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Programmierer haben den Teufel in das kirchliche Russland gelassen


Wie die „NG“-Beilage „NG Religionen“ erfahren hat, werden im kommenden Jahr die Gamer die Möglichkeit erhalten, in die mystische Welt des Russischen Reichs des 19. Jahrhunderts einzutauchen und den Versuch zu unternehmen, es von infernalen Wesen zu erlösen. Das Abenteuer-Spiel mit dem geheimnisvollen Namen „Indika“ beginnt mit der Szene eines Gottesdienstes in einem Nonnenkloster. Ein graubärtiger Geistlicher reicht den Nonnen das Abendmahl. Einer jungen Nonne scheint es, dass da aus dem Mund der Äbtissin ein kleiner Teufel herauskommt. Der Teufel huschte über den Abendmahllöffel, wobei er bestrebt ist, in den Mund des Mädchens zu gelangen. Die schlägt dem Geistlichen auf die Hand. Und es beginnen die Abenteuer der Heldin, die vom Teufel verfolgt wird. Die junge Nonne verlässt das Kloster, um einen heiligen Starzen zu finden, der ihr helfen soll, sie von dem Teufelsspuk zu befreien. „Ein ödes und wirres Märchen im russischen Stil, das in einem überraschenden Arthouse-Stil präsentiert wird“, heißt es in einem Kommentar zum Teaser, in dem der Anfang der Geschichte vorgestellt wird. Das Video ist bereits im letzten Sommer veröffentlicht worden, doch erst jetzt ist bekannt geworden, wann gerade das Spiel die Gamer erhalten werden.

In Kommentaren für Branchen-Medien behauptet Dmitrij Swetlow, der die Entwickler-Firma des Spiels leitet, dass bisher keiner in der Industrie ein „Setting mit orthodoxem Christentum und dem vorrevolutionären Russland“ entwickelt habe. Er teilte mit, dass die Idee von Gogel und Dostojewskij beeinflusst worden sei. Die Handlung sieht vor, dass der Spieler verschiedene Rätsel lösen und schwierige Dialoge im Stil des Autors der „Dämonen“ und der „Brüder Karamasow“ führen wird.

Ungeachtet des ganz und gar nicht christlich erscheinenden Namens des Spiels hat „Indika“ doch eine Beziehung zur christlich-orthodoxen Tradition. Derart war der Name einer der byzantinischen heiligen Märtyrerinnen des Christentums. So heißt auch die Hauptheldin, eine von einem bösen Geist besessene Nonne. Unverständnis löst jedoch aus, warum aus der ganzen hagiographischen Mannigfaltigkeit solch ein für die christlich-orthodoxen Heiligen seltener Name ausgewählt wurde. Überdies hat dieses Wort in der Geschichte der Weltkultur auch andere, stärker verbreitete Korrelationen mit Werken der antiken Periode, die über Indien berichten.

„Die Games-Industrie entwickelt sich rasant und übertrifft hinsichtlich des Budgets die Kinematografie“, erläuterte der „NG“ nach dem Kennenlernen des Teasers und der Beschreibung des Spiels Professor Roman Silantjew von der Moskauer staatlichen linguistischen Universität. „Dabei besteht das Hauptproblem des Game-Designs nicht in den Technologien, sondern in den Szenarien. Die Menschen suchen nach neuen Herangehensweisen. Und es kommt nicht selten vor, dass ein hinsichtlich der Grafik weniger aufwendiges Spiel dank dem originellen Sujet zu einem Hit wird. Ich sehe darin ein Zeichen für den Fortschritt der russischen Games-Industrie. Dass dieses Spiel gerade aufgrund des Szenarios ein Renner wird, ist schon jetzt zu sehen“.

„Das Thema ist ein originelles, die Grafik ist eine gute“, lobte der Religionskundler. „Freilich ist es merkwürdig, dass der Geistliche in der Anfangsszene das Abendmahl nicht im Phelonion (ein liturgisches Obergewand – „NG“) reicht, aber so etwas ist technisch möglich. Eine Nonne kann in einem Kloster auch von der Atmosphäre eingenommen werden oder eine psychische Erkrankung erhalten. Folglich ist das Sujet ein durchaus glaubwürdiges“. Als Antwort auf die Frage der „NG“, ob nicht die Abenteuer und Prüfungen der Nonne Indika die Gefähle von Gläubigen oder Verehrer des Russischen Imperiums beleidigen würden, antwortete Silantjew, dass er hier keinerlei Blasphemie ausmache. Er schlägt jedoch vor, das Erscheinen des Spiels an sich abzuwarten, denn im Handlungsverlauf könnten überraschende Wendungen im Sujet auftreten. „Ich werde nicht überrascht sein, wenn bei irgendeiner Mission irgendeinem Metropoliten der Kopf abgeschnitten werden muss, der sich als ein Diener des Satans erweist. In Spielen kommt so etwas vor“, erläuterte er. Und er gab den Szenaristen den Ratschlag: „Ich würde an der Stelle der Entwickler sehr ernsthaft an die Ausarbeitung der Details herangehen. Andernfalls wird dies für die Gläubigen – nun nicht blasphemisch bzw. gotteslästernd, sondern einfach lächerlich aussehen. Es gibt stereotype Sachen, die nicht der Realität entsprechen. Zum Beispiel die in den Werken der Massenkultur verbreitete Anrede eines Geistlichen „Heiliger Vater“, was unschön in den Ohren klingt“. „Soweit mir bekannt ist, wird das Sujet über eine flüchtende Nonne in Russland erstmals in der Games-Industrie aufgegriffen. Wenn das Spiel gut gestaltet ist und überraschende „Twists“ (unerwartete Handlungswechsel – „NG“) vermeidet, so wird man es als eine gewisse Anleitung für ein Eintauchen in die Welt des 19. Jahrhunderts begrüßen können“, vermutete Silantjew.

Es sei daran erinnert, dass die mystisch-historische Thematik die einheimische Filmkunst für Themen aus dem Klosterleben Russlands des 19. Jahrhunderts recht erfolgreich erschlossen hat. Als ein Beispiel kann man den Streifen „Der Mönch und der Teufel“ von Nikolaj Dostal aus dem Jahr 2016 anführen.