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Möglicherweise hat sich eine dritte Kraft in den Gas-Krieg eingeschaltet


Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ – wie im Übrigen auch die meisten westlichen Medien – bezeichnen die Beschädigungen an den Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ mit dem Wort „Sabotage“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, dass die Beschädigungen der Gasleitungen, aus denen das zu etwa 99 Prozent aus Methan bestehende Erdgas in die Ostsee gelangt, die Folge von vorab geplanten Handlungen seien. Laut seinem Statement werde jegliche vorsätzliche Attacke gegen die Energiestruktur der Europäischen Union eine „robuste und gemeinsame Reaktion“ erhalten.

Dass dies ein Diversionsakt sei, hatte man bereits am Dienstag in Polen, Schweden, Dänemark und Russland erklärt. In Dänemark sei man nach Aussagen von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen endgültig zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es nicht um einen Unglücksfall, sondern um vorsätzliche Aktionen gehe. Im Verlauf eines kurzen Zeitraums konnte man mehrere Explosionen im Bereich des Verlaufs der Pipelinestränge beobachten. Schwedische Seismologen fixierten zwei Detonationen. Wobei die erste Detonation um 2 Uhr in der Nacht zum 26. September erfolgte, und die zweite – am gleichen Tag um 19 Uhr. Die entsprechenden Erschütterungen wurden im Gebiet der Insel Bornholm registriert.

Unter Berufung auf Sicherheitsdienste der BRD betont „Der Spiegel“, dass die CIA die bundesdeutsche Regierung bereits vor einem möglichen Diversionsakt an den Gaspipelines gewarnt hätte. Und laut Einschätzung der CIA könnte man, wenn die Sache bis zu Aktionen gegen die Gasleitungen kommen würde, diese nur mit einer staatlichen Unterstützung durchführen.

Es stellt sich die Frage: An wen richtet Borrell seine Androhungen? Wie jegliche Nachforschungen vorsehen, muss man zuerst ermitteln, wem eine Beendigung des Funktionierens der Gaspipelines zum Nutzen gereicht.

Der offensichtlichste Benefiziar einer Zerstörung der Gasstruktur, die erlaubt, Erdgas aus Russland zu erhalten, sind die USA, die versuchen, das Pipelinegas durch ihr verflüssigtes Gas zu ersetzen. Daher macht es keinen Sinn, die Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten hinsichtlich der Explosionen an den Ostsee-Pipelines, die Polens früherer Außenminister Radosław Sikorski in den sozialen Netzwerken publiziert hatte, zu ignorieren. Es sei daran erinnert, dass Sikorski gegenwärtig Abgeordneter im Europaparlament ist und vom Prinzip her über Informationen über die Explosionen verfügen kann. Aus dieser Sicht könnte die Warnung der CIA durchaus eine Operation zur Tarnung US-amerikanischer Diversanten gewesen sein.

Eine Abschaltung der russischen Gassystems ist natürlich auch für die Ukraine von Vorteil. Zumal „Gazprom“ weiterhin sein Gas auch durch das ukrainische Gastransportsystem nach Europa pumpt. Unter den Nutznießern kann vom Prinzip her auch Polen sein. Schließlich verläuft über dessen Territorium die transnationale Export-Gaspipeline Jamal-Europa, die 1999 zwecks Umgehung der Ukraine in Betrieb genommen wurde. Aber nach Verhängung von Sanktionen gegen das Unternehmen Europol Gaz durch Moskau ist der polnische Abschnitt der Gasleitung seit Mai dieses Jahres für russische Gaslieferungen blockiert. Das Fehlen von Wegen für russische Gaslieferungen nach Europa (bisher gibt es außer der ukrainischen Route noch „Turkish Stream“) könnte „Gazprom“ veranlassen, sich mit Europol Gaz zu einigen.

Natürlich kursieren auch bereits Andeutungen hinsichtlich einer russischen Spur in Bezug auf die Lecks an den Gasleitungen, deren Anzahl sich laut schwedischen Angaben vom Donnerstag bis auf vier erhöht hat. Dies sei aus Sicht des Energiekrieges gegen Europa ja vorteilhaft, um die EU-Länder zu nötigen, Waffenlieferungen an die Ukraine aufzugeben. Es ist aber schwer, an diese Variante zu glauben, da der Schaden aufgrund des Gasaustritts aus den beschädigten Gasleitungen bereits zwei Milliarden Dollar ausmachen würde (die Summe ist dabei ausgehend von einem möglichen Verkauf dieser Gasmenge auf den Märkten berechnet worden). Dem muss man die Kosten für die Instandsetzung der Gaspipelines hinzufügen, aber auch die Zeit, in der dies erfolgen kann. Bis zu dieser Zeit können die Kampfhandlungen in der Ukraine durchaus beendet werden. (Freilich kann eine Instandsetzung hinfällig werden, wenn Wasser in die Röhren eindringt, die zu Korrosionsschäden führen können. – Anmerkung der Redaktion).

Jedoch haben bisher wenige dem Auftauchen einer dritten Kraft in Europa Beachtung geschenkt, die prinzipiell gegen eine Versorgung des Kontinents mit Kohlenwasserstoffen unabhängig ihrer Herkunft auftritt. Am 5. Juli hatte die „NG“ einen Beitrag unter der Überschrift „Deutschland an der Schwelle zu einem Klima-Terrorismus“ veröffentlicht. Darin ging es um eine Radikalisierung der Klimaschutz-Bewegung, die über die halbherzigen Maßnahmen der in Deutschland regierenden Parteien bezüglich eines Verzichts auf Kohlenwasserstoffen ungehalten sind. In Deutschland werden Stimmen über die Notwendigkeit eines Wiederauflebens der linksradikalen Gruppierung „Rote-Armee-Fraktion“ laut, die durch die bundesdeutschen Geheimdienste bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zerschlagen worden war (die Auflösung erfolgte aber erst 1998 – Anmerkung der Redaktion). Jetzt jedoch mit einer Klimaschutz-Ausrichtung. Es gehe darum, bewaffnete Aktionen gegen Öl- und Gasförderunternehmen zu beginnen. Bisher aber haben Aktivisten der radikalen Bewegung „Letzte Generation“ in Deutschland einfach Autos mit Verbrennungsmotoren in Brand gesetzt.

Es muss betont werden, dass der Ideologe des Umweltschutz-Terrorismus der 46jährige schwedische Professor Andreas Malm ist. Gerade er hatte im vergangenen Jahr in dem englischsprachigen Verlag „Verso Books“ das Buch „How to Blow Up a Pipeline. Learning to Fight in a World on Fire“ („Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“) herausgebracht. Darin behauptet er, dass Sabotage eine logische Form von Klima-Aktivismus sei.

Es versteht sich, bisher bestehen Zweifel hinsichtlich der technischen Möglichkeit für die Organisierung eines Diversionsaktes an einer Unterwassergaspipeline, obgleich die Verlegungstiefe der Röhren im Bereich der Insel Bornholm laut Angaben des Nachrichtenmagazins „Focus“ keine 88 Meter überschreite. Auf jeden Fall sind noch durch Hannes Keller in den 1960er und 1970er Jahren Experimente zum Tauchen unter Verwendung speziell umgerüsteter Tauchgeräte mit einem halbgeschlossenen Atmungszyklus, bei dem der Verbrauch von Atemluft in einer Tiefe von 200 Metern um mehr als 90 Prozent dank einer mehrfachen Reinigung und erneuten Nutzung der ausgeatmeten Luft verringert worden war, durchgeführt worden.

Für ein Tauchen bis in eine Tiefe von 100 Metern verwendet man heute ein Luft-Sauerstoff-Gerät, mit dem man ein Luft-Helium-Gemisch einatmet. Natürlich sind bei einem Abtauchen in eine Tiefe selbst von bis zu einhundert Metern Hilfsgeräte erforderlich. Die kann man aber allerdings auch leicht auf Fischfangkuttern verstauen, die es in diesen Gewässer stets in ausreichender Menge gibt.