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Mit einer Aufhebung des Gesetzes über „ausländische Agenten“ ist nicht zu rechnen


Wladimir Putin ist, wie allen bekannt ist, ein nicht sehr ideologischer Mann. Im klassischen Sinn des Wortes. Er war Kommunist, glaubte an die kommunistischen Ideale. Und dann hat er mit (Anatolij) Sobtschak gearbeitet, dem bekanntesten Kommunismus-Kritiker der Perestroika-Ära. Daher hat Putin im Amt des Präsidenten keinerlei Ideologie gefördert. Er hat zweifellos ein gewisses, durch das Leben geprägtes Wertesystem mit einem Kern in Gestalt einer Gerechtigkeit der Straße, von Halbwüchsigen. Dieser Umstand hat in allen Jahren seiner Präsidentschaft die Innen- und Außenpolitik Russlands vorausbestimmt. Die Interpretation der gegenwärtigen Gesetzgebung für Putin ist vor allem keine Buchstabentreue, sondern der Geist eben jener Gerechtigkeit der Höfe, der ein Antworten auf einen Schlag mit einem Gegenschlag zugrunde liegt.

Das Nichtvorhandensein einer Ideologie erklärt, warum die Partei „Einiges Russland“ als eine funktionale und nicht als eine ideologische Partei konzipiert wurde. Mit der einzigen Funktion – der selbstlosen Unterstützung jeglicher Entscheidungen des Präsidenten. Es sei unterstrichen – jeglicher.

Konstatiert werden muss jedoch der generelle konservative, antiliberale Trend in der Evolution der Anschauungen Putins bezüglich der Probleme der Innen- und Außenpolitik. Diese Tendenz führte zu einer Verhärtung der Haltung sowohl hinsichtlich der Rechte und Freiheiten innerhalb des Landes als auch in den Beziehungen mit dem Westen.

In der Innenpolitik und in den föderalen Massenmedien begannen Politiker, Vertreter des gesellschaftlichen Lebens und Journalisten, nicht einfach mit konservativen, sondern offen reaktionären Anschauungen aufzutreten. Sie sind angetreten, den Klassenkampf der Bolschewiken, die sowjetischen Repressalien gegen die Feinde des Volkes, den Kampf gegen die Dissidenten sowie den Truppeneinmarsch in die Tschechoslowakei und Afghanistan aggressiv zu rechtfertigen. Schnell hat sich im Land eine Atmosphäre von Intoleranz gegenüber einem Andersdenken und einem vollkommenen Misstrauen gegenüber allem Ausländischen ausgeprägt. Und dies vor dem Hintergrund einer unkritischen Sichtweise auf China mit seinem autoritären und Parteisystem für die Führung des Staates und der Gesellschaft, mit seiner Zensur und seinem harten Kurs in Bezug auf ethnische und religiöse Minderheiten.

Somit ist das offizielle Nichtvorhandensein einer Ideologie durch eine reaktionäre Ideologie ersetzt worden, zu deren Trägern konkrete natürliche Personen geworden sind, mit einem institutionellen Einfluss auf den Prozess der Ausarbeitung und Verabschiedung von Entscheidungen.

Derweil haben die vom US-Kongress vorgebrachten Vorwürfe gegen Moskau, sich in die amerikanischen Wahlen des Jahres 2016 eingemischt zu haben, zu einer Eskalation der diskriminierenden außergerichtlichen Entscheidungen geführt, die gegen russische Bürger und Unternehmen gerichtet sind. Der Zorn der Amerikaner und dann auch der Europäer wurde auf die Ungesetzlichkeit der Versuche Russlands, „Feindschaft zu säen, die westliche Gesellschaft zu spalten und Misstrauen gegenüber den demokratischen Instituten des Westens zu suggerieren“, ausgerichtet.

Als Putin, die Tatsache einer Einmischung an sich leugnend, dennoch die Amerikaner fragte: „Ist es etwa nicht im Interesse der Bürger der USA zu erfahren, dass der Apparat der Demokratischen Partei Hillary Clinton zum Schaden von Bernie Sanders gewogen ist?“, antwortete man ihm: „Selbst, wenn dem so ist. Stecken Sie Ihre Nase nicht in unsere Angelegenheiten! Wir verschaffen uns selbst darüber Klarheit, ohne eine äußere Einmischung“.

Die USA und die EU haben die Gestaltung einer faktisch neuen Doktrin für eine informationsseitige und ideologische Zügelung Russlands begonnen. Für diese Zwecke sind konkrete Finanzen ab 250 Millionen Dollar im Jahr bereitgestellt worden.

Heute sind bereits die hauptsächlichen Richtungen des informationsseitigen Kampfes des Westens gegen Putins Russland offensichtlich. Das Schwergewicht wird auf eine Zerstörung des Ansehens des Präsidenten persönlich, seiner Umgebung und der herrschenden Klasse Russlands insgesamt, auf eine Diskreditierung des russischen Wahlsystems und die Vorbereitung der öffentlichen Meinung in Russland und in der Welt auf eine Anerkennung der ursprünglichen Illegitimität der russischen Wahlen und Herrschenden sowie auf die Propagierung eines ganzen Spektrums moderner westlicher Werte als die einzig wahren unter der russischen Jugend.

Wie aus einer Reihe von Publikation des Sekretärs des russischen Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew folgt, sind alle oben ausgewiesenen Tendenzen durch ihn ausgemacht und Putin gemeldet worden. Wonach sie sich in eine offiziell formulierte Liste von Bedrohungen für die nationale Sicherheit der Russischen Föderation transformierten.

Da unser Land nicht symmetrisch auf die Handlungen des Westens antworten konnte, hat die Suche nach asymmetrischen Lösungen begonnen. In erster Linie hat man die Aufmerksamkeit auf alle möglichen Kulturzentren und Initiativen der westlichen Staaten auf unserem Territorium gelenkt. Danach hat man sich die NGOs angesehen. Jetzt hat man Medien und deren Finanzierungsquellen unter die Lupe genommen. Die nächsten werden Bildungseinrichtungen sein.

Vor etwa einem Jahr war durch einen hochrangigen Staatsbeamten die Zahl 72 Milliarden Rubel genannt worden, die unterschiedliche Aktivisten in Russland vom Westen erhalten würden. Der Sicherheitsrat bewertete diese Summe der ausländischen Investitionen in unsere Zivilgesellschaft als offizielles Ausmaß der informationsseitigen und ideologischen Diversion.

Außerhalb des ausgewiesenen Kontexts als eine Realität ist es unmöglich, die Logik der umfangreichen Erweiterung der Liste der sogenannten ausländischen Agenten und unerwünschten Organisation zu verstehen. Wenn Schlüsselpersonen, die Entscheidungen fällen, davon überzeugt sind, dass fast alle Empfänger von Zuschüssen fremde/feindselige Ziele realisieren, ist es utopisch, mit einer Aufhebung des Gesetzes über die ausländischen Agenten zu rechnen. Wenn man die Herrschenden fragt: „Ist denn nicht die Korruption der in den spektakulären Nachforschungen entlarvten Personen eine Realität?“, erwidern sie: „Wir verschaffen uns selbst darüber Klarheit. Hören Sie auf, mit ausländischen Geldern in der Gesellschaft eine Spaltung sowie Misstrauen gegenüber der russischen Demokratie und den Machtinstituten zu schüren!“.

Der Kalte Krieg heute ist eine Tatsache. Unter diesen Bedingungen Gelder aus dem Westen zu bekommen und vom Territorium Russlands aus weiter Putin & Co. zu entlarven, daraus wird nichts. Die gewieftesten und erfolgreichsten Aktivisten werden das Land verlassen und aus den Nachbarländern ihre Linie fortsetzen.

In der entstandenen Situation wird unweigerlich die Schwarz-Weiß-Polarisierung in unserer Gesellschaft zunehmen – dafür oder dagegen, werden die Verstärkung des reaktionären Geistes und Repressalien weitergehen.

Im großen und Ganzen wird es da nichts Gutes geben.