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Rachmon vor der 5. Amtszeit


Man hat Tadschikistans Staatsoberhaupt Emomali Rachmon als Kandidat zur Teilnahme an den am 11. Oktober anstehenden Präsidentschaftswahlen nominiert. Sein Sieg löst keine Zweifel aus. Dennoch wird das Protokoll eingehalten. Als Konkurrenten hat man ihm Vorsitzende von in der Republik registrierten politischen Parteien und Parlamentsabgeordnete ernannt. Ins Szenario mischte sich zeitweise aber ein unabhängiger Kandidat, der Anwalt Faromuz Irgaschew aus der osttadschikischen Region Berg-Badachschan, ein. Zeitweise, da er es nicht geschafft hatte, bis zum 15. September 210.000 Unterschriften zu seiner Unterstützung in der Zentralen Wahlkommission vorzulegen. Eine weitere Intrige der Wahlen ist: An ihnen wird der ältere Sohn des Präsidenten – Rustam Emomali – nicht teilnehmen.

Emomali Rachmon fing im Jahr 2016 an, den Machttransit mit Veränderungen in der Verfassung Tadschikistans vorzubereiten. Vorbereitet wurde die gesamte Gesetzesbasis, damit Rustam Emomali den Staat anführen kann (siehe Printausgabe der „NG“ vom 16.04.2020 – https://www.ng.ru/cis/2020-04-16/5_7846_tajikistan.html). Im letzten Moment jedoch „hatte sich Rachmon davon überzeugt“, wie der Moskauer Politologe Arkadij Dubnow meint, „dass der nicht bereit ist, dieses Amt zu bekleiden“. Außerdem hätte die Nominierung von Rustam Emomali die Beziehungen des amtierenden Staatschefs mit dessen Familie belastet. „Dies drohte, zu einem bestimmten Zwiespalt in der Familie und im eigentlichen Machtsystem in Tadschikistan zu führen, das ein klassischer asiatischer Nepotismus ist. Das heißt, die Herrschaft ist nach dem Familienprinzip aufgebaut. Die Hauptintrige ist meiner Ansicht die, dass Rustam Emomali nicht zu den Wahlen antritt“, betonte Dubnow.

Die Verfassungsänderungen wollte der 30jährige Anwalt aus Chorugh, Faromuz Irgaschew, ausnutzen. Es sei daran erinnert: In Tadschikistan können für das Amt des Staatsoberhauptes Personen gewählt werden, die das Alter von 30 Jahren erreicht haben. Die Änderungen an den Gesetzen der Republik, die die Altersgrenze für Präsidentschaftskandidaten und Parlamentsmitglieder betreffen, waren im Februar 2018 durch das tadschikische Parlament gebilligt worden. Für das Amt des Präsidenten kann sich der Bürger bewerben, der die Staatssprache beherrscht und mindestens die zehn letzten Jahre ständig auf dem Territorium von Tadschikistan lebt. Unter diese Kriterien fielt Irgaschew. In seiner Videoansprache an das Volk erklärte er, dass er bereit sei, für das Amt des Präsidenten Tadschikistans zu kandidieren und im Falle eines Sieges „hart gegen die Korruption im Machtapparat kämpfen wird“.

„Zusammen mit dem einfachen Volk Tadschikistans müssen wir die Regierung Tadschikistans von den Beamten säubern, die ihre Arbeitsplätze in persönliche Domänen verwandelten und keinen dorthin lassen“, hatte er in seinem Video erklärt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ansprache waren nach Aussagen von Irgaschew es ihm und seinem Team gelungen, 38.000 Unterschriften zu sammeln. Weiter informierte er, dass in seinem Team Freiwillige arbeiten. „Doch um die Sache bis ans Ende zu bringen und die erforderliche Anzahl von Unterschriften zu sammeln, brauche ich Eure Hilfe“, wandte er sich an seine Anhänger, von denen er viele hat. 

In der Republik war man von seiner Zuversicht, in der Zentralen Wahlkommission Tadschikistans registriert zu werden, erstaunt, da laut dem Gesetz „Über die Wahlen“ für das Amt des Präsidenten Tadschikistans nur Vertreter politischer Parteien, Gewerkschaften und der Räte der Volksabgeordneten nominiert werden können. Irgaschew hatte jedoch behauptet, dass es im Gesetz kein direktes Verbot für einen einfachen Bürger gebe, selbständig seine Kandidatur für das Amt des Staatsoberhauptes vorzuschlagen. Alles, was durch ihn in diesem Fall getan werden muss, in der Zentralen Wahlkommission 210.000 Unterschriften vorzulegen. 

Irgaschew schaffte es nicht, die notwendige Anzahl von Stimmen zu sammeln. Mehr noch, nach Veröffentlichung seines Videoappells kamen Mitarbeiter der örtlichen Verwaltung des Staatskomitees für nationale Sicherheit in sein Haus, wie Radio „Ozodi“ (der tadschikische Dienst von Radio Liberty) meldete. Er selbst dementierte diese Informationen auf seiner Facebook-Seite. Eine Quelle in Chorugh berichtete jedoch der „NG“, dass ein Gespräch dennoch stattgefunden hatte. Die Vertreter des Inlandsgeheimdienstes hatte sich höflich dafür interessiert, wer hinter ihm stehe.

Faromus Irgaschew ist 30 Jahre alt, war 2015 bis 2020 Abgeordneter der Majlis (des Regionalparlaments) des Autonomen Verwaltungsgebietes Berg-Badachschan. Im März versuchte er, für das Unterhaus des tadschikischen Parlaments zu kandidieren, aber auch da bereits erfolglos. „Wenn mich die Zentrale Wahlkommission nicht registriert, so werde ich mich an die entsprechenden Gremien der UNO wenden“, warnte er vor dem 15. September in einem Interviw von Radio „Ozodi“. Dies nutzte freilich nicht, zumal er nicht die geforderte Anzahl von Unterschriften sammeln konnte. Doch um seine Anhänger vor möglichen Verfolgungen zu bewahren, ließ er bereits die entsprechenden Unterschriftenlisten vernichten.

Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistans boykottiert die Wahlen in diesem Jahr, und der Parteivorsitzende Rachmatillo Zoyirov sprach von Verstößen im Wahlprozess. Zoyirov ist der Auffassung, dass der amtierende Präsident Tadschikistans, Emomali Rachmon, kein Recht habe, Vorsitzender einer politischen Partei zu sein. „Überdies ist auch das Mehrparteiensystem im Land zerstört worden.“ Und im Land ist seinen Worten zufolge „faktisch ein Einparteiensystem geschaffen worden“. „Ich als ein Bürger Tadschikistans und Vorsitzender der SDPT beabsichtige nicht, an der Gewährleistung der Legitimität der diesjährigen ungesetzlichen, verfassungsfeindlichen und volksfeindlichen Wahlen des Präsidenten der Republik Tadschikistan teilzunehmen“, erklärte Rachmatillo Zoyirov.

Emomali Rachmon selbst hat schon längst seine Wahlkampfkampagne gestartet. Ungeachtet der Coronavirus-Epidemie bereist er Regionen, trifft sich mit Wählern, spricht von einem Aufblühen des Landes und wirft der Opposition Versuche einer Destabilisierung im Land vor (siehe Printversion der „NG“ vom 09.08.2020). Experten sind der Auffassung, dass die ganze letzte Zeit eine zielgerichtete Arbeit zur Diskreditierung der Opposition erfolge. Nach Meinung von Arkadij Dubnow würden die Wahlergebnisse keine Zweifel auslösen. Die ganze Frage bestehe nur darin, was für eine Zahl als Siegeszahl für den gegenwärtigen Präsidenten hingemalt werde. 

Emomali Rachmon befindet sich schon 28 Jahre an der Macht. Von 1992 bis 1994 bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des Obersten Sowjets. Und seit 1994 sitzt er im Präsidentensessel. Die anstehenden Wahlen am 11. Oktober werden die fünften für den Staatschef werden, bei denen vier weitere Namen auf den Stimmzetteln stehen. Für dekorative Zwecke, wie Beobachter meinen. Bereits im Jahr 2016 nahm man in Tadschikistan im Übrigen Verfassungsänderungen an, denen entsprechend das gegenwärtige Staatsoberhaupt unbegrenzt oft wiedergewählt werden kann. Vorausgesetzt die Gesundheit spielt mit. Auch die von Emomali Rachmon, der am 5. Oktober seinen 68. Geburtstag feiern wird.