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Moskau muss sich entscheiden, was weiter mit den Sanktionen gegen die KDVR tun


Die öffentliche Unterstützung durch die KDVR, die für Russland nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine bekundet wurde, ist hoch von der russischen Seite geschätzt worden. In Russland versteht man, dass die KDVR ihre, wenn auch vorerst mehr eine symbolische Rolle nicht nur im ostasiatischen, sondern auch internationalen Kräfteverhältnis spielen kann (erinnert sie an die Abstimmung zur Krim und zur Ukraine in der UNO).

All diese Umstände, besonders unter Berücksichtigung der gegenwärtigen internationale Lage und der Veränderungen in der Haltung des Westens gegenüber Russland veranlassen, noch einmal sich die Frage zu stellen: Waren denn stets unsere Handlungen auf der Koreanischen Halbinsel ausreichend durchdachte, um bei jeglichen Veränderungen der Lage das gesamte Spektrum an Instrumente im Arsenal unserer Außenpolitik, die für ihre Realisierung erforderlich sind, zu bewahren? Sind nicht einige von ihnen ausgehend von momentanen taktischen Berechnungen und – es sei frank und frei gesagt – romantischen Illusionen bezüglich der wahren Haltung der USA und einiger Länder des Westens gegenüber Russland und dessen Interessen vorgenommen worden?

Besonders viele Fragen löst die Beibehaltung des durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verhängten Spektrums wirtschaftlicher Sanktionen in Bezug auf dieses Land aus. Gerade letzte haben neben anderen Ursachen, wie eine ganze Reihe von NGOs, darunter auch westlicher eingesteht, zu einem wesentlichen Rückgang des Lebensniveaus der einfachen Bürger der KDVR geführt. Blockiert wurde praktisch der gesamte traditionelle Export, dessen Erlös unter anderem für den Erwerb erforderlicher Lebensmittel, medizinischer Ausrüstungen und Medikamente im Ausland eingesetzt wurde.

Derweil haben praktisch alle Sanktionsresolutionen des UN-Sicherheitsrates deklariert, dass die zu verhängenden Einschränkungen nicht zu einer Verringerung des Lebensniveaus der Bevölkerung des Landes führen sollen. Die USA und ihre Verbündeten ignorieren jedoch vollkommen diese Bestimmungen der Resolutionen, wobei vor allem das Schwergewicht auf Restriktionen gelegt wird.

Bereits in den Jahren 2014-2015 haben eine Reihe russischer Spezialisten bei der Analyse der sich in den USA in Vorbereitung befindlichen Sanktionspakete gegen die KDVR, die jegliche kommerzielle Verträge mit diesem Land blockieren sollten, die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass zum Hauptobjekt der neuen Sanktionen nicht so sehr die einen oder anderen Staaten werden als vielmehr jegliche ausländischen Unternehmen und natürlichen Personen, die finanzielle und Handelskontakte mit der KDVR unterhalten. Schon damals konnte man annehmen, dass das gesamte Arsenal der westlichen Sanktionen, die zu jener Zeit an der KDVR erprobt wurden, hinsichtlich jeglicher anderen Länder, darunter Russland, angewandt werden kann.

So ist es auch geschehen. Mehr noch, die USA involvieren immer ungenierter ihre Verbündeten in Ostasien schon nicht in die gegen Nordkorea gerichteten Sanktionen (was mit Erfolg getan wurde), sondern jetzt auch in die antirussischen.

Bereits 2003, gleich nach dem Überfall der USA auf den Irak hatte der Autor dieser Zeilen gewarnt, dass die „Hoffnungen jener, die mit einer gewissen, selbst äußeren Art von gleichberechtigter Partnerschaft mit den USA rechnen, illusorisch sind. Washington beabsichtigt, nur mit jenen etwas zu tun zu haben, die bedingungslos die amerikanischen Ziele unterstützen. Diejenigen aber, die Hindernisse auf dem Weg ihres Erreichens schaffen oder einfach aufhören, nützlich zu sein, werden ignoriert oder … suspendiert“.

Damals wurde vom Autor auch die Meinung bekundet, dass unsere Hoffnungen auf einige mögliche Antwortschritte seitens der USA und die Berücksichtigung der Interessen unserer Sicherheit durch sie im Gegenzug zu Zugeständnissen an Washington bei der Lösung einer Reihe internationaler Probleme, darunter des Nuklearproblems der Koreanischen Halbinsel, die uns als taktische oder nichtprinzipielle erschienen, nicht gerechtfertigt sind.

Meines Erachtens offenbarte sich dies besonders anschaulich in unserer Haltung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat zu unterschiedlichen Sanktionen in Bezug auf die KDVR. Während die Ablehnung der Kerntests in diesem Land durch uns als eine durchaus begründete aussah, so bedurfte die Haltung hinsichtlich der Raketenstarts eines weitaus ausgewogeneren Herangehens. Es hatte für uns (und China) wohl kaum Sinn gemacht, für die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu stimmen, die dem Land, das im Verlauf von Jahrzehnten unser militärpolitischer Verbündeter war (und für die Volksrepublik China solch einer bleibt), dem Land, mit dem Russland im Jahr 2000 einen neuen Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit abgeschlossen hatte, das Recht auf den Start von Satelliten genommen hatten, wobei zur gleichen Zeit Südkorea geholfen wurde, sie zu starten. Und das war schon damals bereit gewesen, entsprechend der ersten Aufforderung der USA, für sie die Kastanien in der ganzen Welt aus dem Feuer zu holen, und jetzt, nach dem Westen gegen Russland immer neue Sanktionen verhängt. Dabei wurde aus irgendeinem Grunde die Tatsache ignoriert, dass die KDVR sich bereits 2009 dem Vertrag über die Nutzung des Weltalls für friedliche Zwecke und anderen entsprechenden Konventionen, die diese Fragen regeln, angeschlossen hatte.

Das vom UNO-Sicherheitsrat verhängte Verbot gegenüber der KDVR für (Raketen-) Starts „unter Verwendung ballistischer Technologien“, wozu man gegenwärtig in Washington und Seoul so gern aufruft, wobei zur gleichen Zeit fast ununterbrochen mit neuesten Waffen an der Grenze der KDVR geprotzt und gerasselt wird, kommt einem Verbot für das Land gleich, überhaupt Raketen zu besitzen, das heißt: Es lässt es ungeschützt. Unter den Bedingungen, unter denen alle Nachbarstaaten der KDVR Raketen in der Bewaffnung haben und Satelliten starten, mehr noch, ganze Gruppierungen von Satelliten ins All bringen, deren Hauptverfolgungsobjekt die KDVR ist, war solch eine Maßnahme offenkundig eine diskriminierende.

Diejenigen, die sich zumindest ein wenig in der nordkoreanischen Politik und in der Psychologie der Führung dieses Landes auskennen und orientieren, begriffen, dass solch eine Vorgehensweise in Pjöngjang als ein „Gipfel von Doppelstandards“ und als ein weiterer Versuch der „großen Länder“, die zu unterschiedlichen historischen Zeiten den Koreaner erklärt hatten, wie sie zu leben haben, etwas von der Art einer Vormundschaft gegenüber der KDVR zu etablieren, unbedingt zurückgewiesen wird.

Durch eine selektive Anwendung der Prinzipien der UNO-Charta und anderer internationaler Gesetze, wobei den „Freunden“, „Partnern“ und perspektivreichen Geschäftspartnern beinahe alles erlaubt wird, denjenigen aber, die keine solche sind oder – Gott bewahre – das Erreichen der Ziele der amerikanischen Außenpolitik behindern, wird buchstäblich alles verboten, ist das Problem der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Transportmittel nicht zu lösen. Auf jeden Fall hat solch ein Vorgehen in Bezug auf die KDVR offensichtlich nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Ja, und es konnte dies auch nicht. Und schon deshalb hat es ebenfalls solchen Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates nicht mehr Gewicht und Ansehen verliehen.

Das offiziell proklamierte Ziel der Sanktionen, die durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die KDVR verhängt wurden, bestand nur in der Gewährleistung des Regimes einer Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Tatsächlich aber haben sie praktisch das gesamte Spektrum der konventionellen Waffen tangiert, darunter die Verteidigungswaffen. Der KDVR ist die Möglichkeit genommen worden, nicht nur Kampfflugzeuge, Mittel für die Luftverteidigung, Panzer, Artilleriewaffen und gepanzerte Fahrzeuge, sondern auch Ersatzteile für sie zu erwerben. Und dies dauert zu einer Zeit an, in der die Nachbarländer Nordkoreas – Japan und Südkorea – Milliarden-Programme für eine Erneuerung und Modernisierung ihrer eigenen konventionellen Waffen realisieren.

Mehr noch, die Republik Korea bereitet sich ungeachtet der Warnungen seitens Russlands vor negativen Konsequenzen solch eines Schrittes für die bilateralen Beziehungen auf große Lieferungen moderner Panzer, Artilleriewaffen und Jagdflugzeuge nach Polen vor, die, wie viele Kommentatoren meinen, sich in der Ukraine wiederfinden können. Es überrascht nicht, dass die Sanktionen, die angeblich dazu berufen waren, das Raketen- und Nuklearprogramm der KDVR auszubremsen, ein direkt entgegengesetztes Ergebnis bewirkten. Pjöngjang, das mit zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Gewährleistung des konventionellen Zügelungspotenzials konfrontiert wurde, hat, um die zunehmende Dysbalance in diesem Bereich zu kompensieren, sein Raketen- und Nuklearprogramm forciert.

Im Endergebnis sind die meisten amerikanischen Spezialisten zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es in der gegenwärtigen Etappe unmöglich sei, eine Denuklearisierung der KDVR zu erreichen. Als einen Zwischenschritt zu diesem Ziel schlagen sie vor, Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle auf der Halbinsel zu beginnen, was man als eine De-facto-Anerkennung des Raketen- und Nuklearstatus des Landes werten kann. Das Weiße Haus verhängt jedoch weiterhin immer neue Sanktionen gegen die KDVR. Andererseits realisieren die USA und einige ihrer Verbündeten entgegen den internationalen Regeln, die die Waffenlieferungen in Zonen von bewaffneten Konflikten regeln, offen solche Lieferungen in die Ukraine. (Als Grund wird dabei durch den Westen ausgewiesen, dass die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung habe, während mitunter der Eindruck entsteht, dass Moskau dieses Recht Kiew abspricht. – Anmerkung der Redaktion)

Unter den Bedingungen, unter denen der kollektive Westen gegen Russland immer neue Sanktionen verhängt, wobei er ungeniert die Normen sowohl des internationalen rechts als auch eines zivilisierten Verhaltens ignoriert, löst unser weiteres Befolgen der offenkundig undurchdachten restriktiven Maßnahmen in Bezug auf die uns unterstützende KDVR Fragen nicht nur in Pjöngjang aus, sondern auch in einer Reihe anderer Hauptstädte, die mit einem größeren Verstehen ihrer Position in Moskau rechnen.

In diesem Jahr wird das Abkommen über den Waffenstillstand in Korea 70 Jahre alt. Es bereitete den Kampfhandlungen im Verlauf des Korea-Krieges ein Ende, doch juristisch ist er nach wie vor nicht beendet worden. Dennoch haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass ein bestimmtes Kräfteverhältnis auf der Koreanischen Halbinsel eine wichtige Bedingung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in dieser Region ist. Es würde für Moskau Sinn machen, sich darüber Gedanken zu machen, wie man helfen kann, dieses Gleichgewicht so aufrechtzuerhalten, dass bei keinem die Versuchung aufkommt, auf jegliche Weise seine geopolitischen Pläne in Bezug auf Korea zum Schaden der Sicherheitsinteressen Russlands zu realisieren.