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Moskau und Kiew sind zu einem massiven Schlagabtausch mittels Drohnen übergegangen


 

Die bewaffnete Konfrontation Moskaus und Kiews geht scheinbar in eine Phase über, in der die Konfliktseiten beginnen, massenhaft Kampfdrohnen einzusetzen. Dabei wird außer der Zone der seit 465 Tagen laufenden militärischen Sonderoperation in der Ukraine Zentralrussland – darunter auch Moskau – zu einem Schauplatz von Kampfhandlungen.

Laut Angaben der Streitkräfte der Ukraine haben die russischen Truppen sowohl in der Nacht zum 30. Mai als auch in den folgenden Nächten gegen das Landesterritorium nicht nur Kamikaze-Drohnen, sondern auch sogenannte Hochpräzisionswaffen eingesetzt, wobei ein Teil abgefangen und vernichtet wurde. Die Medien berichteten, dass die Schläge der russischen Drohnen vom Typ „Geranie“ vor allem gegen Kiew geführt wurden. Generell wurde nicht nur in der Hauptstadt der Ukraine betont, dass seit Anfang Mai fast 20 Attacken gegen die Stadt geführt wurden. „Der Angriff (in der Nacht zum 30. Mai – Anmerkung der Redaktion) war ein massiver, in verschiedenen Richtungen und in mehreren Wellen. Der Luftalarm dauerte fast drei Stunden an“, erklärte der Leiter der städtischen Militäradministration, Sergej Popko. Das russische Verteidigungsministerium informierte gleichfalls über die Führung von Gruppenschlägen „unter Einsatz hochpräziser luftgestützter Waffen großer Reichweite gegen zentrale Punkte für das Treffen von Entscheidungen“, wobei betont wurde, dass „alle vorgesehenen Objekte getroffen“ worden seien.

Und wenige Stunden nach den russischen Schlägen gegen Kiew war ein Schwarm ukrainischer Drohnen nach Moskau losgeflogen. An der Morgen-Attacke gegen die russische Hauptstadt sollen nach Angaben des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation acht Drohnen vom Flugzeug-Typ zum Einsatz gekommen seien. Und sie alle seien getroffen worden. Im Kreml wurden aus dem Munde von Dmitrij Peskow, dem Pressesekretär des russischen Staatsoberhauptes, solche Handlungen anfangs als „gut“ bewertet. Stunden später kommentierte Kremlchef Wladimir Putin selbst die Geschehnisse und korrigierte die Bewertung. „Das System der Luftverteidigung hat regulär, zufriedenstellend bei der Attacke der Drohnen auf Moskau gearbeitet. Es gibt etwas, woran gearbeitet werden muss“, erklärte er. „Wir sind mit solchen Problemen auch auf dem Flugplatz Chmeimim in Syrien konfrontiert worden. Das Territorium unseres Luftwaffenstützpunktes Chmeimim und das von Moskau, einer riesigen europäischen Megapolis sind nicht zu vergleichen“, sagte der Präsident. „Es ist klar, was für eine Verdichtung der Luftabwehr in der Hauptstadt getan werden muss. Wir werden dies tun“, unterstrich Putin.

Putin signalisierte gleichfalls „die Möglichkeit der Führung von Schlägen gegen Zentren für das Treffen von Entscheidungen“ in der Ukraine. „Es versteht sich, zu dieser Kategorie gehört auch der Stab der militärischen Aufklärung, gegen den vor zwei oder drei Tagen ein Schlag geführt worden war“. In der Attacke gegen Moskau hat Putin ein „offenkundiges Merkmal für eine terroristische Tätigkeit“ ausgemacht (während Schläge gegen ukrainische Objekte aus Moskauer Sicht einen völlig anderen Charakter tragen würden – Anmerkung der Redaktion) und erklärte, dass die russischen Militärs „Schläge gegen das Territorium der Ukraine führen werden, aber mit hochpräzisen Waffen großer Reichweite, angeblich gerade gegen Objekte der militärischen Infrastruktur: entweder gegen Depots mit Munition oder mit Schmier- und Kraftstoffen, die für die Führung der Kampfhandlungen eingesetzt werden“.

Derweil haben die Offiziellen in Kiew eine Beteiligung ihrer Militärs an der Attacke gegen Moskau eingestanden. Der Berater des Chefs des ukrainischen Präsidenten-Office, Michail Podoljak, sagte, dass man in der Ukraine „mit Genugtuung“ auf das Geschehen schaue und eine Zunahme der Anzahl der Attacken prognostiziere, obgleich Kiew „natürlich nichts mit ihnen zu tun hat“.

Es sei angemerkt, dass der Drohnen-Angriff vom 30. Mai nicht der erste Fall war, bei dem ukrainische Drohnen in der Hauptstadt der Russischen Föderation aufgetaucht waren. In der Nacht zum 3. Mai explodierten zwei Drohnen über der Kuppel des Senatsgebäudes des Kremls. Laut offiziellen Angaben sollen sie abgeschossen worden sei. (Freilich sind nach wie vor durch Moskau keine Belege dafür präsentiert worden, dass es sich dabei wirklich um ukrainische Drohnen handelte. – Anmerkung der Redaktion)

Wie auch im Fall vom 3. Mai stellen sich Experten die Frage: Woher sind die Drohnen angeflogen? Vom Territorium der Ukraine, oder wurden sie in irgendeiner russischen Region gestartet? Die Autoren des Telegram-Kanals „Rybar“ (deutsch: Fischer) sind der Auffassung, dass die ukrainischen Streitkräfte die Drohnen „aus dem Grenzgebiet im Verwaltungsgebiet Tschernigow, Sumy oder Charkow“ gestartet hätten, können aber keine konkreten Beweise vorlegen. Dafür gaben die „Rybar“-Autoren zum Besten, dass der Angriff gegen Moskau mit neuen Typen von Drohnen vorgenommen worden sei, die lediglich einige Tage zuvor gegen eine Raffinerie in der Verwaltungsregion Krasnodar eingesetzt wurden. Betont wurde gleichfalls, dass die Drohnen in Moskau wohl industriell gefertigt worden seien. Und es wurde vorausgesagt, dass die Anzahl der ukrainischen Drohnen-Attacken zunehmen werde, was letztlich die zu Ende gehende Woche auch belegt.

Derweil hätte laut Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu die russischen Luftverteidigungskräfte im Mai 466 Drohnen des Gegners vernichtet. Schoigu teilte mit, dass im Verlauf der Abwehr der Drohnen-Attacke in den Morgenstunden des 30. Mai in Moskau drei Drohnen durch funkelektronische Mittel gestört, deren Steuerung verloren worden sei und sie von den vorgegebenen Zielen abgewichen seien. „Weitere fünf wurden im Moskauer Gebiet durch „Panzir“-Luftabwehrraketen abgeschossen“. Dabei meldeten Medien, dass in Richtung Moskaus weitaus mehr ukrainische Drohnen geflogen seien. Unter anderem seien beispielsweise im Verwaltungskreis Odinzowo mehrere Drohnen abgestürzt.

Obgleich Kiew keine Verantwortung für die Attacke gegen Moskau übernommen hat, muss man sich aber der Worte des Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte Valerij Saluschny (der einige Zeit lang in russischen Medien als ein schwer verwundeter General ausgewiesen wurde, der wohl nicht mehr seine Funktion wahrnehmen könne – Anmerkung der Redaktion) erinnern, der Anfang September vergangenen Jahres in einem Pressebeitrag über die Perspektiven der Entwicklung des Konflikts im Jahr 2023 schrieb und vom Ziel Kiews berichtete, die Reichweite der Gefechtsmittel zu erhöhen, die in der Ukraine entwickelt werden. Dabei meinte er nicht Raketen, sondern auch Drohnen. Möglicherweise ist es den ukrainischen Streitkräften bzw. den ukrainischen Rüstungsbetrieben gelungen, die gestellte Aufgabe zu erfüllen.

„Es ist unschwer zu verstehen, dass, wenn die Bauteile dieser Drohnen von einem Flugzeugtyp industriell gefertigt wurden, es viele Drohnen geben wird. Es ist recht wahrscheinlich, dass ihre Herstellung bereits angeschoben worden ist. Und folglich wird der Einsatz von Drohnen seitens der Ukraine nur zunehmen“, erklärte der „NG“ der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin.

Der Staatsduma-Abgeordnete Alexander Chinstein (Kremlpartei „Einiges Russland“) ist der Meinung, dass die abgewehrte Drohnen-Attacke auf Moskau eine „neue Realität, die man begreifen muss,“ sei. Und Parteikollege und Chef des Verteidigungsausschusses im russischen Unterhaus, Andrej Kartapolow, denkt, dass die Attacke vom 30. Mai eine „informationsseitige Aktion“ gewesen sei: „Sie ist dafür bestimmt gewesen, dass jetzt eine Panik-Welle beginnt. … Das Wichtigste ist, dies nicht zuzulassen. Dies ist ein Einschüchterungsakt, der gegen die Zivilbevölkerung gerichtet ist“.