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Migrationskrise an der polnisch-weißrussischen Grenze löst Sorgen in der Ukraine aus


Die Ukraine kann in den Verwaltungsgebieten Wolyn, Rowno, Shitomir, Kiew und Tschernigow den Ausnahmezustand verhängen. Dies sagten Spitzenvertreter von Strukturen der Sicherheits- und bewaffneten Organe im Verlauf einer auswärtigen Beratung in Luzk. Das Verwaltungszentrum war aus dem Grund ausgewählt worden, da das Verwaltungsgebiet Wolyn an Weißrussland und Polen grenzt. In Kiew befürchtet man, dass der Migrantenstrom in Richtung EU über ukrainisches Territorium erfolgen werde.

Der neue ukrainische Verteidigungsminister Alexej Resnikow wandte sich am Sonntag an die Einwohner der fünf Verwaltungsgebiete, die an Weißrussland grenzen. „Ich möchte gern … jene warnen, die planen, Geld durch die Hilfe für illegale Migranten beim Überwinden der Grenze zu verdienen. Dies wird gegen die nationalen Interessen der Ukraine sein. Dies ist eine Frage der nationalen Sicherheit“. Die Offiziellen erinnerten die Bürger an die strafrechtliche Verantwortung für derartige Handlungen. Bisher beschränkt sich die Sache auf Warnungen. Jedoch sei die Verhängung des Regimes eines Ausnahmezustands in den Grenzgebieten nicht ausgeschlossen. Dies erklärte zu den Ergebnissen der Beratung in Luzk Innenminister Denis Monastyrskij: „Wie der Sekretär des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung (Alexej Danilow – „NG“) sagte, sind verschiedene Handlungsszenarios ausgearbeitet worden, bis hin dazu, dass ein Ausnahmezustand verhängt wird…“

Gemäß der ukrainischen Gesetzgebung wird die Entscheidung über das Regime eines Ausnahmezustands durch den Sicherheitsrat des Landes getroffen, wonach sie zur Unterzeichnung zum Landespräsidenten kommt. Das Staatsoberhaupt muss einen entsprechenden Beschluss der Werchowna Rada (das Landesparlament – Anmerkung der Redaktion) zur Behandlung vorlegen, die die endgültige Entscheidung über die Verhängung eines Ausnahmezustands trifft. Theoretisch kann dies alles innerhalb weniger Stunden getan werden, wenn die Entwürfe der Beschlüsse fertig sind und es im Parlament keine Widersprüche hinsichtlich der entstandenen Situation gibt.

Jetzt sind sich alle parlamentarischen Parteien in der Meinung einig, dass die Ukraine keine Migranten auf ihr Territorium lassen dürfe. Die Mitstreiter von Ex-Präsident Petro Poroschenko wie auch die Vertreter der regierenden Partei „Diener des Volkes“ sind davon überzeugt, dass an der Grenze Weißrusslands mit der EU „die Krise künstlich geschaffen worden ist…“.

Das andere Lager der Opposition, repräsentiert durch die Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“, ist auch der Auffassung, dass sich Kiew mit den Problemen der Inlandsumsiedler befassen müsse und nicht über eine Aufnahme der Migranten nachdenken dürfe, die sich in Weißrussland befinden. Einer der Führer der Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“, Jurij Boiko, betonte bei einem Auftritt in der TV-Sendung „Redefreiheit von Sawik Schuster“: „Wir haben unsere eigenen Flüchtlinge, fast 1,5 Millionen. Seit 2014 leben die Menschen, die alles verloren haben, in einer überaus schweren Lage im eigenen Land, praktisch keinen eigenen Wohnraum habend. Davon können 500.000 nirgendwohin zurückkehren. Die Unterkünfte sind zerstört. Sie leben entweder in provisorischen Siedlungen oder in Baracken und Garagen. Ihnen muss man in erster Linie helfen!“.

Allem nach zu urteilen, wird die Werchowna Rada schnell für den Ausnahmezustand votieren, wenn sie eine reale Gefahr einer Migrationswelle vom Territorium Weißrusslands aus ergibt. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes Iwan Bakanow sagte im Verlauf der Beratung der Vertreter der Sicherheits-, Rechtsschutz- und bewaffneten Organe: „Wir arbeiten vorauseilend. Und werden alles tun, damit diese selbst theoretische Entwicklungsvariante der Ereignisse nicht in der Praxis realisiert wird. Gerade deshalb sind wir heute in Luzk zusammengekommen, um Maßnahmen zur Abwehr solch einer Erscheinung des hybriden Krieges abzustimmen. Wir halten die Situation nicht einfach unter Kontrolle, sondern realisieren die gesamte erforderliche organisatorische und operative Arbeit“.

Laut offiziellen Angaben patrouillieren derzeit an der ukrainisch-weißrussischen Grenze zusätzliche Kräfte – 8.500 Mitarbeiter der nationalen Polizei, der Nationalgarde und des Staatlichen Grenzdienstes, aber auch 5.500 Mitarbeiter des Staatsdienstes für Notstandssituationen. Innenminister Monastyrskij sagte: „Dienst wird auch die Luftwaffe tun. Das Innenministerium, unter anderem mit 15 Hubschraubern, die Mobilität gewährleisten und bei Bedarf unsere Kräfte an die Grenze verlegen werden“. Der politische Experte Jurij Butusow teilte unter Berufung auf seine Quellen mit, dass für die Bewachung der Grenze zu Weißrussland „zusammengestellte Einheiten von Offiziersschülern aus acht Hochschuleinrichtungen entsandt werden. Die Grenze ist eine große, die durch nichts gesichert ist. Im Falle eines Ansturms illegaler Migranten muss sie doch irgendwer in den Wäldern einfangen“. Butusow betonte, dass die Offiziersschüler keine Waffen erhalten würden.

Der Sekretär des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung Danilow unterstrich in der Fernsehsendung „Recht auf die Macht“, dass die Mitarbeiter aller Institutionen, die am Schutz der Grenze teilnehmen, nicht auf die Migranten schießen würden, wie auch immer sich die Situation entwickeln möge. „Erstens können wir kein Feuer zur Vernichtung eröffnen. Dies ist kategorisch verboten. Eine andere Sache ist, dass wir präventive Maßnahmen ergreifen müssen, damit dies nicht geschieht“, sagte Danilow. Die Frage hatte sich aus dem Grunde ergeben, da am Sonntag einige ukrainische Massenmedien eine Mitteilung im Namen der 61. Eigenständigen Infanterie-Jägerbrigade veröffentlicht hatten. Darin hieß es, dass „nicht ein einziger sogenannter Migrant, aber auch andere Personen, die sich als Migranten maskieren können, auf das Territorium der Ukraine gelangen werden. Sie werden durch unsere Einheiten einfach vernichtet“.

Beinahe sofort erklärte das Zentrum für strategische Kommunikation und Informationssicherheit, dass die Militäreinheit, in deren Namen die Erklärung abgegeben worden war, nicht existiere. „Solche Erklärungen von Fake-Ressourcen widerspiegeln nicht die Position der ukrainischen Streitkräfte, widersprechen der offiziellen Politik des Staates und werden gern durch die russische Propaganda ausgenutzt“. Der Direktor des Kommunikationsdepartments im Innenministerium, Artjom Schewtschenko, erklärte offiziell, dass die Migranten, die auf das ukrainische Territorium vordringen, über die Grenze abgeschoben werden. „Zwischen der Ukraine und Belarus gilt ein Wiederaufnahme-Abkommen… Dies bedeutet, dass die auf ihr oder unser Territorium von unserer Seite oder von ihrer Seite her gelangten illegalen Migranten zurückgeschickt werden können und müssen“.

In Kiew befürchtet man nicht so sehr eine Migrationswelle, sondern vielmehr, dass sie zu einem Schirm für die Zuspitzung der Lage im Donbass wird. Dieses Thema wurde augenscheinlich im Verlauf des Washingtonbesuchs einer ukrainischen Regierungsdelegation erörtert. Und jetzt – bei Gesprächen von Außenminister Dmitrij Kuleba in Brüssel. US-Außenminister Anthony Blinken sagte bei einem Gespräch mit seinem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau, dass die „Handlungen des Lukaschenko-Regimes die Sicherheit gefährden… und darauf ausgerichtet sind, die Aufmerksamkeit von den Aktionen Russlands an der Grenze zur Ukraine abzulenken“. Zur gleichen Zeit erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg laut einer Meldung der Nachrichtenagentur „Interfax-Ukraine“, dass die Allianz die Situation an der ukrainisch-russischen Grenze verfolge, wo eine „ungewöhnliche Bewegung russischer Truppen“ erfolge.

Die ukrainischen Medien berichten derweil über eine erneute Zuspitzung im Donbass. Innerhalb von 24 Stunden sind am 14. November „19 Verletzungen des Feuereinstellungsregimes“ fixiert worden, „von denen sieben unter Einsatz von durch die Minsker Vereinbarungen verbotenen schweren Waffen“ erfolgten, heißt es in einem Report des Stabes für die Operation der vereinigten Kräfte. Der Berater des Leiters des Office des ukrainischen Präsidenten, Alexej Arestowitsch, sagte, dass derzeit der Grad der militärischen Gefahr praktisch mit dem Jahr 2014 vergleichbar sei.

Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die britische Zeitung „The Mirror“ eine Mitteilung über die Wahrscheinlichkeit einer Verlegung von Spezialeinheiten in die Ukraine. „Eine operative Gruppe aus bis zu 600 britischen Militärs ist zu einer Entfaltung in der Ukraine vor dem Hintergrund der Befürchtungen, dass Russland zu einem Einmarsch bereit ist, bereit“. Offiziell ist diese Meldung nicht von einer einzigen Seite bestätigt worden. Doch die theoretische Möglichkeit solch einer Verlegung besteht, da bereits im Sommer 2015 die Werchowna Rada Änderungen am Gesetz „Über die Modalitäten für ein Zulassen und über die Bedingungen für den Aufenthalt von Einheiten der Streitkräfte anderer Staaten auf dem Territorium der Ukraine“ vorgenommen hatte. Die Abgeordneten hatte damals auf maximale Weise die Genehmigungsprozeduren für den Fall vereinfacht, wenn das Aufenthaltsziel der ausländischen Militärs „die Gewährung von Hilfe für die Ukraine auf deren Bitte hin in Form einer internationalen Operation zur Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit auf der Grundlage eines Beschlusses der UNO oder der EU auf ihrem Territorium“ ist. In solch einem Fall können ausländische Militärs mit Waffen und Gefechtstechnik in die Ukraine kommen. Und die Dauer ihres Aufenthalts wird nicht eingeschränkt, wie dies bei der Abhaltung von Militärmanövern der Fall ist.