Die Präsidenten Russlands und der Vereinigten Staaten, Wladimir Putin und Joseph Biden haben in der Nacht zum Freitag 50 Minuten lang miteinander telefoniert. In dem Gespräch, das auf Bitten Putins organisiert worden war, erörterten die Staatsoberhäupter die Tagesordnung der für den 10.-13. Januar geplanten sowohl bilateralen Verhandlungen zwischen der Russischen Föderation und den USA als auch der Kontakte Moskaus mit der NATO und der OSZE.
Die Nachrichtenagentur Reuters meldete unter Berufung auf einen hochrangigen Mitarbeiter der US-Administration, dass Putin und Biden „Bereiche für einen Fortschritt bei den anstehenden Diplomaten-Gesprächen ausgemacht haben, aber auch Bereiche, wo sich das Erreichen einer Einigung als unmöglich erweisen kann“. Washington hat unter anderem seine Meinung hinsichtlich dessen nicht geändert, dass die Fragen eines NATO-Beitritts „die souveränen Länder selbst treffen müssen, wobei sie sich mit der Allianz konsultieren, und nicht irgendein anderer“.
Nach Einschätzung des Gesprächspartners der Agentur sei der Gesprächston beider Staatsmänner ein ernsthafter gewesen. Und das Gespräch an sich – ein inhaltsreiches. „Die Vereinigten Staaten werden weiter sehr aufmerksam die Forcierung der Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine durch Russland und die Bewegungen dieser Truppen verfolgen“, fügte die Quelle hinzu.
In der Erklärung des Kremls, die zu den Ergebnissen des Gesprächs der Präsidenten verbreitet wurde, wird betont, dass „von der russischen Seite aus eine erschöpfende Antwort auf die erneut von Joseph Biden erwähnte Variante für das Ergreifen „großangelegter“ Sanktionen gegen Russland im Falle einer Eskalation der Situation um die Ukraine gegeben wurde“. „Unter anderem ist gesagt worden, dass dies zu einem überaus ernsthaften Fehler werden würde, der faktisch einem vollkommenen Abbruch der russisch-amerikanischen Beziehungen gleichkommt“, wird in dem Dokument unterstrichen.
Zur gleichen Zeit wird in dem russischen Statement betont, dass Biden im Gesprächsverlauf unterstrichen hätte, dass „Washington keine Absichten hat, auf dem Territorium der Ukraine offensive Angriffswaffen zu stationieren“. Obgleich in der Erklärung des Weißen Hauses zu den Gesprächsergebnissen eine derartige Zusage nicht erwähnt wird.
Die Pressesprecherin des US-Präsidenten Jen Psaki betonte, dass Biden Russland zu einer Deeskalation der Spannungen in den Beziehungen mit der Ukraine aufgerufen hätte. „Er hat erläutert, dass die USA sowie deren Verbündete und Partner eine entschiedene Antwort erteilen werden, wenn Russland erneut in die Ukraine einrückt“, sagte Psaki. Aus ihren Worten folgt, dass Biden Putin die Bedingung für das Erreichen eines Fortschritts bei den Januar-Verhandlungen formulierte: „Präsident Biden hat bekräftigt, dass sich ein wesentlicher Fortschritt in diesen Dialogen nur unter den Bedingungen einer Deeskalation und keiner Eskalation vollziehen kann“.
Ein Vertreter des Weißen Hauses, der mit Journalisten unter Bedingungen einer Nichtnennung seines Namens gesprochen hatte, fügte der Erklärung von J. Psaki hinzu, dass Biden auch über eine Verstärkung der Ostflanke der NATO und Hilfe für die Ukraine gesprochen hätte. Nach seinen Aussagen hätte Biden zwei Wege einschließlich der Diplomatie dargelegt. „Der andere Weg ist der, der in einem größeren Maße auf eine Zügelung abzielt, inkl. Ernsthafter Aufwendungen und Konsequenzen, wenn Russland beschließt, einen Einmarsch in die Ukraine fortzusetzen“. Diese Möglichkeiten umfassen Maßnahmen, die Russland faktisch vom globalen Wirtschafts- und Finanzsystem loslösen würden.
Seinerseits hatte der außenpolitische Berater des russischen Präsidenten, Jurij Uschakow, im Verlauf eines analogen Briefings mitgeteilt, dass das Gespräch der Präsidenten ein ernsthaftes gewesen sei. Nach seinen Worten hätte Putin Biden gesagt, dass die Verhandlungen zu den Sicherheitsgarantien für Russland „nicht zu einem Geschwätz ausarten dürfen“ und dass Moskau von ihnen konkrete Ergebnisse erwarte – und dabei schnell. „Wir werden gucken, wie die Verhandlungen laufen werden – zwei Tage, drei Runden. Weiter werden wir Schlussfolgerungen ziehen“, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti Uschakow.
Er legte die konkreten Pläne Moskaus in Bezug auf die Ukraine nicht offen, doch hat er auf die Karibik-Krise (im Oktober 1962 – Anmerkung der Redaktion) verwiesen, als die USA mit militärischen Handlungen als Antwort auf die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba gedroht hatten. „Unser Präsident hat besonders unterstrichen, dass wir uns in dieser Situation -einer recht schwierigen – so verhalten werden, wie sich die USA verhalten würden, wenn Offensivwaffen unweit der amerikanischen Grenzen stationiert werden würden“, sagte er.
Die beiden Präsidenten haben zweimal innerhalb eines Monats miteinander gesprochen. Am 7. Dezember unterhielten sie sich zwei Stunden lang im Rahmen einer Videokonferenz. Biden hatte damals Putin gewarnt, dass der Westen „strenge Wirtschafts- und andere Maßnahmen“ ergreifen werde, wenn Russland in die Ukraine einrücke. Putin hatte als Antwort die Garantien verlangt, dass sich die NATO nicht gen Osten erweitern werde. Im Westen hat man die Forderungen Russlands als ein unzulässiges Ultimatum aufgefasst.