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Nach Weißrussland wird es in Georgien unruhig


In der nächsten Zukunft kann Russland mit einem neuen Problem konfrontiert werden, mit einer Destabilisierung der Situation an seinen südlichen Grenzen. In Georgien sollen am 31. Oktober Parlamentswahlen stattfinden. Sehr prinzipielle und wichtige. Vor allem, weil bei einem Sieg der regierenden Partei „Georgischer Traum“ die Wahrscheinlichkeit einer Marginalisierung der gegenwärtigen Opposition recht zunehmen wird. Und da es immer noch keine Anzeichen für das Auftauchen neuer politischer Kräfte in Georgien gibt, wird sich auch die Herrschaft der Partei „Georgischer Traum“, die bereits eine fast rekordverdächtige in der neuesten Geschichte des Landes ist, über einen unbestimmten langen Zeitraum hinziehen. 

Der Sieg der regierenden Partei erscheint laut Umfragen als ein unausweichlicher. Wenn auch kein solch überzeugender, wie bei den vergangenen Wahlen. Die Aufgabe der Partei „Georgischer Traum“ befindet sich in einer etwas anderen Ebene. Und zwar der der Legitimität, die die herrschende Partei selbst im Falle „makellos demokratisch“ abgehaltener Wahlen nachweisen muss. Man kann erwarten, dass die Opposition jeglichen Ausgang außer den eigenen Sieg für einen gefälschten erklären wird. Danach wird sie, wie die Erfahrungen anderer GUS-Länder zeigen, zu lautstarken Protestaktionen übergehen, in deren Verlauf sie erwartungsgemäß katastrophale und möglicherweise auch unbegründete Vorwürfe und Anschuldigungen gegen die Herrschenden vorbringen wird. Bis hin zu einem Verrat der nationalen Interessen. 

Die Aktivitäten der Opposition, unter der die ehemalige Regierungspartei „Nationale Bewegung“ und die sich von ihr abgespaltene Partei „Europäisches Georgien“ zu verstehen sind, werden wahrscheinlich von ihren Verbündeten in den USA unterstützt werden. In den vergangenen Monaten waren diesbezüglich so oft Warnungen und kritische Anmerkungen zu vernehmen, dass der Eindruck entsteht: Jeglicher Ausgang der Parlamentswahlen mit Ausnahme eines Sieges der Opposition und folglich auch eines Machtwechsels in Georgien wird für ungültig erklärt werden. Unklar ist, womit es denn die Partei „Georgischer Traum“ den Leuten in Washington nicht recht machen konnte, die sich mit der „Tbilissi-Richtung“ befassen. Es sind keinerlei Abweichungen in der außenpolitischen Linie des Landes seit dem Machtantritt der „Träumer“ festgestellt worden. Die Normalisierung der Beziehungen mit Russland, die es nicht gibt und die übrigens der Westen selbst empfohlen hatte, beschränkte sich lediglich auf eine Wiederherstellung der Handels- und teilweise der humanitären Kontakte. Mehr noch, gerade die Partei „Georgischer Traum“ fixierte in der Verfassung des Landes den euroatlantischen Vektor des Landes, wobei betont worden war, dass er unveränderlich sei und realisiert werden müsse.

Doch das Eis des Misstrauens zum Schmelzen zu bringen, ist der herrschenden Partei in den zwölf Jahren an der Macht nicht gelungen. Und was für sie noch schlimmer ist: In vielen Berichten, Erklärungen und Kommentaren jenseits des Atlantischen Ozeans wird Parteiführer Bidsina Iwanischwili als ein „russischer Oligarch“ erwähnt. Dies spielt natürlich sowohl gegen die Partei als auch deren Führer. Der einzige „sichtbare“ Grund für eine derartige Haltung der einflussreichen Gruppe US-amerikanischer Politiker besteht darin, dass die Offiziellen Georgiens die Rhetorik gegenüber Moskau änderten, wobei sie sich keine beleidigenden Ausfälle erlauben, womit seinerzeit die Partei „Nationale Bewegung“ und ihrer Führer Michail Saakaschwili nicht gegeizt hatten. Im Endergebnis erinnert die Botschafterin der USA in Georgien, Kelly Degnan, „verdächtig oft“ die Offiziellen Georgiens an die Notwendigkeit der Durchführung sauberer Wahlen und warnt vor einer Bereitschaft Moskaus, sowohl den Wahlkampf als auch die Wahlergebnisse zu beeinflussen. 

Derweil ist diese Bereitschaft überhaupt nicht auszumachen. Wenn man eben jener georgischen Opposition Glauben schenkt, so kann man ihren Angaben nach zu urteilen vorerst von einer angeblichen Finanzierung der im gegenwärtigen Parlament vertretenen „Allianz der Patrioten Georgiens“ – einer rechtsausgerichteten Partei, die die Interessen des konservativen Teils der Bevölkerung artikuliert —  und/oder Consulting-Hilfe für sie sprechen. Überzeugende Beweise für eine prorussische Orientierung der „Patrioten“ gibt es dennoch nicht. Und sie selbst bestreiten kategorisch irgendeine Verbindung mit dem Kreml. Die Situation in Georgien ist immer noch solch eine, dass eine geringste Unterstützung durch Russland einen offenkundigen politischen Favoriten in einen hoffnungslosen Außenseiter verwandelt. Die Personen in Moskau, die sich mit der „Tbilissi-Richtung“ befassen, müssen dies im Kopf behalten. Für die Realisierung sowohl von Szenarios als auch von „Gegenszenarios“.