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Nach den Wahlen kehrt Russlands Soziologie teilweise zur Realität zurück


Das staatliche Meinungsforschungsinstitut VTsIOM ist zur Veröffentlichung des elektoralen Ratings der Parteien zurückgekehrt, das im Verlauf von Umfragen berechnet wird. Nach den Wahlen kann man bereits anerkennen, dass es der Wert für „Einiges Russland“ im gesamten September nicht geschafft hat, die 30-Prozent-Marke zu überwinden. Die Unterstützung für die KPRF macht gegenwärtig aus irgendeinem Grunde 23 Prozent aus. Praktische Bedeutung haben diese Zahlen keine. Im Unterschied zur angeblich nur für die „Neuen Leute“ zugenommenen Aufmerksamkeit der Befragten. Seinerseits verweist die Stiftung für öffentliche Meinung FOM direkt darauf, dass die Unzufriedenheit über die Herrschenden zunimmt. Freilich gelingt es aber deren Stärke nur auf Umwegen zu ermitteln und zu messen, indem man sich bei den Befragten über die vermuteten Stimmungen in deren Umgebung erkundigt.

Auf die konkrete FOM-Frage, ob die Handlungen der Offiziellen gerade bei den Umfrageteilnehmern Unmut oder Empörung auslösen, erreicht die stabile Antwort „nein“ bereits den ganzen September 61 Prozent der Befragten. Die Anzahl derjenigen, die dies eingestehen, nimmt nach wie vor zu. Folglich sieht alles auf den ersten Blick scheinbar nicht schlecht aus. Und selbst die Ratings für das Vertrauen gegenüber dem Präsidenten und für die Billigung seiner Tätigkeit und der der Regierung sind, wenn auch nicht in die Höhe geschnellt, so zumindest nicht eingebrochen.

Dabei demonstriert die indirekte Ermittlung der Stimmungen über Fragen hinsichtlich der Meinung der Befragten bezüglich der Empfindungen anderer Menschen insgesamt ein negatives Bild. Unter Ausschluss des die Realität beschönigenden Koeffizienten hat die Stiftung für öffentliche Meinung solche Daten erhalten: Innerhalb einer Woche hat sich die Zahl derjenigen von 47 bis auf 51 Prozent erhöht, die von Personen aus der Umgebung kritische Äußerungen an die Adresse der Offiziellen gehört hätten. Diejenigen, die angeblich nicht so etwas gehört hätten hat sich etwa in dem gleichen Umfang verringert. Von 51 auf 46 Prozent. Interessant ist, dass der Grad des Oppositionellen über der Loyalität im Verlauf beinahe der gesamten Wahlkampagne dominierte. Lediglich in der zweiten Augusthälfte hatte die FOM endlich ein entgegengesetztes Bild der Grafiken gezeigt, das gerade vor dem 19. September schlagartig in die ursprüngliche Position zurückgekehrt ist. Jedoch war damals bereits die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen verboten gewesen.

In Ergänzung dazu hat noch eine listige Frage der Soziologen – über den Seelenzustand der „Verwandten, Freunde, Kollegen und Bekannten“ des Befragten – auch gezeigt, dass die Beunruhigung weiter zu nimmt, während die Ruhe sich verflogen hat. Bisher haben aber freilich die Grafiken bzw. Kurven im Koordinatensystem ihre Plätze nicht gewechselt, wie dies im August passierte. Sie haben aber schon solch eine Annäherung begonnen. Dies befördert augenscheinlich auch die Beobachtung des Ansteigens der Preise für buchstäblich alle Waren und Dienstleistungen durch die Befragten. FOM ermittelte, dass nur wenige auf die Alkoholpreise verwiesen. Dafür ist von vielen deutlich die Verteuerung von Brot, Teig- und Backwaren sowie Graupen, Fleisch, Geflügel und Fisch, aber auch Bekleidung, Schuhen, Medikamenten und Baumaterialien zur Kenntnis genommen worden. Preis- und Tariferhöhungen in der kommunalen Wohnungswirtschaft, im Transportwesen und im Dienstleistungsbereich sind von den Befragten ebenfalls hervorgehoben worden.

Und eben solch ein Bild bestätigt auch VTsIOM mit seinem nach den Wahlen aktualisierten elektoralen Rating der Parteien recht anschaulich. Die Veröffentlichung derartiger Daten war auch vor der Abstimmung verboten worden. Jetzt aber kann man offensichtlich bereits, ohne Befürchtungen zu haben, mitteilen, dass die Unterstützung für „Einiges Russland“ die ganze Wahlkampagne über nicht den Sprung über die 30-Prozent-Marke schaffte. Erwartungsgemäß. Das Maximum lag in der ersten Septemberwoche bei 29,3 Prozent. Danach folgte ein Rückgang. Und nach dem 19. September erholte sich das Rating ein wenig und kam bis auf 29,5 Prozent. Genauso können jetzt auch die Soziologen nicht verheimlichen, dass die KPRF im Verlauf der gesamten Wahlkampagne erstarkte, obgleich die Dynamik keine gleichmäßige gewesen ist. Das Wichtigste aber ist, dass man das gegenwärtige Rating der Kommunisten auf einem Stand von 23,3 Prozent konstatieren kann.

Für die stattgefundenen Staatsduma-Wahlen hat dies allerdings schon keine Relevanz. Für die regionalen und kommunalen Abstimmungen ist auch dies für die Vertreter der Kremlpartei genug. Der Grad der Attraktivität der Linken unterscheidet sich traditionell in einem Subjekt der Russischen Föderation vom anderen. Dafür ist aber auf Seiten des staatlichen VTsIOM gut der Versuch auszumachen, die „Neuen Leute“ zu pushen, die ihre Basisstrukturen stärken müssen. Daher hat sich bereits nach den Wahlen erwiesen, zumindest laut den staatlichen Soziologen, dass das Rating dieser neuen Partei angeblich bis auf 8,4 Prozent angestiegen sei. Und dies bedeutet, dass die „große Soziologie“ (die staatliche kontrollierte – Anmerkung der Redaktion) nicht den Bestandteil der Umfragen aufgibt, der dazu berufen ist die öffentliche Meinung zu prägen oder zu türken sowie im Großen und Ganzen jegliche Manipulationen mit ihr seitens der Herrschenden zu rechtfertigen.