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Nur Lukaschenko wird für das Präsidentenamt antreten


In Weißrussland hat die offizielle Registrierung der Kandidaten für das Präsidentenamt begonnen. Dokumente haben sieben Personen in der Zentralen Wahlkommission (ZWK) eingereicht. Es ist aber offensichtlich, dass bei weitem nicht alle zu den Wahlen am 9. August zugelassen werden. 

Die ZWK Weißrusslands wird die Registrierung der Präsidentschaftskandidaten am 14. Juli abschließen. Am Vorabend teilte die ZWK auch mit, dass sieben Anwärter die erforderlichen Dokumente eingereicht hätten. Dies sind der amtierende Präsident Alexander Lukaschenko, der Ex-Chef der „Belgazprombank“ Viktor Babariko, der Anführer der Kampagne „Sag die Wahrheit“ Andrej Dmitrijew, die frühere Abgeordnete Anna Kanopazkaja, Swetlana Tichanowskaja, die Gattin des Autors des YouTube-Kanals „Ein Land für das Leben“ Sergej Tichanowskij, Lukaschenkos Ex-Berater und einstiger Chef des Parks für Hochtechnologien, Valerij Zepkalo, sowie Sergej Tscheretschen, der Vorsitzende der Weißrussischen sozialdemokratischen Partei („Gramada“). 

Die größten Chancen, nicht auf den Wahlzettel zu gelangen, hat Valerij Zepkalo. Laut Angaben der ZWK habe er nicht die für eine Teilnahme am Wahlkampf erforderlichen 100.000 Unterschriften gesammelt. Von den durch ihn eingereichten 165.000 Unterschriften hat die ZWK nur ganze 75.000 anerkannt. Zepkalo erklärte, dass er nicht aufzugeben gedenke, und rief alle Anhänger auf, ihre Unterschriften zu verteidigen. Gegenwärtig trägt der Stab die Daten all jener zusammen, die bereit sind, eine Antwort von den Wahlkommissionen bezüglich des Schicksals ihrer Unterschriften zu fordern, und sich mit Anträgen an die territorialen Kommissionen wenden werden. 

Freilich ist die Wahrscheinlichkeit einer Revision recht gering. Die ZWK hat bereits erklärt, dass die weißrussische Gesetzgebung keine Überprüfung der Unterschrift auf Verlangen des Wählers vorsehe. Außerdem nehme die Zentrale Wahlkommission überhaupt keine derartigen Beschwerden an, da sie mit Daten arbeite, die die territorialen Kommissionen übermittelten. Seinerseits hat man in einer der territorialen Kommissionen, an die sich Vertreter der Initiativgruppe von Viktor Babariko mit einer Beschwerde gewandt hatten (bei ihm sind auch 200.000 Unterschriften verschwunden), bereits geantwortet, dass es keine Entscheidung gegeben hätte. Daher könne man die Klage nicht behandeln. „Es ist kein Beschluss gefasst worden, sondern ein Protokoll über die Ergebnisse der Überprüfung der Echtheit der Unterschriften erstellt worden“, erläuterte ein Vertreter der Gebietskommission für die Präsidentschaftswahlen im Gebiet Gomel.   

Der zweite Durchfall-Kandidat ist Viktor Babariko. Er befindet sich gegenwärtig in einer U-Haftanstalt des KGB. Ihm werden drei Artikel des Strafgesetzbuches angelastet: Legalisierung von Mitteln, die auf kriminelle Art und Weise erhalten wurden, wobei wiederholt – entweder durch eine Amtsperson unter Ausnutzung ihrer Dienstvollmachten oder in einem besonders großen Umfang; Steuerhinterziehung, die einen Schaden in einem besonders großen Umfang nach sich zog; Bestechung – wiederholt oder im großen Umfang. 

Weißrusslands Behörden und Offizielle haben im Verlauf der vorangegangenen Etappen des Wahlkampfes ihre völlige Gleichgültigkeit in Bezug auf Konventionen und die einstige „Eleganz“ bei den Siegen demonstriert. Die Glaubwürdigkeit der Anschuldigungen gegen all jene, die gegen eine weitere Präsidentschaft von Lukaschenko sind, beunruhigt sie schon nicht mehr. Laut Angaben von Menschenrechtlern sind in den vergangenen zwei Monaten fast 700 Menschen in Weißrussland festgenommen worden. Die Zahl der Gefangenen, die als politische anerkannt worden sind, nähert sich der 20. 

Die weißrussische Gesetzgebung erlaubt, einen Anwärter für das Präsidentenamt aufgrund falscher Angaben in der Einkommenserklärung oder aufgrund von Fakten einer Verwendung von Mitteln anderer Staaten nicht zu registrieren. Unter Berücksichtigung des von Alexander Lukaschenko in Bezug auf Viktor Babariko Gesagten erscheinen diese beiden Gründe als durchaus reale. Es sei daran erinnert, dass Weißrusslands Präsident behauptet, dass der Ex-Bankier eine Kreatur russischer Oligarchen sei. Und er selbst (Lukaschenko) ist offenkundig darauf stolz, dass er die Bank von „Gazprom“ eins übergezogen hat. 

Was Swetlana Tichanowskaja angeht, zu deren Unterstützung sich lange Warteschlangen gebildet hatten, so könne man sie auch auf dem Stimmzettel belassen, vermuten einheimische Analytiker. Sie, die zufällig aufgrund der Festnahme ihres Gatten Sergej Tichanowskij in die Politik geraten ist, stellt keine große Gefahr für die Herrschenden dar. „Ihr Team ist zerschlagen worden. Sie selbst ist keine Rednerin und keine Politikerin und wohl kaum zu einer entschlossenen Mobilisierung der Anhänger bereit“, erklärte diesbezüglich der politische Kommentator Alexander Klaskowskij. Und der charismatische Führer aus dem Volk Tichanowskij werde mindestens bis zu den Wahlen hinter Gittern bleiben. 

Die politisch aktive Öffentlichkeit hegt beinahe keinen Zweifel daran, dass Sergej Tscheretschen, Anna Kanopazkaja und Andrej Dmitrijew die Etappe der Registrierung leicht bewältigen werden. Der eine oder andere der Experten bezeichnet alle drei als Spoiler des Hauptkandidaten, andere – nur Dmitrijew und Kanopazkaja und dritte – nur Kanopazkaja. Anlass für die Überlegungen gaben die Ergebnisse der Überprüfung der gesammelten Unterschriften. So rechnete die ZWK Kanopazkaja, die nach der Abgabe der Unterschriften erklärt hatte, dass sie 110.000 gesammelt hätte, 146.000 an. Tschertschen, der 106.000 Unterschriften gesammelt hatte – 143.000. Und während der „Gramada“-Chef eingesteht, dass man ihm Unterschriften zugeschlagen habe, vollzog Kanopazkaja eine totale Kehrtwende und versucht zu erklären, wie dies passiert sei. „Anja, was ist mit dir passiert? Du hast innerhalb eines Jahres mit deiner Lüge und deinen unüberlegten Handlungen alles zerstört, was bis dahin geschafft wurde. Warum? Was ist der Preis deiner Lüge?“ fragte ihr einstiger Mitstreiter Denis Tichonenko auf seiner Internetseite. 

Wirtschaftsexperten haben diesbezüglich eine Version. Der Vater von Kanopazkaja ist ein bekannter weißrussischer Unternehmer, der aktiv mit Unternehmen des staatlichen Sektors zusammenarbeitet und gegenwärtig mit einigen Problemen konfrontiert wird. Die Experten schließen nicht aus, dass die sich veränderte und allen merkwürdig erscheinende Rhetorik von Anna Kanopazkaja zu einer Folge des Drucks auf ihren Vater geworden ist. 

Angesichts des ungewöhnlichen Charakters des gegenwärtigen Wahlkampfs in Weißrussland herrscht unter den Analytikern keine einheitliche Meinung in Bezug auf dessen weitere Entwicklung. Als Hauptintrige halten die meisten Beobachter, werden die Offiziellen Viktor Babariko erlauben, an den Wahlen teilzunehmen. Einerseits ist die Versuchung groß, ihn nicht zuzulassen. Andererseits aber möchte man ungern, dass die Wahlen in der Welt nicht anerkannt werden. „Aus pragmatischer Sinn macht es für die Offiziellen Sinn, ihn auf dem Wahlzettel zu belassen“, denkt der Leiter des Zentrums für europäische Transformation, Andrej Jegorow. Seiner Meinung nach würden die Hauptintrige und gleichzeitig die Gefahr für die Herrschenden im geschlossenen Verzicht aller alternativen Kandidaten auf eine Teilnahme an den Wahlen bestehen. Wenn dies nicht erfolge, d. h., Lukaschenko nicht der einzige Kandidat für das Amt des Staatsoberhauptes sein werde, werde sich die Kampagne, der Wahlkampf, augenscheinlich entsprechend dem für Weißrussland standardmäßigen Szenario, das durch die Landesführung verfasst wurde, entwickeln, nimmt Jegorow an. 

Die weißrussischen Wahlen sind dieses Mal aber so unvorhersehbar, dass es unter den im Experten-Milieu diskutierten Varianten sogar eine deren Absage gibt. Ungeachtet der Erklärungen der Offiziellen, dass das Coronavirus besiegt sei, gibt es im Land immer noch viele Kranke. Genaue Zahlen sind gegenwärtig keinem bekannt, da man aufgehört hat, die Kranken auf Covid-19 zu testen. Alexander Lukaschenko kann jedoch nichts daran hindern, sich an ihn (den Coronavirus) zu erinnern, eine zweite Welle der Epidemie zu verkünden, den Ausnahmezustand zu verhängen und auf dieser Grundlage die Wahlen zu canceln, die unerwartet nicht nach seinem Szenario verliefen. 

https://www.ng.ru/cis/2020-07-05/1_7902_belorussia.html