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Rosatom hilft mit, das thermonukleare Puzzle zusammenzusetzen


Die Verwirklichung des Projekts zur Errichtung eines internationalen Kernfusionsversuchsreaktors ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor – Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor) ist in die entscheidende Phase getreten: In der südfranzösischen Gemeinde Saint-Paul-lès-Durance erfolgte eine Zeremonie zum Montagebeginn der Anlage. Wenn alles nach Plan verläuft, werden Ende des Jahres 2025, 15 Jahre nach Baubeginn, in der Anlage erstes Plasma erzeugt und später auch das Potenzial für eine Nutzung der Kernsynthese für die industriemäßige Erzeugung sauberer Energie bestätigt, was eine gewaltige Rolle bei der Wirtschaftsentwicklung des gesamten Planeten und der Lösung der Klima-Probleme spielen kann. Das Vorhaben ist eines der größten Beispiele für die internationale Zusammenarbeit in der Kernenergetik. An ihm arbeiten Russland, sämtliche EU-Mitgliedsstaaten, die USA, Indien, China, Südkorea und Japan zusammen. Der russische Beitrag ist einer der bedeutendsten. 

Zweck des ITER ist die Demonstration der Möglichkeit einer gesteuerten thermonuklearen Synthese mit Verbrennungszeit und Leistung industriellen Maßstabs für eine Nutzung für kommerzielle Ziele. Solch eine Aufgabe vermag nicht eine der bestehenden Kernfusionsanlagen in der Welt zu bewältigen. Dafür ist ein kolossaler Aufwand von Arbeiten erforderlich, die man nur im Rahmen einer internationalen Kooperation durchführen kann. Das Projekt besitzt eine lange Geschichte: Die Idee für die Errichtung eines internationalen thermonuklearen Reaktors war Mitte der 80er durch die Präsidenten der UdSSR, USA und Frankreichs Michail Gorbatschow, Ronald Reagan und Francois Mitterrand geboren worden. Zu endgültigen Vereinbarungen gelangte die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 2006. Und die Bauarbeiten wurden in Frankreich 2010 aufgenommen. Das Vorhaben ist aus der Sicht der Wissenschaft und Ingenieurtechnik ein außerordentlich kompliziertes. Der Reaktor besteht aus über eine Million Komponenten, die man projektieren, herstellen und mit der Präzision eines Juweliers miteinander verbinden muss. Hinsichtlich der Einmaligkeit der eingesetzten Entwicklungen kann man den ITER mit dem Großen Hadronen-Speicherring bzw. -Beschleuniger vergleichen. Doch in Bezug auf die Kosten hat er den um ein Mehrfaches überboten. 

Russland ist einer der Hauptinitiatoren für die Vereinigung der internationalen Anstrengungen zur Schaffung des Reaktors und nimmt eine der Schlüsselpositionen in dem Projekt ein. Dem liegt die Tokamak-Technologie (Tokamak — Toroidale Kammer in Magnetspulen) zugrunde, die durch sowjetische Wissenschaftler bereits in den 50er Jahren entwickelt wurde. Der russische Beitrag für den ITER wird mit 9 Prozent von den Kosten für die Errichtung gemäß dem technischen Projekt beziffert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben Unternehmen des Rosatom-Staatskonzerns bereits 22 Kilometer Leiter des toroidalen Felds und elf Kilometer Leiter des poloidalen Felds für den ITER geliefert. Insgesamt stellt Russland 25 Systeme für den Kernfusionsreaktor her. Unter ihnen sind eine Spule für das poloidale Magnetfeld, eines der Schlüsselelemente des Reaktors. Solche Spulen gewährleisten die Kontrolle der Lage und der Form des Plasmastrahls. Aber auch alle 18 oberen Anschlussstutzen der Vakuumkammer, die noch ein wichtiger Bestandteil der Anlage ist. Die Anschlussstutzen sind für Installierung der Diagnostikanlagen, die Ausrüstungen für das Aufheizen und Abpump- bzw. Absauganlagen notwendig, gewährleisten ein Eindringen in das Innere der Kammer und sind eine erste Sicherheitsbarriere. 

Alle Hauptsysteme des ITER sind bereits zur Baustelle in Frankreich gebracht worden. Am 28. Juli haben die Spezialisten des Projekts die Montage des Reaktors begonnen, nachdem aus diesem Anlass eine feierliche Zeremonie unter Beteiligung von Vertretern aller Seiten stattfand. „Heute tritt das ITER-Projekt in eine entscheidende Phase seiner Realisierung“, wird in einer Grußadresse von Russlands Präsident Wladimir Putin betont. „Ungeachtet der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie der Coronavirus-Infektion ist es gelungen, ein ununterbrochenes Tempo der Arbeiten zu sichern. Dies erlaubt, damit zu rechnen, dass die Ziele des Projekts zu den vorgesehenen Fristen erreicht werden. Und bereits in einer überschaubaren Perspektive werden wir eine hinsichtlich ihrer Leistung und Sicherheit einmalige Energiequelle erhalten, deren Betrieb zweifellos die Lösung der Aufgaben für eine stabile Wirtschaftsentwicklung und die Erhöhung der Lebensqualität von Millionen von Menschen fördern wird“.

Russland erfüllt seine Produktions- und finanziellen Pflichten im ITER-Projekt im vollen Umfang und in strikter Übereinstimmung mit dem Zeitplan, unterstrich Alexej Lichatschjow, Generaldirektor des Rosatom-Staatskonzerns. „Dass die Montage des Reaktors rechtzeitig begonnen hat, ist ein großer Verdienst Russlands. Die oberen Anschlussstutzen und die Stromschienen waren pünktlich hergestellt und den Partnern sowie auf die Baustelle des ITER geliefert worden. Besonders sei die weite Geografie der Arbeiten für den ITER in Russland hervorgehoben. In Sankt Petersburg erfolgen die Arbeiten zur Montage der Spule des poloidalen Felds. In Nishnij Nowgorod sind die ersten vier Gyrotrons gefertigt und getestet worden. In Moskau, Sankt Petersburg, Kasan, Podolsk und Nowosibirsk erfolgen die Entwicklung und Herstellung von sieben Diagnostik-Komplexen, die für die Gewährleistung der groß angelegten Forschungsarbeiten im Stadium des ersten Plasmas und bei den künftigen Experimenten notwendig sind“, erzählte er. 

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lenkte bei der virtuellen Feier die Aufmerksamkeit darauf, dass der ITER ein Beispiel für eine effektive internationale Kooperation sei. „Es gibt Momente, in denen verschiedene Länder bestehende Meinungsverschiedenheiten überwinden, um einen gemeinsamen Beitrag für die Geschichte zu leisten. Solch ein Projekt, das zu einem wissenschaftlichen Durchbruch und einem vereinigenden Faktor für viele Staaten werden kann, ist der ITER. Ich bin darauf stolz, dass gerade in Frankreich das Projekt realisiert wird, das zur Zukunft der Menschheit wird“, sagte der Staatschef in einer vorab aufgezeichneten Videobotschaft. 

Das Vorhaben ist bereits zu 75 Prozent verwirklicht worden. Doch der verbliebene Teil ist der komplizierteste, der mit dem Zusammensetzen eines riesigen dreidimensionalen Puzzles unter den Bedingungen eines straffen Zeitplans vergleichbar ist, betonte ITER-Generaldirektor Bernard Bigot. „Alle Aspekte des Projektmanagements, der ingenieurtechnischen Arbeiten, des Risiko-Managements und der Logistik im Zuge der Montage des Reaktors müssen mit der Präzision schweizerischer Uhren zusammenspielen. Dies ist jenes schwierige Szenario, dem wir im Verlauf mehrerer Jahre folgen werden.“ „Wenn die thermonukleare Energie zu einer globalen als Ergänzung zu den erneuerbaren Energiequellen wird, können der Einsatz von Elektrizität erheblich erweitert und dabei die Treibhausgasemissionen durch die Verkehrsmittel, Gebäude und Industrie reduziert werden“, hofft der Projektleiter. „Die Möglichkeit, ausschließlich reine Energie zu nutzen, wird zu einem Wunder für unseren Planeten.“