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Moskau hofft auf die Volksdiplomatie in den Beziehungen mit Berlin


Am Montag, dem 14. November währt die Tätigkeit der Gesellschaft „Russland-Deutschland“ – der Rechtsnachfolger der 1972 auf der Welle des Tauwetters in den sowjetisch-(west-)deutschen Beziehungen gegründeten Gesellschaft „UdSSR-BRD“ – ein halbes Jahrhundert. (In der einstigen DDR gab es bekanntlich seit 1949 die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, die bis 1992 existierte.- Anmerkung der Redaktion) Sie vereint führende russische Germanisten und tritt für eine Fortsetzung der Kontakte, in erster Linie zwischen den Zivilgesellschaften.

Im Zusammenhang mit dem 50jährigen Jubiläum der Gesellschaft fand in Moskau eine Pressekonferenz statt, deren Teilnehmer über den Zustand der Angelegenheiten in den russisch-deutschen Beziehungen sprachen. Wenn man von einer Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau (Géza Andreas von Geyr – „NG“) ausgeht, wonach „es kein Licht am Ende des Tunnels gibt, ja und der Tunnel ist auch nicht auszumachen“, worüber Wladislaw Below berichtete, der Vizepräsident der Gesellschaft „Russland-Deutschland“ und stellvertretender Direktor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, so haben die bilateralen Beziehungen keine Perspektiven. Alle offiziellen Diskussionsplattformen sind auf Eis gelegt worden. Sowohl der Petersburger Dialog als auch das Deutsch-Russische Forum und die Potsdamer Begegnungen würden, wie Below erklärte, von den deutschen Partnern ignoriert werden. Man müsse aber berücksichtigen, dass es neben den Interessen des Staates auch Interessen der Gesellschaft gebe. Und die Gesellschaft „Russland-Deutschland“ sei eine der Plattformen, die bereit seien, den Dialog wiederaufleben zu lassen. Wobei Below neue entstehende alternative Dialog-Plattformen in Deutschland sieht. Er schlägt vor, von unten her loszugehen, wenn es von oben her nicht gelinge, bilaterale Kontakte zu unterhalten.

Ein anderer Vizepräsident der Gesellschaft „Russland-Deutschland“, Anatolij Blinow, nannte mehrere solcher Plattformen. Dies seien die Bewegung der Partnerstädte, Jugendaustausche, eine kulturelle Zusammenarbeit, die Bewegung der sogenannten Vermittler und die digitale Diplomatie. Dies sei auch die Volksdiplomatie. Aufmerksamkeit verdiene unter anderem das Wirken des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der Russland nicht verlassen, wenn auch den Umfang der Tätigkeit verringert habe.

Es bestehen signifikante Hindernisse für eine Wiederaufnahme der Dialoge. Wie Below betonte, befinde sich Deutschlands Bevölkerung unter dem Einfluss der deutschen und europäischen Massenmedien, die jegliche aus Russland kommende Information für eine Lüge halten (eine Behauptung, die so ohne Weiteres nichts mit der Realität gemein hat – Anmerkung der Redaktion). Wenn man aber die Reaktionen deutscher Bürger auf Beiträge in nationalen Medien liest, kommt der Eindruck auf, dass es ihnen an Dialog-Möglichkeiten mit Russlands Bürgern mangelt, sagte der Experte.

Das Präsidium des Vorstands der Gesellschaft hat sich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit beider Länder gewandt. Darin wird unter anderem betont, dass sich die am 14. November 1972 gegründete Gesellschaft darauf vorbereite, das 50jährige Jubiläum unter schwierigen internationalen Bedingungen zu begehen. Über Jahrzehnte hinweg angebahnte Kontakte und die Zusammenarbeit mit den Partnern in der BRD mussten abgebrochen werden, nicht realisiert wurden abgestimmte gemeinsame Projekte, erschwert sind die zwischenmenschlichen Kontakte.

„Wir stehen unsererseits nach wie vor fest auf den Positionen einer Treue hinsichtlich der Idee eines Dialogs der Zivilgesellschaften als einen der bedeutsamen Wege für das Erreichen und Vertiefen des gegenseitigen Verstehens und Vertrauens zwischen den Völkern“, heißt es in der Erklärung. „Wir sind bereit, auch weiterhin aktiv in dieser Richtung zu wirken, wobei wir uns dort konsequent vorwärtsbewegen, wo dies möglich und beiderseitig wünschenswert ist“.

In Moskau hofft man, dass es ungeachtet der Brisanz der gegenwärtigen Zeit gelingen wird, eine gemeinsame Sprache mit den deutschen Partnern zu finden.

Natürlich verwandeln die Handlungen der EU-Länder zur Verschärfung des Visa-Regimes für die russischen Bürger die Möglichkeit für Kontakte von Vertretern der Zivilgesellschaften beider Länder in eine Einbahnstraße. Dies betrifft vor allem die Beendigung des vereinfachten Visaregimes mit Russland auf Beschluss des Europäischen Rates. Die Einführung zusätzlicher Restriktionen, die mit einer Versicherung und dem Vorhandensein von Bargeld für die geplanten Reisen unter den Bedingungen dessen zusammenhängen, dass in Russland ausgegebene Bankkarten nicht im Ausland genutzt werden können, verhindern praktisch vollwertige Kontakte der Bürger beider Länder. Alle Bürger Russlands werden für Deutschland faktisch zu toxischen. Unter diesen Bedingungen verdient die Entscheidung der russischen Seite Beachtung, in Bezug auf Bürger der BRD nicht zu analogen Maßnahmen zu greifen