Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Maia Sandu habe angeblich Staatsanwälte beauftragt, sich mit der „Tüte“ Dodons auseinanderzusetzen


Am vergangenen Dienstag hatte die Generalstaatsanwaltschaft der Republik Moldowa Ex-Präsident Igor Dodon für 72 Stunden festgenommen. Ein Gericht ordnete danach an, Dodon für 30 Tage unter Hausarrest zu stellen, während die Staatsanwaltschaft auf eine U-Haft besteht. Am 31. Mai erfolgt eine Gerichtsverhandlung zu dieser Frage. Das einstige moldawische Staatsoberhaupt wird des Landesverrats bezichtigt, aber auch passiver Korruption und widerrechtlicher Bereicherung. Die Staatsanwälte nutzen dabei den sogenannten Fall „Die Tüte“, der im Jahr 2019 gegen Dodon eingeleitet worden. Keiner weiß, was in der „Tüte“ gewesen war, die im Fernsehen während ihrer Übergabe an den Politiker gezeigt wurde. Es wird aber angenommen, dass da Geld gewesen war.

Der Leiter der Menschenrechtsorganisation „Recht auf Rechtsprechung“ Pavel Grigorchuk ist der Auffassung, dass man den Fall aus den Archiven hervorgeholt habe, um das Volk vom Rückgang des Lebensniveaus abzulenken. Es besteht aber auch die Meinung, dass man Dodon für seinen prorussische Kurs bestrafe. Freilich sind dies nur einige und nicht alle Meinungen zu dem spektakulären Fall.

In den Morgenstunden des 24. Mai hatten Staatsanwälte zusammen mit dem Nationalen Zentrum für Korruptionsbekämpfung und des Informations- und Sicherheitsdienstes der Republik Moldowa Durchsuchungen im Haus des ehemaligen moldawischen Staatsoberhauptes Igor Dodon, aber auch im Haus seiner Eltern durchgeführt. Laut einer Mitteilung der Rechtsschutzorgane erfolgten die Durchsuchungen im Rahmen des Falls, der als „Die Tüte“ bekannt ist.

„Vorgenommen werden Durchsuchungen auch an anderen Orten, untersucht werden die Immobilien, die Mittelsmännern gehören. Und dies im Rahmen eines Strafverfahrens, das entsprechend dem begründeten Verdacht der Verübung eines Verbrechens, das durch den Artikel 324 (passive Korruption), Artikel 181/2 (Annahme einer Finanzierung für eine politische Partei von einer kriminellen Organisation), Artikel 337 (Landesverrat) und Artikel 330/2 (widerrechtliche Bereicherung) vorgesehen wird, eingeleitet wurde“, erklärte Staatsanwältin Mariana Kerpek. Nach ihren Worten „hat der amtierende Generalstaatsanwalt Dumitru Robu angeordnet, ein Strafverfahren aufgrund von Videoaufnahmen zu beginnen, die im Sommer des Jahres 2020 im öffentlichen Raum aufgetaucht sind“. Im Ergebnis wurde der Ehrenvorsitzende der Partei der Sozialisten und Moldawiens Ex-Präsident Igor Dodon für 72 Stunden festgenommen und bald danach für 30 Tage unter Hausarrest gestellt. Es wird mitgeteilt, dass auch Dodons Taufpate Petru Merineanu verhaftet wurde.

Es sei daran erinnert, dass die Videoaufnahmen, auf die die moldawischen Staatsanwälte verweisen, im Jahr 2019 im Büro der Demokratischen Partei Moldawiens entstanden sind. Auf dem Video ist zu sehen, wie der Führer der Demokratischen Partei, der Oligarch Vlad(imir) Plahotniuc dem damaligen Präsidenten Igor Dodon eine schwarze Plastiktüte übergibt, in der sich vermutlich Geld befindet, das ausgehend vom Gespräch beider Politiker für eine Finanzierung der von Dodon angeführten Partei der Sozialisten bestimmt ist.

Die Videoaufnahmen hatte im Jahr 2020 der Parlamentsabgeordnete Yuri Renitse veröffentlicht. Ende Juni des gleichen Jahres lehnte die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft die Einleitung eines Strafverfahrens auf der Grundlage der Videoaufnahmen ab, wobei sie betonte, dass sie „im Verlauf einer Überprüfung keine Elemente einer Straftat ermittelte. Aber über die „Tüte“ fing man zu reden an, wobei die Bevölkerung, die sich die Videoaufnahmen angesehen hatte, sich gewiss war, dass Dodon Geld von Plahotniuc genommen hatte. Dies war genug, damit das Rating Dodons zum Sinkflug überzugehen begann. Die Sache ist die, dass Vlad Plahotniuc, den man als den Herrn von Moldowa bezeichnete, zu jener Zeit ein Politiker gewesen war, den die Bevölkerung nicht bloß nicht mochte, sondern für den Schuldigen all ihrer Übel hielt. Der Satz, wonach „Moldowa ein Land ist, das von Oligarchen eingenommen wurde“, meinte gerade Plahotniuc.

Übrigens, Moldawiens Präsidentin Maia Sandu ist unter anderem dank der im Volk populären Losungen „Jagt die Oligarchen davon!“ und „Gebt dem Land die geraubte Milliarde zurück!“ an die Macht gekommen. Sandu hatte versprochen, Plahotniuc, der das Land verlassen hat, zurückzuholen und zu bestrafen, aber auch Klarheit über die aus den moldawischen Banken geraubten eine Milliarde Dollar zu schaffen. Der Fall des Jahrhundertraubes ist nach wie vor nicht aufgeklärt worden. Plahotniuc lebt im Ausland. Aufgetaucht ist aber der Fall „Die Tüte“, der dazu bestimmt ist, wie der Menschenrechtler Pavel Grigorchuk behauptet, den zunehmenden Unmut der Bürger der Republik Moldowa über die Situation im Land zu dämpfen. Laut Angaben soziologischer Untersuchungen geht das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber Sandu zurück (für sie hatten zwei Drittel der Wähler gestimmt). Die Hauptbeanstandung gegenüber dem Liebling des Volkes ist die Nichterfüllung der Wahlkampfversprechen. Sandu agiert erfolgreich für Moldawien im Westen, wobei sie eine Integration der Republik in die EU zur Priorität ihrer Handlungen erklärte. Aber in ihrem Land ist sie noch nicht überall gewesen. In den zwei Jahren ihrer Amtszeit hat sie nicht die Gagausen-Autonomie und die nördliche Hauptstadt Moldawiens, die Stadt Bălți (Belz) besucht. Derweil orientiert sich die Bevölkerung dieser Regionen wie auch Transnistrien nach Russland.

Insgesamt machen die Bürger mit solch einer Einstellung im Land mehr als die Hälfte aus. Und sie werden bei den nächsten Präsidentschaftswahlen Maia Sandu wahrscheinlich nicht unterstützen. Dies sind Regionen, wo die Sozialisten eine größere Popularität genießen. Und deren Vertreter ist auch Dodon. Während man ihn vor kurzem aktiv kritisierte, kann er jetzt dort nur dank seiner Erklärungen über die Notwendigkeit einer Entwicklung der Beziehungen mit der Russischen Föderation, die er in der letzten Zeit regelmäßig abgegeben hatte, punkten. Und dabei kritisierte er Sandu und die Landesregierung wegen des Kurses in Richtung NATO in Sonderheit und gen Westen insgesamt.

Man kann dies für einen Zufall halten, aber nach einer Reihe solcher Erklärungen hat die Berufungskammer von Kischinjow den Beschluss des Kischinjower Gerichts aufgehoben, das im Jahr 2019 die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Dodon abgelehnt hatte, aber auch die Anordnung des ehemaligen stellvertretenden Leiters der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft Vasili Levițki aus diesem Anlass. Dodon hatte damals erklärt: „Gegen mich kann man etwas unternehmen, kann man Durchsuchungen vornehmen. Man kann mich „aus Willkür“ für irgendeine Zeit verhaften. Man kann mir aber keine Angst machen. Ich beabsichtige nicht, das Land zu verlassen oder sich zu verstecken“. (Freilich diesbezüglich kommen Zweifel an der Aufrichtigkeit des 47jährigen auf, da die Staatsanwaltschaft in Kischinjow erklärte, dass bei den Hausdurchsuchungen Flugticktes für den 26. Mai gefunden wurden. – Anmerkung der Redaktion)

Und Dodon erinnerte daran, dass er im vergangenen Jahr das Abgeordnetenmandat und die Vollmachten des Vorsitzenden der Partei der Sozialisten niedergelegt hätte. „Ich versuchte auf jegliche Weise, nicht in eine Konfrontation mit den heutigen Herrschenden zu treten, ihnen zu ermöglichen, sich in der Arbeit zu zeigen. Ich habe beschlossen, etwas Abstand zu nehmen. Sie holen mich aber mit ihren Handlungen zurück. Ich werde alles aushalten. Aber danach: Halten Sie sich fest! Nun gut, wir werden losgehen und uns Klarheit verschaffen“. Dodow wurde gleichfalls mit einer Geldstrafe von 9000 Lei wegen eines Verstoßes gegen das Verbot einer Verwendung des Georgsbandes am 9. Mai belegt.

Maia Sandu kommentierte die erneute Einleitung mehrere Strafverfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft, unter ihnen auch das Verfahren zum „Tüten“-Fall. „Ich habe die Fälle nicht gesehen, um Ihnen zu sagen, wie gut sie begründet wurden sind. Ich bin aber nicht erstaunt, dass diese Menschen zu Angeklagten dieser Prozesse geworden sind. Dies ist keine Neuigkeit. Die Presse spricht schon viele Jahre darüber, dass sie in bestimmten Korruptionsschemas verstrickt gewesen seien. Folglich ist dies nichts Fabriziertes. Ich hoffe und bitte die Staatsanwaltschaft, das Gesetz einzuhalten, damit alle Beweise gut untermauert sind, denn wir wollen, dass alle Prozesse gerechte sind und zu Ende geführt werden, damit der Staat nicht dann im Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verliert. Ich denke aber nicht, dass irgendwer irgendwelche Zweifel hinsichtlich dieser Personen hat, dass sie das Gesetz verletzten, dass sie Missbräuche zugelassen haben“.

Das Verfahren hinsichtlich einer organisierten kriminellen Gruppierung von Plahotniuc sei faktisch gefloppt, anstelle dessen werde der „Fall Dodon“ vorgelegt, merkte aus diesem Anlass Pavel Grigorchuk an.

Zur gleichen Zeit trat der suspendierte Generalstaatsanwalt Alexandr Stoianoglo vor den Mitgliedern des Obersten Rates der Staatsanwälte auf und betonte: „Man hat mir vorgeworfen, dass ich solch eine Entscheidung in Bezug auf Dodon getroffen hatte (er hatte die Einleitung eines Verfahrens abgelehnt – „NG“), aber warum sagt keiner, wieviel Entscheidungen wir gegen Frau Sandu und Herrn Grosu (den Parlamentschef – „NG“) gefällt haben. Ich habe es so verstanden, dass die Politiker stets eine Involvierung der Staatsanwaltschaft in die politischen Spiele wollten“, sagte Stoianoglo.

„Wenn die Herrschenden nicht regieren können, kämpfen sie gegen die Opposition“, kommentierte das Geschehen der Exekutivsekretär der Partei der Sozialisten Vlad Batrîncea. „Wenn die Herrschenden keinerlei Ergebnisse vorlegen können, sie den Menschen kein Brot geben können, versorgen sie die Bevölkerung lediglich mit billigen Shows. Das, was mit unserem Kollegen, mit Ex-Präsident Igor Dodon, geschehen ist, ist eine 2-Kopeken-Show, wie auch die gesamte Kampagne zur Einschüchterung der Opposition“, erklärte Batrîncea. Der Exekutivsekretär der Partei der Sozialisten der Republik Moldowa wandte sich an diplomatische Vertretungen im Land, aber auch an internationale Organe mit der Bitte, sich einzuschalten und die „Errichtung eines neuen antidemokratischen Regimes in der Republik Moldowa“ zu stoppen. Batrîncea unterstrich, dass die Sozialisten zu Protesten bereit seien, um die Demokratie zu verteidigen. Im Zusammenhang damit wandte sich der 41jährige Politiker an die Landesbevölkerung: „Wir werden bereit sein, die Demokratie, die Freiheiten, die Möglichkeit, zu kritisieren und frei zu denken, die Möglichkeit, zu wählen und gewählt zu werden, verteidigen. Wenn diese Basisprinzipien zerstört werden, kann der Staat in ein Chaos gestürzt werden. Wir müssen zu einem demokratischen Kampf bereit sein“.

Viele in Moldawien hegen jedoch Zweifel, dass das Volk auf diesen Appell zu Massenprotesten reagieren wird. Der Vertrauensverlust durch die Sandu-Wähler bedeutet keine Zunahme von Vertrauen in Bezug auf die Sozialisten. Und die zahlenmäßig geringen Proteste für eine Freilassung Dodons in den letzten Tagen scheinen dies zu belegen. Dagegen zeigte aber der Kreml Flagge. Wie Präsidentensprecher Dmitrij Peskow erklärte, verfolge man mit Besorgnis die Entwicklung der Ereignisse um Igor Dodon. Nun ja, in Moskau hat man halt ein Faible für prorussische Politiker in anderen Ländern.