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Neue Schläge Russlands erwartet man in Kiew zu Beginn der nächsten Woche


Bisher ist das Energiesystem der Ukraine nicht zu den planmäßigen Strom-Abschaltungen nach dem erneuten Angriff der Russischen Föderation gegen ukrainische Infrastrukturobjekte zurückgekehrt. Dabei hat man sich in Kiew über Vorzeichen für ein Nahen solcher Schläge Gedanken gemacht. Laut einer Prognose von Roman Switan, einem Oberst der ukrainischen Streitkräfte in der Reserve, sei bereits zu Beginn der nächsten Woche eine neue massive Attacke Russlands wahrscheinlich.

Insgesamt halte hinsichtlich des Energiesystems des Landes ein erheblicher Mangel an, teilte der Energieversorger „Ukrenergo“ mit. Und da in einer Reihe von ukrainischen Verwaltungsgebieten am Donnerstag die Tageslimits für den Stromverbrauch überschritten wurden, sind erneut havariebedingte Abschaltungen angewandt worden. Außerdem hätten die Situation die Witterungsbedingungen mit Schnee, einer Vereisung und starken Windböen erheblich verkompliziert, präzisierte man in „Ukrenergo“.

Somit ist es den ukrainischen Energetikern vorerst nicht gelungen, zumindest zu den planmäßigen Stromabschaltungen – zu den für die Verbraucher vorgesehenen Zeiten – zurückzukehren. Obgleich von ihnen in den letzten Tagen periodisch mitgeteilt wurde, dass man wahrscheinlich zu solchen Zeitplänen kommen werde. Allerdings kann das Auftauchen derartiger Erklärungen an sich ebenfalls als ein gewisses Omen für das Nahen angenommener neuer Attacken der russischen Militärs gegen Energie- und andere ukrainische Objekte dienen. Auf jeden Fall hatte es sich als ein aktuelles vor der letzten Serie russischer Schläge, die am 5. Dezember geführt wurden, erwiesen. Wobei nach der Attacke vom 23. November das Energieministerium der Ukraine über einen Übergang des Energiesystems der Ukraine zum Regime eines kompletten Blackouts informierte. Danach hat Anfang Dezember der Ex-Chef von „Ukrenergo“, Jurij Kasitsch, die Vermutung angestellt, dass die Raketenschläge gegen die ukrainische Infrastruktur ein Energetiker leite. (Jedoch ist nicht ausgeschlossen, dass Moskau mit der scheinbar zielgerichteten Vernichtung der Energie-Infrastruktur im Nachbarland anstrebt, die ukrainische Bevölkerung gegen die Kiewer Offiziellen aufzubringen. – Anmerkung der Redaktion)

Freilich, in dem am Donnerstag veröffentlichten Interview von Roman Switan, einem Oberst der Reserve der Streitkräfte der Ukraine, hatte er sich wohl doch von militärischen Erwägungen leiten lassen, als er voraussagte, dass neue massive Attacken Russlands bereits zu Beginn der kommenden Woche möglich seien. Nach seinen Worten nehme üblicherweise die Vorbereitung auf solche Schläge (die von der russischen Seite am 10. Oktober begonnen wurden) rund zwei Wochen in Anspruch. Und wenn eine derartige Attacke erneut erfolge, so augenscheinlich nicht früher als in der nächsten Woche. Unter anderem weil nach den ukrainischen Schlägen gegen die russischen Luftwaffenstützpunkte in Engels und Djagilewo die Militärs der Russischen Föderation bestimmte logistische Probleme haben. Sie begreifen, dass man in den ukrainischen Streitkräften die Bewegung von Raketenträgermitteln zumindest bis zum Ural verfolgen wird. Und wahrscheinlich werden sie versuchen, die Routen der geplanten Flüge zu verändern. Und eine Veränderung der Routen werde auch die Zeit der Vorbereitung für eine neue Attacke verlängern, betonte Switan. Und er versicherte, dass die ukrainische Luftverteidigung ihrerseits bereits in der Lage sei, bis zu 100 Prozent der Kampfdrohnen und bis 80 bis 85 Prozent der Raketen abzufangen und zu vernichten.

Zur gleichen Zeit hat man aber in der Hauptverwaltung für Aufklärung (HVA) des Verteidigungsministeriums der Ukraine den Mitbürgern empfohlen, sich nicht am Kalender der Feiertage in der Frage nach einem vermutlichen nächsten Beschuss durch die Russische Föderation zu orientieren. Wie der HVA-Sprecher Andrej Jussow in einer Fernsehsendung präzisierte, könnten solche Schläge mit Daten oder Ereignissen in der Art von Tagungen der UNO in Verbindung stehen, aber auch montags, mittwochs oder donnerstags erfolgen oder doch durch eine gewisse innere Logik bestimmt werden. Es sei aber offensichtlich, dass der Winter ein angespannter sein werde, sowohl bis zum Jahreswechsel als auch danach, da man im Kreml keinen Hehl aus der Absicht mache, die Attacken gegen die ukrainische Energieinfrastruktur fortzusetzen. „Die Ukraine bereitet sich darauf auch durch eine Verstärkung der Luftabwehr vor“, betonte der Vertreter der Hauptverwaltung für Aufklärung.

Bemerkenswert ist, dass die russischen Attacken gegen ukrainische Objekte von zusätzlichen begleitenden Handlungen in Form einer Aktivierung der Anforderungen Kiews hinsichtlich neuer Waffenlieferungen und finanzieller Hilfe flankiert werden. So hat am Donnerstag bei einem gemeinsamen Briefing mit dem stellvertretenden UN-Generalsekretär für humanitäre Fragen, Martin Griffiths, in Kiew der Premierminister der Ukraine, Denis Schmygal, den Vereinten Nationen für die Gewährung humanitärer Hilfe für die Ukraine im laufenden Jahr über eine Summe von mehr als 4,5 Milliarden Dollar gedankt. Aber auch die Hoffnung bekundet, dass die UNO im Jahr 2023 zumindest diese Umfänge an Hilfe bewahrt. Nach Aussagen Schmygals stehe der Ukraine bevor, die schwierigste Wintersaison in der Geschichte des Landes durchzumachen. Schon heute würden um die zwölf Millionen Einwohner des Landes einen Mangel an Elektroenergie oder gar deren komplettes Ausbleiben im Verlauf mehrerer Tage spüren. (Schließlich haben die massiven russischen Schläge in den letzten Wochen und Monaten dazu geführt, dass etwa 50 Prozent der Energie-Infrastruktur zerstört wurde oder ausgefallen ist, wie am Freitag in Kiew berichtet wurde. – Anmerkung der Redaktion) Dabei unternehme die ukrainische Regierung alles Mögliche für eine Überwindung der Folgen des russischen Beschusses, erklärte der Premierminister. Und abschließend fügte er hinzu, dass die Ukraine einer zusätzlichen Unterstützung für den operativen Wiederaufbau der energiewirtschaftlichen Infrastruktur bedürfe.

Derweil hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in seiner turnusmäßigen Videoansprache am Vorabend weiter das Thema der militärischen Hilfe entwickelt, das auch bei der stattgefundenen Sitzung des Oberkommandos diskutiert worden war. „Wir verstärken ständig unsere Luftverteidigung und unsere Verteidigung gegen Drohnen. Und wir tun alles, um für die Ukraine modernere und leistungsstärkere Systeme zu erhalten“, berichtete Selenskij. Und er betonte, dass in der laufenden Woche ein „wichtiger Fortschritt in der Frage nach der Luftverteidigung“ zu beobachten sei. Seine Worte brachten Journalisten mit in diesen Tagen in westlichen Massenmedien erschienen Publikationen in einen Zusammenhang, wonach durch Washington in der allernächsten Zeit die Entscheidung zur Bereitstellung von Patriot-Luftverteidigungssystemen für Kiew bekanntgegeben werde.

Das Mitglied des Staatsduma-Ausschusses für Verteidigung, Andrej Guruljew (Kremlpartei „Einiges Russland“), bezeichnete die Aktivierung derartiger Überlegungen als einen Beleg für die sich verstärkende Schwäche der ukrainischen Militärs. Obgleich noch Schläge gegen Engels und Djagilewo zu beobachten seien, seien dies aber einmalige lokale Aktionen unter Einsatz modernisierter sowjetischer Drohnen. Und da müsse das russische Kommando aber die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen, damit nichts mehr angeflogen komme, unterstrich Guruljew. Aber so oder so werde im Zusammenhang mit der offensichtlich Schwächung der ukrainischen Seite das Thema neuer Lieferungen westlicher Waffen an Kiew zu einem unausweichlichen, fuhr er fort. „Wir erinnern uns, dass alles mit Schutzwesten und Helmen, mit Tragen und Binden begonnen hat. Heute aber steht bereits die Frage nach einer Entsendung von eben jenen Patriot- und ATACMS (-Systemen) an Kiew“.