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Minsk reagiert auf Folter-Vorwürfe mit Beanstandungen gegenüber Warschau


Das Menschenrechtszentrum „Wesna“ stellte am Freitag den Bericht „Straf- und ordnungsrechtliche Verfolgung in Belarus, Haftbedingungen an Orten der Unfreiheit“ vor. Dies war das Hauptereignis der „Woche gegen Foltern“, die von einer Reihe internationaler und weißrussischer Organisationen vom 20. bis einschließlich 26. Juni veranstaltet wird. Die Veranstaltungen finden in Warschau, Vilnius und Tbilissi statt. Als Antwort warf Minsk Polen heimliche Abrechnungen gegenüber irakischen Flüchtlingen vor.

Das Internationale Komitee zur Aufklärung von Folterungen in Belarus hat zusammen mit der „Rechtsinitiative“, dem Menschenrechtszentrum „Wesna“, dem Weißrussischen Helsinki-Komitee, dem Jugendrat RADA sowie den Initiativen politzek.me und dissidentby die Abhaltung der „Woche gegen Foltern“ organisiert, die am Sonntag abgeschlossen wird.

Die entsprechenden Veranstaltungen erfolgen an unterschiedlichen Orten in den drei Städten Warschau, Vilnius und Tbilissi, aber auch online. Die Serie von Aktionen umfasst Filmvorführungen, Diskussionen, Konferenzen und Performance-Events. Das Ziel der Organisatoren ist, die Aufmerksamkeit auf die besorgniserregende Lage von Inhaftierten in Weißrussland, ihren fehlenden Schutz und die Notwendigkeit, die Praxis der Gewalt ihnen gegenüber zu unterbinden, zu lenken.

Eine der zentralen Veranstaltungen war die Präsentation des Reports „Straf- und ordnungsrechtliche Verfolgung in Belarus, Haftbedingungen an Orten der Unfreiheit“, die am Freitag in Vilnius erfolgte. Vorgestellt wurden Fakten über Folterungen und einen die Menschenwürde erniedrigenden Umgang, die von den Menschenrechtlern sowohl in Minsk als auch in den Regionen fixiert worden waren.

Es macht Sinn hervorzuheben, dass bereits zweimal (2019 und 2020) eine Ermittlung des Indexes für das Verbot von Folterungen in den OSZE-Ländern vorgenommen wurde, der durch die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Folterungen der Plattform „Bürgersolidarität“ initiiert wurde. Dieser Parameter berücksichtigt solche Kriterien wie den staatlichen Mechanismus für ein Reagieren auf Folterungen, die gerichtliche Kontrolle, das Vorhandensein von Normen in der nationalen Gesetzgebung, die Folterungen verbieten, und viele andere Kriterien. In beiden bisherigen Ratings erwies sich Weißrussland auf dem letzten Platz. Das heißt, die Situation rund um die Folterungen erwies sich in ihm als die schlimmste. Daten für das Jahr 2021 wurden gemäß der entsprechenden Methodik bisher nicht veröffentlicht. Ausgehend von den Angaben der Menschenrechtler hat sich die Situation jedoch nicht zum Besseren geändert.

Das Internetportal der Organisation Charta 97 veröffentlicht ihrerseits im Rahmen der Aktionen der „Woche gegen Folterungen“ „Geschichten über ein unmenschliches Vorgehen“. Unter den Opfern sind die unterschiedlichsten Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und sozialer Zugehörigkeit.

Charta 97 führt beispielsweise solch eine Geschichte an: „Die politische Gefangene und Mutter von fünf Kindern Olga Solotar wurde am 18. März aufgrund von „Protestaktivitäten“ festgenommen. Während der Verhöre in der Hauptverwaltung für die Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption verlangte man von ihr, die Gadgets zu entsperren. Sie nahm das Recht für sich in Anspruch, nicht gegen sich auszusagen. Man schlug sie in den Nacken und auf den Hintern, verdrehte ihr die Armee und drückte den Kopf auf den Boden. Bei einem Treffen sahen die Anwälte an Olga zahlreiche Körperschäden, blaue Flecke an den Armen, am Hals und am Hintern“.

Neben zahlreichen Beispielen für physische Gewalt wird auch ein recht überraschendes Beispiel für die Nutzung des Bildes des Landespräsidenten an sich als einen psychologischen Druckfaktor ausgewiesen. Die Menschenrechtler informieren: „Im Februar haben bei der vorgezogenen Abstimmung beim (Verfassungs-) Referendum Vertreter der Rechtsschutzorgane einen Einwohner von Wjasynka festgenommen und für 13 Tage entsprechend Artikel 24.23 des Ordnungsrechts („Nichtsanktionierte Mahnwache“) eingesperrt. Der junge Mann verbüßte die Haftstrafe in der U-Haftanstalt von Molodetschno (eine Stadt im Minsker Gebiet – Anmerkung der Redaktion). Die ersten drei Tage verbrachte er in einem sogenannten „Glas“ (in einer Einzelzelle – Anmerkung der Redaktion). Und drei Nächte in Folge brachte man ihn von 20.00 bis 06.00 Uhr in ein Zimmer. Dort zeigte man ihm mehrere Stunden lang Videos mit Auftritten von Alexander Lukaschenko. Und er musste sich diese im Stehen ansehen. Dies kontrollierten Milizionäre, die sich selbst gegenseitig ablösten, um zu schlafen“.

Das offizielle Minsk bleibt allerdings nicht ruhig. Die Folter-Vorwürfe erwidern die Offiziellen mit eigenen Vorwürfen, die gegen das Land gerichtet sind, das den weißrussischen Politemigranten die größte Unterstützung leistet.

Am 21. Juni erfolgte im Untersuchungskomitee ein Arbeitstreffen mit einer Delegation aus der Republik Irak. Die Internetseite des Untersuchungskomitees informierte dazu: „Vorgelegt wurden der irakischen Seite Informationen über den Verlauf und über die Ergebnisse der Aufklärung des Strafverfahrens zu Verbrechen gegen die Sicherheit der Menschheit, zur Kriegspropaganda und einer vorsätzlichen Gefährdung, darunter in Bezug auf Tatsachen einer Verübung widerrechtlicher Handlungen durch Amts- und andere Personen der Republik Polen, die verbunden waren mit einer Deportation, mit Akten von Brutalität, Folterungen und einer vorsätzlichen Nichtgewährung von Hilfe, die zu einem Tod der Betroffenen führte, in Bezug auf Flüchtlingen aus Ländern des Nahen Ostens und aus Afghanistan, darunter aus der Republik Irak, im Zusammenhang mit ihrer rassischen, nationalen und ethnischen Zugehörigkeit sowie ihres Glaubens beim Überqueren der Staatsgrenze der Republik Polen durch sie für eine Weiterreise in Länder der Europäischen Union“ (Ende des weißrussischen Bürokraten-Zitats).

Die weißrussischen Untersuchungsbeamten behaupten, dass durch sie kriminelle Handlungen in Bezug auf 135 Personen – Bürgern der Republik Irak – fixiert worden seien, die Körperverletzungen durch die Anwendung von Gewalt und Spezialmittel gegen sie durch Vertreter der polnischen Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane erlitten haben sollen. Außerdem erklärt das Untersuchungskomitee: „Die irakischen Vertreter haben Informationen erhalten, die im Verlauf der Untersuchungen und Nachforschungen von dem polnischen Soldaten Emil Czeczko (der selbst laut polnischen Quellen als Fahnenflüchtiger gesucht wurde – Anmerkung der Redaktion) über die Verübung von Massenhinrichtungen und die heimliche Beerdigung getöteter Flüchtlinge durch polnische Militärs auf dem grenznahen Territorium der Republik Polen zur Republik Belarus erhalten worden waren“.

Allerdings sei den letzten Informationen hinzugefügt, dass Emil Czeczko selbst, auf den das Untersuchungskomitee verweist, bereits am 17. März 2022 unter recht widersprüchlichen Umständen Selbstmord begangen haben soll.