Von Russland wird verlangt, seine „Söldner“ aus der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) abzuziehen. Mit einer entsprechenden Erklärung meldeten sich Offizielle der USA zu Wort, nachdem UNO-Strukturen den kompletten Wortlaut eines Reports veröffentlicht hatten, den eine Expertengruppe der Organisation zur ZAR vorbereitet hatte. In dem heißt es, dass die Handlungen der in Zentralafrika entfalteten russischen Kräfte über den Rahmen eines üblichen Trainings einheimischer Militärangehöriger hinausgehen, aber auch oft den internationalen Normen widersprechen würden. Allerdings sind die Vorwürfe der Expertengruppe nicht verifizierbar. Sie basieren auf Aussagen einzelner Augenzeugen, deren Identität aufgrund „nicht zu akzeptierender Risiken hinsichtlich der Sicherheit“ nicht festgestellt werden kann.
Mit Anschuldigungen an die Adresse Russlands war die ständige Vertreterin der USA bei der UNO, Linda Thomas-Greenfield, aufgetreten. „Die Vereinten Nationen haben Beweise einschließlich Aussagen von Zeugen vorgelegt, die die Gewalt und Missbräuche beschreiben, die in der ZAR durch Söldner verübt wurden, die bei einer Abteilung des russischen Verteidigungsministeriums arbeiten“, heißt es in der Erklärung der amerikanischen Diplomatin. „Es geht unter anderem um die Ermordung von Zivilisten, den Raub von Eigentum humanitärer Organisationen und andere schreckliche Handlungen“. Aus der Sicht von Thomas-Greenfield müsse die russische Seite „unverzüglich die Gewalt beenden, die Schuldigen bestrafen und die Söldner entfernen, die die UN-Friedenssoldaten und deren Arbeit zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der ZAR gefährden“.
Der Report war durch die Gruppe der UNO eine Woche zuvor vorgelegt worden. Sein vollständiger Wortlaut ist jedoch erst jetzt erschienen. In ihm sind Anschuldigungen an die Adresse russischer Instrukteure enthalten, die durch Moskau auf legitimer Grundlage nach Zentralafrika zwecks Schulung der nationalen Armee dieses Landes entsandt worden waren. Dabei wird in dem Bericht die Position der Russischen Föderation erwähnt. Die Experten hätten nach ihren eigenen Aussagen von Moskau die Erklärungen erhalten, dass dessen Instrukteure „nicht an Militäroperationen teilnehmen“. Und „deren Aufgaben beschränken sich auf die Organisierung der Lehrausbildung von Kadetten der zentralafrikanischen Streitkräfte“, das Training von Mitarbeitern der Polizei und Gendarmerie, die Beförderung einheimischer Truppen in Operationsgebiete, die Gewährung von Consulting-Hilfe für sie und die Gewährung materiell-technischer Unterstützung.
Dennoch geht es jedoch in dem mehr als 180 Seiten umfassenden Report mit Verweis auf Augenzeugen darum, dass Bürger Russlands unmittelbar an Kampfhandlungen teilgenommen hätten. „Viele Quellen betonten, dass die russischen Instrukteure häufiger Einheiten der zentralafrikanischen Streitkräfte bei der Offensive gegen verschiedene Städte und Dörfer anführten denn ihnen folgten“, heißt es in der Untersuchung. „Militärangehörige und Offiziere der zentralafrikanischen Streitkräfte in den Rängen bis zu einem Oberst, die in Gebieten aktiver Kampfhandlungen disloziert waren, berichteten, dass sich die russischen Instrukteure recht eigenständig halten und es mitunter nicht einfach ist, mit ihnen zu kommunizieren, und erklärten, dass sie das Geschehen nicht als Absolvierung einer Lehrausbildung wahrnehmen“.
Die Expertengruppe wirft daneben den Russen Verletzungen des internationalen humanitären Rechts vor, die, wie in der Untersuchung erklärt wird, „einen übermäßigen Einsatz von Gewalt, wahllose Tötungen, die Besetzung von Schulen und Plünderungen im großen Umfang, darunter von Eigentum internationaler humanitärer Organisationen“ umfassen. Die UNO-Gruppe lastet den russischen Instrukteuren „willkürliche Festnahmen und Tötungen von Zivilisten“ an, was angeblich den „ununterbrochenen Zyklus von Gewalt im Land“ verschlimmert habe. Was die ausländischen Söldner angeht, so wird in der Untersuchung mehrfach erwähnt, dass „unter den Instrukteuren Personen waren, die sich als Bürger Libyens, der Syrischen Arabischen Republik und anderer Länder vorstellten“.
Der Report der Expertengruppe, der einen Zeitraum vom 1. September 2020 bis 12. Mai 2021 umfasst, besitzt eine recht instabile Beweisgrundlage. Die Schlussfolgerungen stützen sich in Vielem auf Aussagen einheimischer Augenzeugen und Fotobeweisen. Es erweist sich als fast unmöglich, die Informationen zu verifizieren. In dem Bericht heißt es gesondert: „Ungeachtet dessen, dass die Gruppe beabsichtigt, so weit wie möglich transparent in ihrer Arbeit zu sein, behält sie in Situationen, in denen eine Preisgabe der Identität der Quellen sie und andere Personen nicht zu akzeptierenden Risiken aus der Sicht der Sicherheit aussetzen kann, die identifizierenden Informationen zurück“. Freilich behaupten die Experten, dass sie während der Arbeit zwölf der 16 Präfekturen der ZAR, aber auch Nachbarländer besucht hätten.
Bei einem Briefing wies der ständige Vertreter der Russischen Föderation bei der UNO, Wassilij Nebensja, die Schlussfolgerungen der Experten zurück. „Wir haben diesen Bericht gesehen, ihn analysiert und Kommentare zu ihm vorgelegt, die übrigens vollkommen ignoriert worden sind“, versicherte er. „Dies ist genau die gleiche Geschichte – unbegründete Anschuldigungen; Beweise, Gott weiß wo zusammengetragen; Zeugen, die man nicht identifizieren kann; Fotos weißer Menschen, von denen behauptet wird, dass sie Russen seien, so als wäre jegliche Menschen mit weißer Hautfarbe Russen“. Nebensja betonte: „In einem der Punkte des Reports heißt es, dass im Mai des Jahres 2021 ein Mann mit einer großen Menge an Waffen festgenommen wurde. Laut Medienberichten sei er mit einem Auto mit einer russischen Flagge herumgefahren. Dies macht ihn zu einem Bürger Russlands?“.
Es ist schwer, die Situation außerhalb des Kontexts der Konkurrenz der internationalen Akteure auf dem afrikanischen Kontinent zu betrachten. Moskau versucht, die Lebensfähigkeit der offiziellen Regierung unter Führung von Präsident Faustin-Archange Touadéra in deren Kampf gegen die aufständischen Formationen zu sichern. Russlands Anwesenheit gibt jedoch unweigerlich der Diskussion über den Einsatz nichtstaatlicher Militärsubjekte und der Zunahmen deren Einflusses einen Impuls. Allerdings hat ungeachtet dessen, dass dieser Teil Afrikas in den Interessenbereich der USA fällt, die amerikanische Seite bis heute keinen Appetit dahingehend demonstriert, aktiv auf die Involviertheit anderer Akteure in der ZAR einzuwirken. Folglich kann die Serie von Vorwürfen auch nicht zu einem neuen Punkt für das Ausüben von Druck auf den Kreml werden.