten, sondern auch über schockierende Einzelheiten seines Aufenthaltes in der Abteilung des Innern des Lenin-Stadtbezirks berichtet. Man hatte ihn ebenfalls geprügelt und mit einem Schlagstock vergewaltigt. Nach dem Aufenthalt in dieser Polizeistation verbrachte er zwei Woche auf einer Intensivstation. Wie aus dem vor Gericht Vorgetragenen folgt, habe der OMON-Mitarbeiter „Körperverletzungen“ durch einen Zusammenstoß mit Viktor Boruschko erhalten, dem zuvor sein Kollege einen Schlag versetzt hatte.

Die Öffentlichkeit bemerkt bisher keine Verringerung des Grades der Repressalien. Einige Experten behaupten jedoch, dass „die Offiziellen den Fluss an Repressalien gebremst haben“ und sogar bereit seien, irgendwen zu amnestieren und um diesen mit dem Westen zu schachern. Solch einen Standpunkt äußerte unter anderem Andrej Kasakjewitsch, Direktor des Instituts „Politische Sphäre“. Jedoch ist sogar er sich selbst nicht sicher, ob die „bedeutenden politischen Häftlinge“ eine Amnestie akzeptieren, die ein Eingestehen der Schuld voraussetzt.