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Paschinjan hat Baku einen überraschenden Kompromiss vorgeschlagen


Im Parlament Armeniens hat am Dienstag Premierminister Nikol Paschinjan erklärt, dass Armenien die territoriale Integrität Aserbaidschans „vollkommen anerkennt“ und erwarte, dass Baku das gleiche tun werde, indem es „das gesamte Territorium der Armenischen SSR als Republik Armenien anerkennt“. Da „Aserbaidschan direkt oder indirekt zu einer Energie- oder Logistik-Kreuzung geworden ist und seine Wichtigkeit sowohl für Russland als auch für einige westliche Länder zugenommen hat“, könne aus dieser Sicht die regionale Stabilität zu einem Konsens für Russland und den Westen werden, erläuterte Paschinjan. Aber Armenien in den sowjetischen Grenzen ist ein Land ohne Bergkarabach.

Das Angebot von Nikol Paschinjan an die Adresse von Baku löst zuerst den Eindruck einer VIP-Sensation aus: „Ich möchte bestätigen, dass die Republik Armenien vollkommen die territoriale Integrität Aserbaidschans anerkennt“.

Die Fortsetzung des Satzes dämpft die aufgekommenen Emotionen: Armenien „erwartet, dass Aserbaidschan dies auch tun wird, indem es das gesamte Territorium der Armenischen SSR als Republik Armenien anerkennt“. Was einen Verzicht auf Bergkarabach bedeutet. In den Grenzen der Armenischen SSR war diese Region bereits ab dem Juli 1921 nicht gewesen. Sie war im Bestand Aserbaidschans. Was Gebietsansprüche Jerewans gegenüber Baku auslöste, die von Konflikten begleitet werden.

Nikol Paschinjan hat Armenien vorgeschlagen, für immer territoriale Ansprüche gegenüber anderen Ländern im Interesse der Herstellung von Frieden fallen zu lassen.

„Ein Frieden ist möglich, wenn wir in unseren internationalen Beziehungen nicht nur für heute, sondern auch für die Zukunft fixieren, dass wir für Armenien 29.800 Quadratkilometer anerkennen, und genauer gesagt: das Territorium der Armenischen SSR, in deren Rahmen wir die Unabhängigkeit erhalten hatten. Und wir haben keine territorialen Ansprüche gegenüber anderen Ländern und werden sie nie haben“, sagte Paschinjan im Parlament Armeniens am Dienstag. Zum Bestand der Armenischen SSR hatte aber Bergkarabach nicht gehört. Der Regierungschef schlug den Bürgern seines Landes vor, sich mit diesem Gedanken abzufinden, andernfalls werde es nie Frieden geben.

Nach Meinung von Paschinjan werde keiner Armenien sich zu entwickeln erlauben, wenn dies nicht getan werde. „Da keiner sich damit abfinden wird, dass wir uns entwickeln, erstarken, um diese Entwicklung und Kraft gegen andere für eine Ausdehnung der Territorien unseres Landes auszurichten2, betonte er. Nach seinen Worten werde unter diesen Bedingungen die Tagesordnung anderer Länder die Frage nach dem eigentlichen Bestehen des armenischen Staates bestimmen.

Nach dem 44-Tage-Krieg in Bergkarabach befinde sich Aserbaidschan im Zustand einer Euphorie und sei bestrebt, mehr und möglicherweise alles zu bekommen, erklärte der Premierminister der Republik bei der Sondersitzung der Nationalversammlung während der Behandlung des Berichts „Über den Verlauf und die Ergebnisse der Realisierung des Programms der Regierung Armeniens für die Jahre 2021-2026 im Jahr 2022“.

Nach seinen Worten werde diese Wahrnehmung durch Baku noch mehr durch die aktuelle internationale Lage angeheizt. „Aserbaidschan ist direkt oder indirekt zu einer Energie- oder Logistik-Kreuzung geworden. Und seine Wichtigkeit hat sowohl für Russland als auch für einige westliche Länder zugenommen“, sagte Paschinjan.

Eine derartige Situation berge jedoch nach Meinung des Premierministers sowohl Risiken als auch Möglichkeiten in sich. Die Risiken seien beinahe jeden Tag zu beobachten. Und die Möglichkeiten würden darin bestehen, dass der Südkaukasus an und für sich eine riesige Kreuzung sei, wo die Rolle sowohl Armeniens als auch Georgiens wichtig sei.

Armeniens Kabinettschef ist überzeugt: Aus dieser Sicht könne die regionale Stabilität zu einem Konsens für Russland und den Westen werden. „Andernfalls kann eine regionale Explosion zu einem neuen Problem für die geopolitischen Zentren aus der Sicht der Energiesicherheit werden“, unterstrich der Premierminister.

Er versicherte, dass er bestrebt sei, so schnell wie möglich einen Friedensvertrag mit Aserbaidschan abzuschließen, und dass dieser Wunsch ein aufrichtiger sei. Dieser Vertrag werde jedoch zu einem realistischen, wenn beide Seiten gegenseitig die territoriale Integrität anerkennen und sich verpflichten, einander keine Gebietsansprüche vorzubringen. „Tatsächlich war auch darüber die Vereinbarung mit Aserbaidschans Präsident in Sotschi und Prag“, unterstrich Nikol Paschinjan.

Jerewan hat vorgeschlagen, dass dem künftigen Friedensvertrag die Landkarten der Armenischen und der Aserbaidschanischen SSR, die in der Sowjetunion erstellt wurden, beigefügt werden. Dies werde zur Grundlage für die territoriale Integrität der Länder. „Hier beginnt jedoch bereits die komplizierteste Frage – Bergkarabach. Im gesamten Verlauf des Bergkarabach-Konflikts standen die Prinzipien des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung und der territorialen Integrität nebeneinander. Wenn man diese Frage aus der Sicht des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung behandelt, so ist anzunehmen, dass es um ein konkretes Territorium geht. Und diese Philosophie hat die armenische Seite nicht nur hervorgebracht, sondern auch auf jegliche Art und Weise zementiert. Damit haben wir uns und das Volk von Bergkarabach faktisch betrogen“, erläuterte der Premierminister.

Er tangierte gleichfalls die Madrider Prinzipien. Nach Aussagen des Regierungschefs Armeniens hätten letztere Bergkarabach nicht die Möglichkeit gegeben, das Recht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen, da sie von Grund auf dieser Logik widersprochen hätten.