Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

NGOs attackieren Präsident Dschaparow vom Westen her


Nichtregierungsorganisationen Kirgisiens haben sich an die internationalen Banken, die Projekte in der Republik finanzieren, mit der Bitte gewandt, Druck auf das Parlament und Präsident Sadyr Dschaparow auszuüben, um „den eine Atmosphäre von Angst schaffenden“ Gesetzentwurf über nichtkommerzielle Organisationen, unter anderem über den Status „ausländischer Vertreter“ für die NGOs, die ausländische kostenfreie Zuschüsse erhalten, zurückzuziehen. Ein entsprechender offener Brief war am Tag des Großbritannien-Besuchs einer kirgisischen Parlamentarierdelegation unter Leitung von Parlamentschef Nurlanbek Schakijew, der als ein Lobbyist dieses Gesetzentwurfs auftritt, veröffentlicht worden.

Schakijew war am 6. März nach London gekommen, um Fragen einer Anhebung der Quoten für Arbeitsmigranten aus Kirgisien bis auf 10.000 Menschen im Jahr und der Gewinnung von Investitionen für den Bergbau-Sektor zu erörtern. Dazu hatte er Angaben über die Vorräte an Kohle und seltenen Erdmetallen mitgebracht.

Jedoch hatte die Empörung der Nichtregierungsorganisationen Kirgisiens, verursacht durch die Annahme eines Gesetzentwurfs in zweiter Lesung, der eine Finanzierung von Organisationen sozialer und gesellschaftspolitischer Ausrichtung aus dem Ausland untersagt, Resonanz ausgelöst.

Die Gesetzesvorlage hat bisher zwei Lesungen erlebt und ist bisher nicht endgültig verabschiedet worden. Die NGOs fordern von den Offiziellen, sie zurückzuziehen. In einem an internationale Finanzinstitute – an die Asiatische Entwicklungsbank, die Weltbank, die Europäische Investitionsbank sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung – gerichteten Schreiben verweisen die Vertreter von 15 NGOs darauf, dass dieses Gesetz „unweigerlich eine Atmosphäre der Angst schaffen wird, wobei es den Menschen, darunter den Arbeitnehmern, Menschenrechtlern und Organisationen der Zivilgesellschaft nicht erlauben wird, sich aufgrund von Furcht vor Repressalien zu äußern“. „Dies erfolgt zu einer Zeit, in der die Offiziellen Kirgisiens bereits umfangreicher strenge Maßnahmen in Bezug auf die Meinungsfreiheit zum Einsatz bringen, wie beispielsweise im Fall der jüngsten Inhaftierung von elf Journalisten“, heißt es in dem Brief.

Die Notwendigkeit der Annahme des Dokuments erklären die Offiziellen Kirgisiens mit der Einmischung der USA und einer Reihe europäischer Länder in die Innenpolitik des Landes. Unter anderem sei es ein Ziel des Gesetzes, wie Dschaparow erläuterte, Klarheit zu schaffen und die Tätigkeit der NGOs, die in Kirgisien arbeiten, zu regeln.

Wie die Vertreter der nichtkommerziellen und Nichtregierungsorganisation selbst meinen, sei ihre Rolle im sozialen Bereich eine erhebliche. Gulsana Satyjewa aus Leilek, Projektkoordinatorin in der gesellschaftlichen Vereinigung „Aktivist“, berichtete in einem Interview für das Nachrichtenportal Vesti.kg, dass die Arbeit der Organisation direkt mit einer Verbesserung des Lebens anfälliger Bevölkerungsgruppen verbunden sei. „Wir befinden uns an der vordersten Front des Kampfes gegen soziale Ungleichheit, wobei die Rechte unserer Bürger verteidigt werden. Unsere Nutznießer sind die anfälligsten Bevölkerungsschichten – Menschen mit einer Invalidität, Frauen, die genderbedingte Gewalt in der Familie erlebten“, betonte Satyjewa. Sie ist der Auffassung, dass die Normen des Gesetzes „über ausländische Agenten“, das durch die Abgeordnete Nadira Narmatowa initiiert wurde, nicht nur dem Sektor der NGOs schade, sondern insgesamt auch der ganzen Gesellschaft und selbst dem Staat. Das Gesetz sei noch nicht endgültig verabschiedet worden, in den staatlichen Strukturen würde man aber schon den Vertretern der gesellschaftlichen Organisationen eine Zusammenarbeit verweigern.

Die kirgisischen Parlamentarier, die zu Gesprächen nach London gekommen waren, mussten unbequeme Fragen der britischen Kollegen beantworten. Zumal das Außenministerium Großbritanniens eine Reihe von Projekten zur Unterstützung des Parlamentarismus in Bezug auf das Parlament (Shogorka Kenesh) realisiert sowie zahlreiche Seminare und Trainings für kirgisische Abgeordnete, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Journalisten finanziert. Andererseits erweitern die britischen Offiziellen den Umfang der Finanzierung, die für die Vornahme einer Tätigkeit der vom Außenministerium kontrollierten Massenmedien und Nichtregierungsorganisationen eingesetzt wird, und dies seit der Zeit der Einweihung der Botschaft Großbritanniens in der Republik Kirgisien. Nach Aussagen der Geschäftsträgerin Ann Herrigan habe das offizielle London über 122 Millionen Dollar in Form einer bilateralen Hilfe für Bischkek und 80 Millionen Dollar über zahlreiche Plattformen bereitgestellt.

Der London-Besuch der kirgisischen Delegation ging mit einer Rundtisch-Diskussion zu Ende, in deren Verlauf die weitere Entwicklung der Republik sowie die Erkundung und Erschließung ihrer Bodenschätze erörtert wurden. Laut einer Mitteilung des Telegram-Kanals „Kirgisischer Vorposten“ hatte am Vorabend der Abreise der Abgeordneten nach Großbritannien Kabinettschef Akylbek Dschaparow die Akademie der Wissenschaften der Republik beauftragt, Angaben über die Vorräte an Kohle und seltenen Erdmetallen im Land zur Verfügung zu stellen. Er selbst war auch erst jüngst in London gewesen, wo er dem britischen Business eine Erschließung und Ausbeutung kirgisischer Lagerstätten angeboten hatte.

„Für den Westen, vor allem für die USA und Brüssel, ist die Verabschiedung der Gesetzesvorlagen „Über ausländische Agenten“ und „Über die Massenmedien“ ein ernsthafter Schlag, da sich der Botschafter der USA in der Republik Kirgisien mehrfach mit Vertretern der Parlamentsfraktionen getroffen hatte, und im Parlament gibt es einen Ausschuss für Zusammenarbeit mit den USA, um sie davon zu überzeugen, nicht diese Gesetze zu verabschieden. Schakijew ist eine Schlüsselfigur bei der Annahme des Gesetzentwurfs. Dank ihm und der „Ata Shurt“-Fraktion, die er vertritt, ist das Dokument in zweiter Lesung angenommen worden. Daher sind die Erklärungen der NGOs wahrscheinlich ein Fehlschuss, und die Offiziellen Kirgisiens werden ihnen wohl kaum Beachtung schenken, sagte der „NG“ Igor Schestakow, Direktor des Zentrums für Experten-Initiativen „Oy Ordo“.

Wenn jedoch die internationalen Finanzinstitute eine Einstellung der finanziellen Hilfe für Kirgisien verkünden oder irgendwelche Vorschläge unterbreiten, wie beispielsweise die Botschaft der USA, die die Ausstellung von amerikanischen 10-Jahres-Visa für Bürger Kirgisiens ungeachtet der Kritik von US-Außenminister Antony Blinken bekanntgab, so kann dies die Offiziellen veranlassen, sich über irgendwelche Zugeständnisse Gedanken zu machen.

„In London wurden die Arbeitsmigranten zu solch einer „Verhandlungsmasse“. Großbritannien hat die Quote für eine Aufnahme von Bürgern Kirgisiens für Arbeiten in der Landwirtschaft von 2.000 bis auf 10.000 Menschen im Jahr erhöht. Insgesamt sind aber in diesem Jahr 26.000 Anträge von kirgisischen Bürgern gestellt worden, die in Großbritannien arbeiten wollen. Die Migration spielt für Kirgisien eine erhebliche Rolle – nicht nur sozial-ökonomisch, sondern auch politisch. Die Migranten helfen, soziale Probleme zu lösen und überweisen Geld nach Hause, was eine Verringerung der sozialen Spannung fördert. Möglicherweise werden Konsultationen zu diesen Fragen durchgeführt“, fügte der Experte hinzu.

Nach seiner Meinung hätten Washington, London und Brüssel bereits Pläne für eine Zusammenarbeit sowohl mit den offiziellen Strukturen Kirgisiens als auch mit Nichtregierungsstrukturen für die Zeit nach der Verabschiedung der Gesetze über die ausländischen Agenten und die Massenmedien ausgearbeitet. „Analoge Gesetze existieren in den USA und in einer Reihe von Ländern der Europäischen Union, solcher wie Ungarn. Aufgrund dieses Gesetzes hat dieser Staat keine finanziellen Verluste erlitten. Für Großbritannien, die USA und die EU ist die Zusammenarbeit mit Zentralasien äußerst wichtig, um dessen Kontakte mit Russland und China einzuschränken. Der Experte ist der Annahme, dass bei den Verhandlungen in London die Priorität des Westens in der zentralasiatischen Region erörtert wurde. Daher opferte keiner diese Priorität im Interesse eines Stellens von Ultimaten gegenüber den kirgisischen Offiziellen hinsichtlich dieses Gesetzentwurfs, meinte Igor Schestakow.