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Minsk überführte man des Menschenhandels


Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko hat spektakuläre Erklärungen über weitere aufgedeckte terroristische Verschwörungen abgegeben. Während einheimische Analytiker zu verstehen versuchen, was dahinter stehe, haben die USA und Litauen die Bereitschaft signalisiert, das weißrussische Staatsoberhaupt zur Verantwortung zu ziehen.

Das vergangene Wochenende wurde in Weißrussland durch die Aufdeckung mehrerer erneuter Verschwörungen geprägt. Über sie hatte Alexander Lukaschenko am Freitag zu erzählen begonnen. Und an den weiteren Tagen ergänzten die staatlichen TV-Kanäle das Bild mit Details.

In Weißrussland seien mindestens vier Terrorakte vorbereitet worden, folgte aus den Erklärungen von Alexander Lukaschenko. Geplant sei gewesen, dem Staatspropagandisten Grigorij Asarjonok „die Zunge abzuschneiden“, einen Konvoi von Holzaufbereitungstechnik in Brand zu setzen und das 43. Sendezentrum der russischen Marine westlich von Wilejka (Längstwellensender „Antäus“) zu sprengen. Außerdem sei von Litauen aus eine Drohne mit einem Sprengstoffbehälter für einen gewissen provokatorischen Zweck in Richtung Weißrussland geflogen. Das Attentat auf den 26jährigen Asarjonok sollte als eine Warnung für die Staatspropagandisten dienen. Die Brandstiftung hinsichtlich des Konvois von Holzaufbereitungstechnik – als eine Demonstration, dass „wir lebendig sind“, wir kämpfen und dieses Regime stürzen werden“. Die Ursachen für die Sprengung des Funkzentrums wurden nicht erläutert.

An der Spitze all dieser Verschwörungen würden Koordinatoren aus Litauen, Polen, den USA, der Ukraine und Deutschland stehen. Die Kampfreserve sei im Telegram-Kanal „Selbstverteidigungseinheiten von Belarus“ mit 2500 Followern gebildet worden. „Der Inhaber des Chats ist ein Bürger Deutschlands, Herr de Hoffman, ehemals Staatsbürger Russlands und der Ukraine. Der Hauptmoderator dieses Tuns ist die Staatsbürgerin der Russischen Föderation Dudnikowa“, erzählte Lukaschenko. Die Technik sollte eine gewisse N. Matwejewa in Brand setzen (sie zeigte man in den Nachrichten). Asarjonok überfallen – ein gewisser Sosnowskij, Guljewitsch, Aschurak, Glotow und Gospodarjow. Die Waffen für die Durchführung all dieser Operationen seien aus der Ukraine gekommen.

All diese unfreundlichen Handlungen der Nachbarländer würden Weißrussland nötigen, Maßnahmen zu ergreifen. So hat Alexander Lukaschenko bereits angeordnet, die Grenze mit der Ukraine „dicht zu machen“. Er präzisierte allerdings, dass es für die „friedlichen Bürger, die sie aus medizinischen Gründen (für Kuraufenthalte etc. – Anmerkung der Redaktion) passieren, keine Probleme geben wird“. Litauen drohte der weißrussische Staatschef eine weitere Lieferung illegaler Einwanderer an. „Ich habe ehrlich gesagt, dass wir diejenigen nicht mehr aufhalten werden, die Sie in Afghanistan, im Iran und Irak demütigten. Wir haben aufgrund Ihrer Sanktionen weder Geld noch Kräfte dafür“.

Russland, dessen Bürger gleichfalls an den vorbereiteten Terrorakten beteiligt gewesen seien, hat Alexander Lukaschenko nichts öffentlich versprochen. Ihre Version zur Message für Russland formulierten Experten. „Der Kreml soll zwei bis drei Milliarden Dollar für weitere Sicherheitsgarantien für die russischen Militärobjekte in Belarus vorbereiten“. So dechiffrierte Lukaschenkos Botschaft der Politologe Andrej Jelisejew. „Die Ukraine hat eine totale Blockade der Grenzen im Falle eines Anschlusses an die sektoralen Sanktionen zu erwarten. Litauen muss sich auf ernsthaftere Provokationen an der Grenze vorbereiten“.

Am Sonntag betonten Experten, dass man in Moskau die Botschaft vernommen und sofort reagiert hätte. „Der undankbare Kreml ist durch die monatlichen westukrainischen Komplotte übersättigt worden und hat bisher nicht in nötigem Maße den Schutz seines militärischen Schlüsselobjekts in Belarus geschätzt. Als Antwort auf die Message von Lukaschenko hat Moskau seine gesandt und ihm vorgeschlagen, den Rubikon zu überschreiten. Putins Pressesekretär: „Erwarten wir Weißrusslands Präsident auf der Krim? Natürlich erwarten wir ihn“, schrieb Andrej Jelisejew aus diesem Anlass. Er unterbreitete eine „freie Übersetzung“ der Mitteilung aus dem Kreml: „Eine Erörterung einer ernsthaften finanziellen Unterstützung vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen wird im Falle eines Abbrennens der Brücken mit dem Westen und der Ukraine in Gestalt einer eindeutigen Anerkennung der Krim als russische weitaus aktiver erfolgen“. Am Sonntag formulierte auch das Oberhaupt der Halbinsel Sergej Aksjonow eine Einladung für Alexander Lukaschenko, die Krim zu besuchen: „Wir werden gern Alexander Grigorjewitsch auf der Krim empfangen. Weißrussland ist für uns das nächste, ein Bruderland… Ich bin mir sicher, dass sich Weißrusslands Präsident auf der Krim wie zu Hause fühlen wird“, schrieb er in den sozialen Netzwerken.

Kiew hat sich immer noch nicht den Sanktionen gegen Weißrussland angeschlossen, und die Situation an der Grenze mit der Ukraine hat sich bisher nicht verändert. Darüber informierte am Sonntag die Grenzdienste beider Länder. Die weißrussischen Grenzer präzisierten dabei, dass sie in einem verstärkten Regime den Dienst tun würden. Und die ukrainischen informierten, dass es in diesem Jahr weniger Versuche für einen Transport von Waffen über die Grenze als im vergangenen gegeben habe. „Daher sind alle Erklärungen der weißrussischen Politiker über Ströme von geschmuggelten Waffen aus der Ukraine grundlos“, resümierten sie.

Aber an der Grenze zu Litauen hat sich bereits eine außerordentliche Situation herausgebildet. Wie am Sonntag der litauische Grenzdienst meldete, seien in den vorangegangenen 24 Stunden 160 Migranten aus Weißrussland festgenommen worden. Und ihre Gesamtzahl habe bereits eine psychologische Grenze überschritten und 1098 Menschen erreicht. Dies sind vor allem Bürger aus dem Iran, aus dem Irak und aus Syrien. Im Weißrussischen Journalistenverband, dem Mitarbeiter der staatlichen Massenmedien angehören, vermutet man, dass dieser Wert bis Monatsende 5.000 übersteigen werde.

Das offizielle Vilnius behauptet, dass die Behörden Weißrusslands speziell die potenziellen Illegalen zuerst mit Flugzeugen nach Minsk und danach mit Bussen zur Grenze schaffen und dies für Geld tun würden. Die Kosten liegen bei bis zu 5.000 Dollar für jeden. So räche sich Lukaschenko angeblich an Litauen aufgrund dessen politischen Haltung und Unterstützung der Opponenten des weißrussischen Staatschefs. Das Mitglied des Europäischen Parlaments aus Litauen, Petras Auštrevičius, charakterisierte in einer Sendung des TV-Senders „Current Times“ diese Handlungen als Menschenhandel. Nach seinen Worten werde das Europaparlament in der nächsten Zeit diese Frage behandeln. Zu den Plänen Litauens gehört, alle Ausgaben für die Migranten zu summieren und Weißrussland in Rechnung zu stellen. „Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass wir die Frage auf UNO-Ebene und in den Einwanderungsinstitutionen aufwerfen werden“.

Über die Absicht, Alexander Lukaschenko zur Verantwortung zu ziehen, hatten einen Tag zuvor auch die USA informiert. Dies meldete Reuters unter Berufung auf einen hochrangigen amerikanischen Beamten. Wie aus seinen Worten folgt, sei dies eine Reaktion auf die Erklärungen des weißrussischen Präsidenten über eine Schließung der Grenze mit der Ukraine.

„Das Modell der belagerten Festung ist heute für Lukaschenko die einzige Form zum Überleben“, schreibt der Politologe Valerij Karbalewitsch. All seine Feinde, sowohl die inneren als auch die äußeren, würde Lukaschenko als Faschisten bezeichnen und aufrufen, sich um ihn für den Kampf gegen die „braune Pest“ mit erhobenem Haupt zusammenzuschließen. Valerij Karbalewitsch ist der Auffassung, dass der Hauptabnehmer der Informationen über die Verschwörungen „eine kleine Gruppe von Anhängern und die Strukturen der bewaffneten und Rechtsschutzorgane“ sei.

Die Politik des Terrors und der Repressalien im Land, die Verstärkung der Spannungen an dessen Außengrenzen, die Erweiterung der internationalen Selbstisolation und selbst das Einfrieren der diplomatischen Beziehungen mit einigen westlichen Ländern – all dies werde eine Konsequenz der „Verhinderung der terroristischen“ Handlungen sein, nimmt der Politologe Pawel Usow an. Er schließt eine vollständige Schließung der Grenzen für das Reisen der Bürger und möglicherweise auch für den Transport von Frachtgütern, die Verhängung des Kriegszustands und die „Stationierung russischer Elemente der erweiterten Truppen-Gruppierung auf dem Territorium Belarus auf ständiger Grundlage für eine Zügelung der „Aggression“ nicht aus. Darüber schrieb der Experte in seinem Telegram-Kanal.