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Moskau eilt Duschanbe zu Hilfe, die OKSV – ist fraglich


Die Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrags (OKSV) werde die Bitte von Duschanbe um Hilfe beim Schutz der Grenze im Falle eines Überfalls auf Tadschikistan aus Afghanistan behandeln. Dies erklärte am 8. Juli der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er räumte ein, dass Russland für den Schutz des Verbündeten die Möglichkeiten seines 201. Militärstützpunktes nutzen werde. Experten sind der Auffassung, dass weder Armenien noch Weißrussland – die Mitglieder der OKSV sind – zum Kämpfen an die tadschikische Grenze kommen werden. Russland zu unterstützen, ist wohl nur Kasachstan bereit.

Der ständige Vertreter Tadschikistans bei der OKVS Hasan Sultonov erklärte bei einer Sitzung des ständigen Rates der Organisation, dass sein Land mit Hilfe beim Schutz der Grenze mit dem benachbarten Afghanistan rechne.

„Tadschikistan als ein Land mit der längsten Grenze mit Afghanistan (ca. 1350 Kilometer – „NG“) ergreift die erforderlichen Maßnahmen zur Zügelung und Abwehr der Bedrohungen und Herausforderungen, die von diesem Land ausgehen. Aber unter Berücksichtigung der sich in der Region herausbildenden Situation, aber auch dessen, dass sich einzelne Abschnitte der Grenze mit Afghanistan in einer schwer zugänglichen Gebirgsregion befinden, erscheint es als schwierig, im Alleingang mit dieser Aufgabe fertig zu werden“, sagte Sultonov. Nach seinen Worten würden die sich ergebenen Bedingungen „ein adäquates Reagieren im Rahmen der OKSV, darunter das Ergreifen von Maßnahmen zur Verstärkung des Potenzials zum Schutz der südlichen Grenzen“ verlangen. Sultonov erinnerte an das Bestehen des Vertrags von 2013 über die Befestigung der tadschikisch-afghanischen Grenze. „Wir würden gern die Mitgliedsstaaten der Organisation aufrufen, ihren Beitrag zur vollständigen Umsetzung des ausgewiesenen Dokuments zu leisten“, unterstrich er.

Experten sind der Auffassung, dass das offizielle Duschanbe de facto dafür quittiert habe, dass es selbständig seine südlichen Grenzen kontrollieren könne. Jedoch beeile es sich nicht, russische Grenzer ins Land zu holen. Es sei daran erinnert, dass nach dem Zusammenbruch der UdSSR Russland bis zum Jahr 2005 die tadschikisch-afghanische Grenze bewacht hatte. Danach aber hatte Präsident Emomali Rahmon entschieden, sich von solch einer Obhut zu lösen, und die russischen Grenztruppen des Landes verwiesen. An die freigewordene Stelle kamen Amerikaner, freilich nur als Berater. Sie gewährten technische Hilfe, indem sie mehrere Grenzwachen umgestalteten. Damit war es auch geschehen. Moskau hatte mehrfach die Frage nach einer Rückkehr russischer Grenztruppen an die südlichen Grenzen aufgeworfen. Duschanbe hüllte sich aber in Schweigen. Weiter ist die Frage nicht gestellt worden. Augenscheinlich deshalb hat sich Tadschikistan an die OKSV gewandt.

„Man kann sich schwer vorstellen, dass sich Armenien oder Weißrussland für Tadschikistan ins Zeug werfen. Man muss verstehen, dass keine mythische OKSV Tadschikistan retten wird, sondern Russland als dessen führendes Mitglied. Heute ist für den Block ein Moment der Wahrheit gekommen. Entweder gibt es die OKSV oder nicht. Andererseits müssen jene, die sich zwecks Hilfe an Russland wenden, die großangelegten Bündnisverpflichtungen erfüllen, unter anderem Moskau in dessen Sanktionskrieg gegen den Westen unterstützen, an der „Ernüchterung“ der Ukraine teilnehmen und sich den antiukrainischen Sanktionen anschließen usw.“, sagte der „NG“ der Direktor der Agentur für ethno-nationale Strategien, Dr. sc. hist. Alexander Kobrinskij.

Dass Moskau Duschanbe helfen werde, sagte Sergej Lawrow bei einer Vorlesung zum Thema „Die internationale Tätigkeit Russlands für die Entwicklung der russischen Regionen“ in der Fernöstlichen föderalen Universität in Wladiwostok. „Wir sind mit Tadschikistan Verbündete. Und wenn es einen Überfall auf Tadschikistan geben wird, wird dies natürlich zu einem unverzüglichen Gegenstand für eine Behandlung in der OKSV“. Am Vorabend hatte er gleichfalls mitgeteilt, dass „Russland bereit ist, die Möglichkeiten seines Militärstützpunktes in Tadschikistan zum Einsatz zu bringen, um die Verbündeten im Zusammenhang mit der Situation in Afghanistan zu schützen“. Der Diplomat ist der Auffassung, dass der Abzug der Truppen der USA und deren Verbündeten Probleme für Zentralasien und Russland ungeachtet dessen schaffen könne, dass eine Expansion der „Taliban“-Bewegung (die in der Russischen Föderation verboten ist) aus Afghanistan in die angrenzenden Staaten – Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan – nach Meinung einer Reihe von Experten wenig wahrscheinlich sei.

Derweil führen die Militärs des 201. Stützpunktes bereits Manöver in Tadschikistan unter Einsatz von Jagd- sowie Transport- und Kampfhubschraubern durch, teilte man im Pressedienst des Zentralen Militärbezirks der Russischen Föderation mit. Zum Einsatz gebracht wurden zwei Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 und zwei Transport- und Kampfhubschrauber vom Typ Mi-8MTW5-1, rund 100 Militärs aus dem Bestand der Flieger- sowie Pionierkräfte, aber auch Gruppen zur Absicherung und Leitung der Flüge. Die Piloten waren vom Militärflugplatz Gissar (bekannt auch als Ayni-Militärflugplatz – Anmerkung der Redaktion) aus zum Konzentrierungsort des angenommenen Gegners gestartet und absolvierten einen verdeckten Anflug zum Manöverort. Paarweise fliegend, feuerten sie in einer Höhe von 50 Metern über dem Erdboden ungesteuerte Luft-Boden-Raketen der S-8-Klasse ab. „Im Ergebnis des Luftschlags wurden über 15 Bodenziele, die eine Fahrzeugkolonne, Feuernester sowie Verstecke mit Waffen und Munition imitierten, vernichtet“, teilte man im Pressedienst des Zentralen Militärbezirks Russlands mit.

Der Militärexperte Viktor Litovkin ist der Auffassung, dass die OKSV nur in dem Fall auf den Antrag Tadschikistans reagieren werde, wenn es zu einem Überfall auf die Grenze von afghanischer Seite komme. „Aber schon heute werden Geld, technische Mittel und Spezialisten für den Schutz des tadschikischen Territoriums gebraucht, da bereits hunderte Angehörige der afghanischen Regierungstruppen die tadschikische Grenze überschritten haben, die vor den Taliban fliehen. Was mit diesen Menschen getan werden soll, weiß man in Duschanbe nicht. Diese Flüchtlinge stellen genau solch eine Gefahr wie auch die Taliban dar. Was sie mit sich führen, weiß keiner. In ihren Reihen können „verkappte Agenten“ sein, die sich mit einer Rekrutierung der einheimischen Bevölkerung für terroristische Gruppen befassen werden. Daher muss man für sie Flüchtlingslager einrichten und sie bewachen, damit sie sich nicht auf die Region aufteilen und nach Russland gelangen“, sagte Viktor Litovkin der „NG“. Aber die Taliban als eine expansionistische Kraft zu fürchten, mache keinen Sinn, solange sie nicht ihre innerafghanischen Probleme gelöst hätten, meint der Experte. „Für Duschanbe ist das Wichtigste, dass die OKSV schon jetzt die Bereitstellung von Mitteln für eine Verstärkung des Grenzschutzes billigt. Dabei wird die gesamte Last hinsichtlich des Schutzes von Tadschikistan auf den Schultern Russlands liegen. Vielleicht wird nur Kasachstan Unterstützung leisten. Kirgisiens muss gezwungenermaßen an der Verteidigungsaktion teilnehmen, da sich auf dessen Territorium der Luftwaffenstützpunkt „Kant“ befindet“, sagte Litovkin. „Das Wichtigste ist“, scherzte der Experte, „dass sie nicht eine zweite Front an der kirgisisch-tadschikischen Grenze eröffnen“. Was aber die Rückkehr russischer Grenzer an die tadschikisch-afghanische Grenze angehe, so sei nach seiner Meinung Duschanbe nicht daran interessiert. „Die Grenze ist auch noch eine Form zum Geldverdienen dank eben jener Drogen. Irgendetwas wird abgefangen, anderes aber lässt man durch. Daher möchten die tadschikischen Behörden ungern, dass die russischen Grenzer dieses Geschäft unterbrechen“, sagte Litovkin der „NG“.