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Putin arbeitet stückweise seine künftige Jahresbotschaft ab…


Die vergangene Woche hat gezeigt, dass sich der Präsident auf Veranstaltungen konzentriert, die ihm theoretisch einen ungehinderten Zugang zu den sattsam bekannten Informationen von Vorort eröffnen sollten. Beispielsweise hatte sich Wladimir Putin bei Begegnungen mit jungen Wissenschaftlern oder Invaliden sowie entsprechenden gesellschaftlichen Organisationen nicht nur interessante Vorschläge von der Basis angehört und Aufträge auf der Ebene der Regierung oder der Präsidialadministration zugesagt, sondern von den Gesprächspartnern auch buchstäblich eine klarere Argumentation bezüglich ihrer Vorschläge und deren operativeren Ausgestaltung in Form offizieller Papiere gefordert.

Allem nach zu urteilen, kann man sowohl die Beratung des Präsidenten mit dem Ministerkabinett nicht nur zum Thema der Löhne und Gehälter der Beschäftigten der aus dem Staatshaushalt finanzierten Bereiche, als auch zu anderen gesellschaftlich relevanten Problemen als eine vertikale Kommunikation ansehen. Ja, und Putins Teilnahme am X. Allrussischen Richter-Kongress; obgleich sie auch nicht als eine Veranstaltung dieser Art aussieht, befindet sich tatsächlich im Rahmen einer durchaus offensichtlichen Logik. Sie besteht darin, dass das Staatsoberhaupt die Vorbereitung zu seiner Jahresbotschaft an das Parlament voranbringt, die in der Realität eine Demonstration des aktuellen, des gegenwärtigen Bildes vom Präsidenten für die Eliten und das Volkdarstellt. Übrigens, im Kontext dieser Funktion – und sie ist auch die wichtigste für die Botschaften – sehen die zahlreichenden Prognosen darüber, dass Putin bis Ende dieses Jahres nicht mit einer derartigen Ansprache auftreten wird, als keine erstaunlichen aus.

Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl die Serie der gegenwärtig erfolgenden Treffen als auch die noch geplanten sich sozusagen als eine einzelne Episoden der Jahresbotschaft erweisen, die an die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen vermittelt werden. Beispielsweise wird der Präsident in einigen Tagen zur Sitzung des Präsidialrates für Menschenrechte kommen. Zu der traditionellen alljährlichen Beratung mit offiziellen Menschenrechtlern ist bereits die Vorbereitung durchgeführt worden: Aus dem Bestand des Gremiums ist eine bestimmte Anzahl unzuverlässiger Gesprächspartner ausgeklammert worden, die den Versuch unternehmen könnten, aus der geplanten Tagesordnung auszubrechen. (Überhaupt sind unter Kremlchef Putin die Menschenrechte in vielen Bereichen Russlands so ausgehöhlt worden, dass für viele Russen Pessimismus zur grundlegenden Einstellung geworden ist. – Anmerkung der Redaktion)

Was aber den in der vergangenen Woche stattgefundenen Richterkongress angeht, so ist entsprechend den Ergebnisses des Auftritts des Staatsoberhauptes dort klar geworden, dass er in diesem Bereich solch ein Bild sehen möchte: Die Richtervertikale setzt konsequent die Ideen einer „Humanisierung“ um, vernimmt die Nachfrage des Volkes nach Gerechtigkeit und unterstützt in nötigem Maße die Gesetzlichkeit. Jene Fakten und Erscheinungen, die aus der entsprechenden Reihe herausfallen, werden durch den Präsidenten nicht diskutiert, zumindest öffentlich. Übrigens, in den Plänen Putins steht eine erneute Begegnung mit dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, Valerij Sorkin, der beim erwähnten Kongress der Diener von Justitia aus irgendeinem Grunde begonnen hatte, von unangenehmen Sachen vom Typ der Möglichkeit oder Unmöglich, die Todesstrafe in Russland wiedereinzuführen, zu sprechen. Der Präsident wohnte dieser Wortmeldung bei, er hat aber in keiner Weise auf diese These reagiert.

Dabei lohnt es hervorzuheben, dass die Unterhaltung Putins mit eben jenen jungen Forschern oder Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten, die direkt eine heldenhafte Lebensweise verfolgen, eindeutig zeigt: Das Staatsoberhaupt ist klar auf Positives ausgerichtet (wobei er dafür mitunter auch bestimmte Zahlen schönfärbt oder sich von Jahr zu Jahr wiederholt, ohne dabei einzugestehen, dass seine Versprechen nur solche geblieben sind – Anmerkung der Redaktion). Bleibt die Frage: Wird dies für die taktischen Ziele gebraucht – sagen wir einmal im Rahmen der Sammlung von Material für die Jahresbotschaft? Oder ist dies jetzt solch eine dominierende Orientierung, die die Möglichkeit für unterschiedlichste Prognosen eröffnet?

Derweil hatte die kremltreue Soziologie in der vergangenen Woche die Offiziellen mit Umfragezahlen attackiert, die in der Gesellschaft eine Zunahme der Besorgnis um die Gegenwart und Zukunft demonstrieren. Traditionell untersucht die Stiftung „Öffentliche Meinung“ den Stand dieses Parameters. Und dort fixiert man bereits die zweite Woche in Folge einen Trend zur Zuspitzung derartiger Stimmungen. Dieses Mal hat sich jedoch auch das Allrussische Meinungsforschungszentrum dieser Sache angeschlossen, das sich üblicherweise an konservative Herangehensweisen hält. Öffentlich zugängliche Zahlen gibt es freilich bisher nicht. Aber die Führungskräfte der Agentur erklären öffentlich, dass die Befragten eine größere Objektivität bei der Beschreibung der aktuellen Wirklichkeit von den Offiziellen fordern würden. Allem nach zu urteilen – nicht nur hinsichtlich der militärischen Sonderoperation in der Ukraine, sondern augenscheinlich in Bezug auf die sozial-ökonomische Lage des Staates. (Letztlich ist dies auch eine Ohrfeige für die staatlichen Medien, die kräftig an der Verzerrung des Bildes von der wahren Situation mitwirken und damit immer mehr an Vertrauen verlieren. – Anmerkung der Redaktion)