Die dieser Tage durch den Diskussionsklub „Valdai“ veranstaltete internationale On-/Off-Konferenz „Globale Energiewirtschaft und internationale politische Risiken“ warf brisant Fragen nach der Zukunft in den Beziehungen Deutschlands und Russlands auf, und vor allem im Bereich der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Es ist kein Geheimnis, dass gegenwärtig die ernsthafteste Herausforderung die verhängten und geplanten USA-Sanktionen hinsichtlich der Gaspipeline „Nord Stream 2“ sind.
Der Moderator der Diskussion, der Politologe Fjodor Lukjanow, erinnerte daran, dass während eines der Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Donald Trump bemerkt hätte: Die USA und Russland würden ein und dieselbe Ware besitzen, die sie auf ein und demselben Markt (in diesem Fall – in Europa) absetzen wollen. Daher erfolge ein Konkurrenzkampf. Und in dem seien entsprechend der amerikanischen Logik jegliche Aktionen zulässig. Bisher versucht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, sich dem Druck der USA zu widersetzen. Es stellt sich jedoch die Frage: Wird dies lange reichen?
In diesem Fall muss berücksichtigt werden, dass die vom Wirtschaftsausschuss des Bundestags vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen in Form einer Einführung einer Zollgebühr von 20 Prozent für amerikanisches verflüssigtes Gas (LNG) und ein Verzicht auf staatliche Investitionen für den Bau von LNG-Empfangspunkten an der deutschen Küste wenig bewirken. Schließlich gibt es einerseits in der Europäischen Union eine starke Opposition gegen Berlin seitens einer Reihe osteuropäischer Länder und in erster Linie Polens. Daher gelangt amerikanisches LNG über polnische und baltische Terminals nach Europa und wird dies auch in der Zukunft. Andererseits müssen die deutschen Privatfirmen früher oder später eine Entscheidung treffen – zugunsten des aufnahmefähigeren US-amerikanischen Marktes oder des russischen Marktes. Die amerikanischen Sanktionen drängen sie gerade auch zu dieser Entscheidung.
Was kann Russland solchen negativen Tendenzen entgegenhalten?
Eine kürzliche Umfrage, vorgenommen durch die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) unter den deutschen Firmen, die auf dem russischen Markt tätig sind, demonstriert deren Interessen an der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und an der Gestaltung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis nach Wladiwostok. Die überwältigende Mehrheit (84 Prozent) der deutschen Unternehmen in Russland unterstützen diesen Gedanken. Über 100 Unternehmen und Business-Vereinigungen inkl. der AHK plädieren für diese Konzeption im Rahmen der bereits 2015 entwickelten Initiative „Lissabon-Wladiwostok“.
Im Diskussionsverlauf bewertete Alexander Rahr, der als Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums auftrat, die sogenannte, sich in Europa vollziehende Energiewende in Richtung „grüner“ Technologien als den Versuch Deutschlands, zum Hauptexporteur von Energiespar- und „grünen“ Technologien nach dem Jahr 2050 zu werden. Seiner Meinung nach werde gerade die Klima-Tagesordnung in Europa sogar zu einer wichtigeren als die Menschenrechte. Nicht weit sei laut Äußerungen einer Reihe von Diskussionsteilnehmern auch das Entstehen europäischen „Klima-Gerichte“.
Aber noch vor den „Klima-Gerichten“ kann Russland mit ernsthaften Beschränkungen für seinen Export nach Europa konfrontiert werden. Davor hatte bei einer Diskussion im Rahmen der Potsdamer Begegnungen im Mai dieses Jahres unmissverständlich Michael Harms, einer der Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, gewarnt. Seiner Meinung nach sei das „grüne“ Wachstum, das in Europa vorangetrieben wird, für Russland sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung, da es die Errichtung von Handelsbarrieren nach sich ziehe. Er erläuterte, dass es um Waren mit einem hohen Kohlendioxid-Anteil gehe. In diesem Zusammenhang verdient die von Alexander Rahr im Rahmen der „Valdai“-Diskussion geäußerte Idee für die Gestaltung eines gemeinsamen „grünen“ Raums von Lissabon bis Wladiwostok das aufmerksamste Studium durch Russland.