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Moskau und Washington haben einen Deal abgeschlossen


Zusammengefallen sind zwei für die Perspektiven der russisch-amerikanischen Beziehungen wichtige Ereignisse. Stattgefunden haben Online-Verhandlungen von Wladimir Putin und Joseph Biden, und das Unterhaus des US-Kongresses verabschiedete den Entwurf für den Verteidigungshaushalt. Sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus hat man das Gespräch vom Dienstag insgesamt als positiv bewertet. Und in dem Dokument, dass durch die amerikanischen Gesetzgeber verabschiedet wurde, waren keine Änderungen, die Sanktionen gegen „Nord Stream 2“, die russischen Staatsschulden und die Umgebung des russischen Staatsoberhauptes betrafen – das heißt all das, was den russisch-amerikanischen Dialog endgültig hätte verderben können. All dies belegt, dass sich in den Beziehungen der beiden Länder, wenn schon kein Tauwetter, so doch gewisse Bewegungen in Richtung weg von einer Konfrontation abzeichnen.

Die Kommentare, die die Pressedienste des Weißen Hauses und des Kremls zu dem am 7. Dezember erfolgten Gespräch Putins und Bidens abgaben, erwiesen sich in ein und demselben Ton gehaltene. „Präsident Biden bekundete tiefe Besorgnis der Vereinigten Staaten und unserer europäischen Verbündeten über die Eskalation der Spannungen um die Ukraine durch Russland und gab klar zu verstehen, dass die USA und unsere Verbündeten mit entschiedenen wirtschaftlichen und anderen Maßnahmen im Falle einer militärischen Expansion antworten werden. Präsident Biden bekräftigte seine Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine und rief zu einer Deeskalation und eine Rückkehr zur Diplomatie auf“, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses.

Auf der Internetseite des Kremls ist derweil betont worden, dass „einen dominierenden Raum in der Unterhaltung die Problematik eingenommen hat, die mit der innerukrainischen Krise und dem Ausbleiben eines Fortschritts bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen von 2015 zusammenhängt“. Mitgeteilt wurde, dass „Russlands Präsident an konkreten Beispielen die destruktive Linie Kiews illustrierte, die auf eine vollständige Demontage der Minsker Abkommen und der Vereinbarungen, die im Normandie-Format erzielt worden waren, abzielt, und bekundete ernste Besorgnis hinsichtlich der provokanten Handlungen Kiews gegen den Donbass“.

Andere offenkundig konfrontative Fragen in den bilateralen Beziehungen (beispielsweise solche wie die Einhaltung der Menschenrechte in der Russischen Föderation) sind im Verlauf der Gespräche – erneut den Mitteilungen der Pressedienste beider Staatsoberhäupter nach zu urteilen – nicht tangiert worden. Dafür wurde über jene Themen gesprochen, in deren Hinsicht offenkundig Punkte für ein gegenseitiges Verstehen gefunden werden können: die strategische Stabilität (entsprechende russisch-amerikanische Verhandlungen werden zu Beginn des kommenden Jahres erwartet) und die Verhandlungen bezüglich des iranischen Nuklearprogramms. Interessant ist übrigens, dass ein Gespräch Bidens mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij für Donnerstag geplant ist. Das heißt, der amerikanische Präsident wird sich mit ihm erst unterhalten, nachdem er die europäischen Spitzenvertreter über seine Gespräche mit Putin informiert hat. Dies kann man als einen Beweis dafür ansehen, dass die ukrainische Thematik in der Unterhaltung beider Staatsmänner einen weitaus bescheideneren Raum eingenommen hat, als für die Öffentlichkeit erklärt wird.

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang das Briefing des nationalen Sicherheitsberaters des US-Präsidenten, Jake Sullivan, welches er gleich nach dem Gespräch beider Präsidenten gab (https://www.whitehouse.gov/briefing-room/press-briefings/2021/12/07/press-briefing-by-press-secretary-jen-psaki-and-national-security-advisor-jake-sullivan-december-7-2021/). Bei dem hat er faktisch gesagt, dass die Vereinigten Staaten sich auf einen Deal mit Russland eingelassen hätten. Wenn Putin Gaslieferungen durch „Nord Stream 2“ sehen möchte, so dürfe er nicht in die Ukraine einfallen, erklärte Sullivan. Nach seinen Worten habe es im Verlauf der Gespräche beider Staatsmänner viele Kompromisse gegeben, aber keine Androhungen. „Doch der Präsident hat völlig klar die Position der Vereinigten Staaten“ zu umstrittenen Fragen der bilateralen Beziehungen erläutert.

Dafür, dass ein gewisser Deal durch Biden und Putin erzielt wurde, spricht die Abstimmung im Repräsentantenhaus des US-Kongresses. Mit einer Stimmenmehrheit (363 – dafür, 70 – dagegen) verabschiedeten die Gesetzgeber den Entwurf des Verteidigungshaushaltes für das am 1. Oktober begonnene Finanzjahr. Der Gesamtumfang des Haushalts beträgt 770 Milliarden Dollar. Wobei in das Dokument keine Änderungen über Sanktionen gegen „Nord Stream 2“, die russischen souveränen Schulden und in Bezug auf 35 Bürger Russlands, unter denen der Pressesekretär des Präsidenten Dmitrij Peskow, die Geschäftsmänner Alischer Usmanow und Roman Abramowitsch sind, Eingang gefunden haben. Für solch eine Fassung des Verteidigungshaushaltes votierte die Fraktion der Demokraten – der Partei Bidens. Nun muss den Gesetzentwurf der Senat billigen und danach der Präsident unterschreiben. Überraschungen bei der Abstimmung im Oberhaus sind natürlich möglich. Insgesamt aber wird der Verteidigungshaushalt wahrscheinlich gerade in solcher Fassung, die Russland rechtens ist, verabschiedet werden.

Der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für die USA und Kanada der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladimir Wassiljew, konstatierte in einem Kommentar für die „NG“ das Paradoxe der entstandenen Situation. „Der Absicht, einen Deal mit Russland abzuschließen, hatte man Trump verdächtigt. Doch wie merkwürdig es auch sein mag, die Taktik der Deals funktionierte im Fall von Biden. Warum ist es dazu gekommen? Das Leben hat dazu gezwungen“, sagte er.

Wie der Experte vermutet, sei im Verlauf der Gespräche mit Putin die Ukraine mit dem Iran gekoppelt worden. Die Verhandlungen zur Wiederaufnahme des „Nukleardeals“ sind in eine Sackgasse geraten. Die Iraner sind auf gefährliche Weise der Schaffung einer Kernladung nahegekommen. All dies muss natürlich die US-amerikanische Gesellschaft beunruhigen. Wenn die Annahme des Experten stimmt, ist in der nächsten Zeit eine Aktivierung der Anstrengungen Russlands beim Voranbringen der Verhandlungen über eine Rückkehr des Irans zu den Bedingungen des „Nuklear-Deals“ zu erwarten. Und das Friedensstiften in der Außenpolitik werde sich sicherlich auf das Rating Bidens auswirken. Der US-Präsident, dessen Rating sich derzeit im Sinkflug befindet, braucht Erfolge und Siege. Und der Kreml ist scheinbar bereit, sie zu gewährleisten.