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Putin unterstützte keine Sonderoperationen im Innern des Landes


Die Jahresbotschaft an die Föderale Versammlung hat am 21. Februar nicht die Prognosen über eine angeblich ganze Serie von Sonderoperationen im Landesinnern bestätigt. Die Wahlen, darunter auch die des Präsidenten der Russischen Föderation, werden termingerecht erfolgen. Und für die Menschen, die Russland verlassen haben, werde es keine Bestrafung geben. Die Herrschenden haben versprochen, die Freiheit des Kultur- sowie des wissenschaftlich-kreativen Bereichs nicht anzutasten. Scheinbar werde es keine totale Mobilmachung der Gesellschaft und der Wirtschaft für einen „heiligen Krieg“ gegen die Aggression des Westens geben, obgleich sie auch konstatiert wurde. Und die Kampfhandlungen vor dem Hintergrund der friedlichen Entwicklung – oder umgekehrt – werden augenscheinlich jetzt als eine neue Normalität angesehen.

Präsident Wladimir Putin hatte beinahe direkt demonstrativ keinerlei Erwartungen von der Jahresbotschaft an das Parlament gerechtfertigt, die er traditionsgemäß an ein weitaus größeres Auditorium sowohl in Russland als auch im Ausland richtete.

Allem nach zu urteilen, war der Informationsrummel vor der Rede an die Nation nicht nur auf eine Verstärkung der Aufmerksamkeit für den Auftritts des Kremlchefs gerichtet, sondern spielte auch die Rolle eines gewissen Monitorings. Der Sturm von kursierenden Informationen und Prognosen war dazu bestimmt gewesen, die dominierenden Meinungen über die politischen Perspektiven in der Führungsklasse, Medien-Community und unter den aktiven Vertretern des gesellschaftlichen Lebens zu ermitteln. Und dies vor allem dafür, damit sich die Jahresbotschaft ganz bestimmt nicht in die eine oder andere Matrix einfügt. Das heißt für eine Unterstützung des universellen Prinzips „Putin handelt nicht unter Druck“.

Das Staatsoberhaupt hat dies in der Jahresbotschaft am 21. Februar deutlich gezeigt, indem er auf das Deklarieren selbst der am meisten von ihn erwarteten Entscheidungen verzichtete. Immerhin hätte ein Großteil von ihnen eine Verschärfung des innenpolitischen Kurses bedeutet. Somit kann angenommen werden, dass die Kohorte der sattsam bekannten „Turbo-Patrioten“ von Putin ernsthaft enttäuscht wurden. Dies kann man aber nicht von den russischen Durchschnittsbürgern sagen. Laut dem staatlichen Meinungsforschungszentrum VTsIOM hielten 45 Prozent der Befragten die Botschaft als eine vollkommen positive und 36 Prozent – für eine eher positive (elf Prozent gaben dem Putin-Auftritt eine negative Bewertung).

Da aber das Heer der „Turbo-Patrioten“ für die Regierenden nur minimal gefährlich werden kann, war in der Jahresbotschaft nichts über das Wichtigste gesagt worden, über die Mobilmachung der Gesellschaft und der Wirtschaft für einen „heiligen Krieg“ gegen den Westen und dessen Handlungen im Verlauf des Ukraine-Konflikts. Letzterer war erheblich minimiert worden. Anstelle einer Beschreibung der militärischen Sonderoperation als eine gewisse Krise für den Staat, die ohne viel Aufsehen ihren ersten Jahrestag erlebte, wurde die schwierige Situation rund um die schweren Kampfhandlungen als Argument für einen generellen Zusammenschluss der Gesellschaft ausgenutzt.

Derweil hatte der Beginn der Jahresbotschaft, die eine Stunde und 45 Minuten dauerte, solch eine Wende überhaupt nicht versprochen, denn der Kremlchef begann gerade seinen Auftritt mit der Ukraine, wobei er die üblichen Rechtfertigungen jener russischen Politik wiederholte, die seit 2014 verfolgt wird. Das Leitmotiv dieses Teils der Rede war ebenfalls bereits gut bekannt: Der Kreml hatte Frieden gewollt, der Westen hatte ihn aber betrogen, indem er aus der Ukraine ein bis an die Zähne bewaffnetes Anti-Russland schuf. Es sei klar, erinnerte Putin, dass solch eine Vorgehensweise bereits seit den Zeiten des Kolonialismus erfolge. Aber natürlich hatte der 70jährige erneut keine Antwort auf die Frage gegeben, warum dies für die Herrschenden der Russischen Föderation nicht damals klar gewesen sei.

Die einzige aktuelle Aussage zur militärischen Sonderoperation seitens des Präsidenten war das Statement: Je mehr weitreichende Waffen geliefert werden, desto weiter müssen sie verdrängt werden. Und selbst als das Wort „Nationalverräter“ hinsichtlich jener erklang, die die Sonderoperation nicht unterstützen und das Land verließen, kam es nicht zur erwarteten Fortsetzung. Putin gab lediglich zu verstehen, dass dies ihre Probleme in Bezug auf das eigene Gewissen seien. Rechtliche Konsequenzen müsse man nicht implementieren. Die seien nur für die aktiven Feinde. Und überhaupt, als der Präsident zu jenen Themen der Jahresbotschaft überging, die die einen oder anderen humanitären Bereiche tangierten, war ein wahres Sprudeln von Liberalismus zu erleben. Beginnend mit der Freiheit des Unternehmertums, das unbedingt bewahrt werden müsse, und bis hin zur Bestätigung des unbedingten Charakters der gemäß der Verfassung geplanten Wahlen in den Jahren 2023 und 2024.

Und die Aussage gerade von Putin über die Entwicklungsperspektiven der Kultur erwies sich ganz und gar als eine Sensation: „Der Staat wird alle Formen des kreativen Suchens unterstützen, der modernen und der traditionellen Kunst, des Realismus und des Avantgardismus, der Klassik und des Neuerertums. Die Sache besteht nicht in Genres und Richtungen. Die Kultur ist dazu berufen, dem Guten, der Schönheit und der Harmonie zu dienen, über mitunter sehr schwierige und widersprüchliche Fragen des Lebens nachzudenken und – das Wichtigste – nicht die Gesellschaft zu zerstören, sondern die besten menschlichen Eigenschaften zu wecken“. Ein liberales Vorgehen war durch den Präsidenten überhaupt in Bezug auf den gesamten wissenschaftlich-kreativen Bereich versprochen worden.

Laut Zahlen von Mediascope, einer Firma, die die Zuschauerzahlen der elektronischen Medien Russlands ermittelt, haben 13,7 Millionen Bürger Russlands die Jahresbotschaft von Wladimir Putin gesehen. Immerhin hatten sich gleich sechs TV-Kanäle dafür hergegeben, diese Rede auszustrahlen. Der Nachrichtensender Rossia 23 machte dies im Übrigen nicht nur einmal am 21. Februar. Die Wirkung war daher eine entsprechende. 74 Prozent der von Putin angesprochenen Fragen seien bedeutsame gewesen, ermittelte VTsIOM. 82 Prozent hielten die Jahresbotschaft für eine interessante (16 Prozent waren entgegengesetzter Meinung). Und 78 Prozent erklärten gegenüber den Soziologen aus dem staatlichen Meinungsforschungszentrums, dass die Putin-Ansprache eine aufrichtige gewesen sei. Bei der 17. Jahresbotschaft im April 2021 waren nur 72 Prozent dieser Auffassung.