Im Verlauf der Wahlkampagne sind den Fragen der Wirtschaft wenig Augenmerk und Leidenschaften gewidmet worden. Derweil liegen gerade die materiellen Sorgen der Bürger Russlands ihrem eigenen Wohlbefinden zugrunde. Aufgrund der Unklarheit und der Nichtrealisierbarkeit vieler Versprechungen von Politikern wird die Bevölkerung jedoch wohl kaum den Politikern mit klar abgesteckten Wirtschaftsprogrammen den Vorzug geben. Dies ist natürlich schaden, denn Wahlen sind das beste Format für die Ausarbeitung und Bestätigung des künftigen Wirtschaftskurses des Landes.
Doch an Problemen gibt es derweil viele. Man nehme nur die Thematik der Veröffentlichungen der „NG“ im Verlauf der vergangenen Woche. Worüber haben wir denn geschrieben?
Fast zwei Drittel der Bürger Russlands (62 Prozent) bevorzugen heute ein Wirtschaftssystem der staatlichen Planung und Verteilung. Dies ist das Maximum in der ganzen Geschichte der entsprechenden Umfragen. Auf privatem Eigentum basierende marktwirtschaftliche Beziehungen unterstützen nur 24 Prozent der Bevölkerung der Russischen Föderation. Die Rekordzunahme der gesellschaftlichen Hoffnungen hinsichtlich einer staatlichen Verteilung erklären die Experten mit dem langjährigen Rückgang der Einkommen der Landesbevölkerung. Aber auch mit der Ablehnung, das Lebensniveau im Interesse der außenpolitischen Initiativen von Vater Staat zu opfern.
Die Preise für Strom, Gas und Transport können in Russland im kommenden Jahr weitaus stärker zunehmen, als erwartet wurde. Die Offiziellen hatten geplant, die Monopoltarife mit einem Sich-orientieren auf die angestrebte Inflationsrate von vier Prozent anzuheben. Entsprechend den Jahresergebnissen erweist sich jedoch der Preisanstieg näher der 7-Prozent-Marke. Und die Monopole fordern bereits, die Preise für ihre Leistungen um anderthalb Mal mehr anzuheben, als geplant wurde. Für die russische Durchschnittsfamilie bedeutet die beschleunigte Erhöhung der Tarife einen Verlust von etwa 3000 Rubeln bei den Zahlungen für elektrischen Strom und die kommunalen Dienstleistungen.
Russland nimmt die Wirtschaft Weißrusslands an Bord, was die Perspektiven, die Einkommen der Bevölkerung aus der Krise herauszuholen, noch nebulöser macht. Die Länder beabsichtigen, die Geld- und Kreditpolitik zu harmonisieren, was immer dies auch bedeuten mag. In der Zentralbank der Russischen Föderation setzte man den Akzent auf den Übergang zu einem Targeting der Inflationsrate durch Minsk. In Weißrussland ist sie der 10-Prozent-Marke nahe. Wie aber der „NG“ der Integrationsminister der Eurasischen Wirtschaftskommission Sergej Glasjew mitteilte, habe das Reduzieren der Geld- und Kreditpolitik auf ein Manipulieren des Leitzinses der Wirtschaft der Russischen Föderation einen Schlag versetzt. Und es lohne wohl kaum, dieses Prinzip im Unionsstaat anzuwenden. Russland und Weißrussland würden ohnehin auch so schon das geringste Wachstumstempo des BIP in der Eurasischen Wirtschaftsunion aufweisen.
Der Übergang zur sogenannten grünen Energiewirtschaft hat sich als schwieriger erwiesen, als angenommen worden war. Eine der Ursachen ist die Verteuerung der alternativen Energiewirtschaft und des Stroms an sich. So sind erstmals seit den letzten sieben Jahren die Kosten für Solarstrom im zweiten Quartal angestiegen, berichten Analytiker von Wood Mackenzie. Die Hauptursache sind die Probleme in der globale Lieferkette und der Preisanstieg für solche Waren wie Stahl und Aluminium. Die Energiewende wird nicht nur entsprechend dem Ansteigen der Preise für erneuerbare Energiequellen, sondern auch durch deren generellen Mangel erschwert. Der spekulative Anstieg der Preise für Gas und der Höhenflug der Strompreise in der EU verstärken das Interesse der Länder für Kohle. Und dies ungeachtet der Ziele, auf sie zu verzichten. Russland als ein Hauptlieferant traditioneller Rohstoffe erwies sich als Hauptnutznießer der totalen Energiekrise.
Der Durchschnittspreis für die Beförderung von Schiffscontainern über die wichtigsten Handelsrouten ist heute um das 6fache höher als in den vergangenen fünf Jahren. Zur Ursache solch einer Verteuerung wurden die Störungen und Ausfälle in den globalen Lieferketten, der Mangel an Containern und die drastische Zunahme der Nachfrage nach Waren, aber auch die Quarantäne bedingte Schließung von Häfen. Die zusätzlichen Transportkosten führen zu einer Verteuerung von Importwaren.
Die zunehmende Inflation wurde in der Russischen Föderation zum besorgniserregendsten Wirtschaftsfaktor.
Die Regierung muss das Ausmaß und die Vielfalt der ernsthaften Probleme in der Wirtschaft begreifen und eine Strategie für eine langfristige Entwicklung und das Wachstum der Einkommen vorlegen. Denn es scheint, dass es sowohl schwieriger als auch aufwendiger und aus elektoraler Sicht weniger effizient werden wird, ein statistisches Wachstum der Realeinkommen in drei Jahren zu den Präsidentschaftswahlen zu imitieren.