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Moskau und Riga vereinigen sich in den Bewertungen für den TV-Sender „Rain“


Es ist zu einem bemerkenswerten und symbolträchtigen Ereignis gekommen: Erstmals wird wohl ein Land der Europäischen Union unter dem Druck der einheimischen Behörden ein Massenmedium verlassen, das früher in der Russischen Föderation als „ausländischer Agent“ gelabelt wurde. Der Nationale Rat für elektronische Massenmedien Lettlands (NEPLP) hatte die Sendelizenz des Fernsehkanals „Rain“ (TV „Doschd“, auch: Dozhd TV, deutsch: „Regen“ im russischen Register für Medien, die als ausländische Agenten eingestuft wurde) annulliert. Der Leiter der Institution, Ivars Abolins (der im Übrigen sich positiv über den Anschluss der Krim an Russland seinerzeit geäußert hatte und auch von Kritikern als ein Bewunderer Putins bezeichnet wird – Anmerkung der Redaktion), erklärte die Entscheidung damit, dass die Journalisten „nicht die Schwere der eigenen Handlungen begriffen haben“. Jetzt stehen TV „Rain“ ein Kampf um die Bewahrung des Kanals auf YouTube und die Suche nach einem anderen Aufenthaltsland bevor, und den Journalisten und Medien aus Russland, die sich im Baltikum niedergelassen haben – Überlegungen über die eigene nächste Zukunft.

Die Nachricht über den Entzug der Lizenz für den in der Russischen Föderation als „ausländischer Agent“ gelabelten Fernsehkanal war am Dienstagmorgen aufgetaucht und wurde in Vielem zu einer überraschenden.

Zum 6. Dezember hatte es bereits Entschuldigungen von „Rain“-Chefredakteur Tichon Dsjadko gegeben. Und der mit „Rain“ verbundene Zwischenfall schien ein erledigter zu sein. Es sei daran erinnert, dass man über einen Lizenzentzug für den TV-Sender in Lettland bereits nach einer Sendung des Kanals vom 1. Dezember angefangen hatte zu sprechen. In der hatte der Moderator Alexej Korosteljow, als er über eine Aktion von „Rain“ zur Sammlung von Mitteln für russische mobilisierte Reservisten und deren Familienangehörigen berichtete, folgenden Satz formuliert: „Wir hoffen, dass wir einigen Militärs mit Ausstattung und einfach hinsichtlich der elementaren Bedingungen an der Front helfen konnten“.

Dieser Satz löste buchstäblich eine Welle von Empörung seitens lettischer offizieller Vertreter aus. Lettlands Verteidigungsminister Artis Pabriks erklärte, dass „Fass ist übergelaufen“ und dass man „Rain“ nach Russland zum Arbeiten schicken muss“. Bereits am folgenden Tag nach der Sendung informierte der lettische Dienst für Staatssicherheit über eine Überprüfung des Fernsehkanals. In seiner Mitteilung verwies der Dienst darauf, dass „eine Verlegung der Tätigkeit russischer sogenannter unabhängiger Massenmedien nach Lettland mit unterschiedlichen Risiken verbunden ist, in erster Linie für den „Informationsraum“ des Landes, und deutete indirekt an, dass „Rain“ mit russischen Geheimdiensten in Verbindung stehen würde. NEPLP verhängte gegen den Fernsehkanal eine 10.000-Euro-Strafe, freilich nicht für die Worte von Korosteljow. „Rain“ wurde angelastet, dass in einer der Sendungen eine Landkarte gezeigt worden sei, auf der die Krim als ein Teil Russlands ausgewiesen und die russische Armee als „unsere“ bezeichnet wurde. Hinsichtlich der Sendung vom 1. Dezember hatte NEPLP ein ordnungsrechtliches Verfahren eingeleitet.

Die Leitung des Fernsehkanals reagierte gleichfalls schnell. Korosteljow wurde entlassen. (Zusammen mit ihm waren aus Solidarität noch mehrere Mitarbeiter gegangen). Dsjadko erklärte diese Entscheidung damit, dass der Moderator erstens seine Vollmachten überschritten hätte, indem er sich erlaubt hätte, im Namen des Fernsehsenders zu sprechen. Zweitens habe er die Position des Fernsehkanals verzerrt, der sich nach Aussagen seines Chefredakteurs nicht mit einer Ausstattung der russischen Armee befasste, befasst und nicht befassen wird“. Korosteljow selbst betont, dass er sich lediglich versprochen hätte, und versichert, dass er nicht die Position des Kremls im Konflikt mit der Ukraine unterstütze. Die lettischen Offiziellen haben jedoch entschieden, dass dies unzureichend sei.

Den Worten von Abolins nach zu urteilen, die er in einer Sendung des Fernsehkanals „Delfi“ fallen ließ, war das Schicksal um die Lizenz bei einer NEPLP-Sitzung endgültig gefällt worden. „Der Vertreter des Fernsehkanals war ohne einen Dolmetscher zur Sitzung über den Fall der Ordnungsrechtsverletzung gekommen und wollte in russischer Sprache auftreten, weshalb die Anhörung nicht stattfand“, empörte er sich. Dieser Versuch, in russischer Sprache aufzutreten, war augenscheinlich auch von NEPLP als dritte Verstoß gegen die lettische Gesetzgebung aufgefasst worden, nachdem ein Lizenzentzug folgt.

Somit hat sich „Rain“ zweimal als ein Wegbereiter in der Geschichte des russischen Journalismus erwiesen. Der Fernsehkanal wurde zum ersten russischen Massenmedium mit einer russischen Rechtsperson, das vom Justizministerium der Russischen Föderation ins Register der sogenannten ausländischen Agenten aufgenommen wurde. Dies erfolgte am 20. August des vergangenen Jahres. Und am 1, März dieses Jahres blockierte die Medien-Aufsichtsbehörde Roskomnadzor die Internetseite des Fernsehkanals auf Verlangen der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation. Die hatte „Rain“ systematische Appelle zu einer „extremistischen Tätigkeit und zu Gewalt gegen Bürger Russlands, zu massenhaften Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und gesellschaftliche Sicherheit, zur Teilnahme an öffentlichen Massenveranstaltungen unter Verletzung der Forderungen der geltenden Gesetzgebung, aber auch zu einem gewaltsamen Sturz der Verfassungsordnung“ angelastet. Und bereits am nachfolgenden Tag begann der Fernsehkanal seinen Umzug nach Lettland, was er nun auch verlassen muss. „Rain“ wird wohl kaum seine Arbeit gänzlich einstellen. Außer in Riga hat es Studios in Amsterdam, Tbilissi und Paris. Doch ein Präzedenzfall der faktischen Ausweisung eines russischen Anti-Kreml-Mediums aus einem EU-Land ist geschaffen worden.

„Die ganze Zeit scheint irgendwem, dass es irgendwo besser als zu Hause ist. Und die ganze Zeit scheint es irgendwem, dass es irgendwo Freiheit gibt, zu Hause aber Unfreiheit. Dies ist eines der markanten Beispiele, dass die Fehlerhaftigkeit solcher Illusionen demonstriert“, kommentierte Kremlsprecher Dmitrij Peskow die Nachricht über den Verlust der Sendelizenz durch den TV-Kanal. Dabei scherzte er sarkastisch, dass „es heute keinen Regen gibt, heute haben wir ein wenig Sonne“. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erinnerte in den sozialen Netzwerken daran, dass der Sender in Russland mehr als elf Jahre gearbeitet hätte. Im EU-Staat Lettland sei er aber nicht einmal auf ein halbes Jahr gekommen.

 

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Die Situation in Lettland haben Autoren russischer Telegram-Kanäle aufmerksam verfolgt. „es ist schwer, den Fernsehkanal „Doschd“ einer Erschütterung der Grundfesten zu verdächtigen, unter denen zumindest auch nur ein Schritt weg von der antirussischen Agenda verstanden wird. Zumal die Führungskräfte des Fernsehkanals den Fehler (in dieser entstellten Logik war dies er) rasch bemerkt hatten, alle denkbaren Entschuldigungen mit maximal betrübten Gesichtern vorbrachten, versprachen, nicht mehr so etwas zu tun, mit einem Schlag den sich schuldig gemachten Mitarbeiter entließen und nicht anfingen, die sich mit ihm solidarisierenden Kollegen zu halten“, betonen die Autoren des Telegram-Kanals „Gnadenloser PR-Spezialist“.

„Was das Publikum der außerhalb des Systems in Russland Stehenden angeht, so ist dies eine Chance dafür, dass irgendwen diese kalte Dusche auch vom Gegenteil hinsichtlich der Reinheit der westlichen Ideale und Absichten überzeugen wird. Und dafür wird man Danke für die Hartnäckigkeit der lettischen Offiziellen sagen können“, nimmt „Meister“ an.

Der Telegram-Kanal „Boilernaja“ (deutsch: Kessel- bzw. Heizhaus) schreibt: „Der NEPLP-Chef Ivars Abolins hatte noch einen Grund für die Entscheidung genannt: „Die Vertreter des Fernsehkanals waren zur Sitzung über den Fall der Verletzung des Ordnungsrechts ohne Dolmetscher gekommen und wollten auf Russisch reden, weshalb die … Verhandlung nicht stattfand“. Dieses Vorgehens kam zur generellen nachlässigen Haltung von „Rain“ gegenüber den Warnungen der Beamten hinzu. Seine Veröffentlichungen ins Lettisch zu übersetzen, hatte der Fernsehkanal auch nicht angefangen“, heißt es auf dem Telegram-Kanal „Boilernaja“.

Ja, und das russische Staatsfernsehen ließ das Thema ebenfalls nicht aus. Und genüsslich wurden da die Tränen von „Rain“-Gründerin Natalia Sindejewa vorgeführt, für die der Sender mehr als nur ein Lebenswerk ist. Aber dafür bei den Staatspropagandisten kein Wort darüber, wie die freien und unabhängigen Medien in Russland plattgemacht worden sind. Innerhalb kürzester Frist und sicher auch mit dem Segen von Kremlchef Putin.