Kasachstan und „Gazprom“ haben eine Roadmap für die Zusammenarbeit im Gas-Sektor unterzeichnet. Astana ist an einer Modernisierung seines Gastransportsystems, eines Anschlusses der nördlichen und östlichen Regionen der Republik an eine zentrale Gasversorgung, einer Aufstockung der Transportmengen an russischen Energieträgern in Drittländer, aber auch an einer Verarbeitung kasachischen Erdgases im Orenburger Gasverarbeitungsbetrieb interessiert. Das „Gas-Bündnis“ der Russischen Föderation, Kasachstans und Usbekistans nimmt Konturen an. An der Reihe ist Taschkent, mit dem die Verhandlungen andauern.
Die beiden Gasförder-Länder Zentralasiens – Kasachstan und Usbekistan – wurden in diesem Winter mit einem Brennstoffmangel auf dem Binnenmarkt konfrontiert. Während in Usbekistan das eigene Erdgas nicht ausreicht, ist Kasachstan, dass weltweit den 3. Platz in Bezug auf die Gasvorräte einnimmt, gezwungen, Brennstoffe in der Russischen Föderation zu erwerben.
Nach Aussagen von Energieminister Bolat Aktschulakow würden im laufenden Jahr vier Milliarden Kubikmeter Gas importiert werden, bis zu zehn Milliarden Kubikmeter gas bis zum Jahr 2024. Der Verbrauch von Energieträgern wird zunehmen. Dies hängt mit der Umstellung der Wärmekraftwerke von Almaty und mehrerer Industriebetriebe auf Erdgas, mit der Inbetriebnahme gaschemischer Komplexe und insgesamt mit den Arbeiten zum Anschluss der Landesregionen an eine zentrale Gasversorgung zusammen. Außerdem stehen in dieser Hinsicht derzeit die nördlichen und östlichen Gebiete der Republik in den Plänen obenan.
Außerdem besteht die Gefahr einer Nichteinhaltung des Vertrages mit China, dementsprechend Kasachstan verpflichtet ist, mindestens zehn Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr zu liefern. Wie aber der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens QazaqGaz, Sanschar Scharkeschow, meint, werde der Gasexport bereits im Jahr 2023 eingestellt, da alle Brennstoffe für eine Befriedigung des Inlandsbedarfs eingesetzt werden würden.
Die Situation könnte die Etablierung eines Gas-Bündnisses der drei Staaten – Russland, Kasachstan und Usbekistan – beheben. Jede der Seiten hat seine eigenen Interessen. Für die Russische Föderation ist es wichtig, ihr Gas von der europäischen Richtung nach Asien umzuleiten. In diesem Fall treten Kasachstan und Usbekistan als Transitländer auf. Astana und Taschkent können die fehlenden Brennstoffmengen für eine Befriedigung des Binnenmarktes erhalten. Aber die Verbündeten, die Angst vor einer Abhängigkeit von Russland haben, enthalten sich bisher einer Zustimmung zum Angebot des russischen Präsidenten aufgrund der Bedingungen von „Gazprom“. Die Gespräche dauern aber an. Und es gibt bereits ein erstes Ergebnis.
In Sankt Petersburg erfolgte am 18. Januar ein Arbeitstreffen von „Gazprom“-Chef Alexej Miller und des 1. Vizepremiers Kasachstans, Roman Skljar, zu denen Ergebnissen eine Roadmap für eine Zusammenarbeit im Gas-Sektor unterzeichnet wurde. Details des Dokuments sind bisher nicht publik geworden. Aber wie Experten meinen, sei dies der erste Schritt bei der Schaffung einer Gas-Union, durch die alle gewinnen würden.
„Die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Kasachstan und „Gazprom“ ist einer der Schritte zur Etablierung eines großen Projekts, das man üblicherweise als Dreier-Bündnis bezeichnet“, sagte der „NG“ Andrej Grosin, Leiter der Abteilung für Mittelasien und Kasachstan des Instituts für die GUS-Länder und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften. Somit habe Russland die Realisierung einer neuen Energiestrategie begonnen, die von der westlichen Richtung auf die südliche umorientiert werde. „Dies ist bereits ein neuer staatlicher Kurs Russlands. Und es ist offensichtlich, dass weder Astana noch Taschkent auf eine Beteiligung an diesem Projekt verzichten können. Experten sind sich in der Meinung einig, dass bereits bis Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts Südostasien zur hauptsächlichen Energie verbrauchenden Region werde. Die Erweiterung des Gaspipeline-Netzes – wie fantastisch dies derzeit auch klingen mag – nach Afghanistan, Pakistan, Indien und China wird bald zu einer Realität. Daher ist es erforderlich, schon jetzt seine Rohstoffe auf die südlichen Märkte zu bringen“, meint Grosin.
Kasachstan, das eine zentrale Stellung im eurasischen Raum einnimmt, werde nur gewinnen. „Nicht zufällig hatte Nursultan Nasarbajew Kasachstan als ein Transitterritorium für die Warenströme und Energieressourcen aus dem Osten gen Westen propagiert. Heute wird die Republik im Zusammenhang mit der sich veränderten Konjunktur, wobei nicht nur aufgrund politischer Erwägungen, sondern auch aufgrund rein wirtschaftlicher, zu einem Transitterritorium für ein Voranbringen eben jener Ströme, aber bereits in einer entgegengesetzten Richtung. Vor unseren Augen ergibt sich ein interessantes geo-energetisches Bild, in das sich Kasachstan einfügen kann“, meint der Experte.
Usbekistan werde mit Blick auf Kasachstan, dessen Position sich hinsichtlich der Gestaltung einer Gas-Union verändert hätte, ebenfalls nachziehen, betonte Bachtijer Ergaschew, Direktor des Zentrums für Forschungsinitiativen Man’o. „Die nachgewiesenen Gasvorräte nehmen in Usbekistan nicht zu. Mehr noch, es ist eine gleitende Verringerung der geförderten Gasmengen fixiert worden. Dabei nimmt die Bevölkerungszahl zu. Dementsprechend nehmen auch die Bedürfnisse hinsichtlich des Erdgaskonsums zu. Und dies ist eine langfristige Tendenz. Unter diesen Bedingungen wird Taschkent eine strategische Entscheidung zum Gas fällen. Usbekistan kauft schon zwei Jahre lang Erdgas von Turkmenistan. Die Sache ist aber die, dass dies ein sehr launischer Lieferant ist. Außerdem geht das ganze turkmenische Gas nach China, dass die praktische Realisierung eines vierten Strangs der Gaspipeline Turkmenistan-China beginnt. Daher wird Usbekistan stets der zweite in der Warteschlange sein. Für Usbekistan ist es lebenswichtig, neue Quellen für den Erhalt von Erdgas mit der Möglichkeit, dessen Lieferungen zu erweitern, zu finden. Die einzige Variante ist Russland“, sagt Ergaschew.
Russland begreife nach Meinung des Experten die Abhängigkeit vom russischen Erdgas und schlage eine Zusammenarbeit zu seinen Bedingungen vor. Es will unter anderem die Pflichten Taschkents hinsichtlich des Gasexports nach China übernehmen, diese Mengen aber für die internen Bedürfnisse einsetzen. „Gazprom“ ist gleichfalls bereit, Gaspump-Kapazitäten Usbekistans zu übernehmen. Es geht dabei um den usbekischen Abschnitt der Gaspipeline Mittelasien – Zentrum. „Soweit mir bekannt ist, ist Taschkent nicht bereit, sie zu übergeben. Eine der Varianten kann ein gemeinsamer Besitz sein. Es ist zu erwarten, dass dies ein Stolperstein im Verhandlungsprozess sein wird. Usbekistan braucht aber Erdgas. Daher wird sich Taschkent einigen. Eine zweiten solchen Winter wird die Bevölkerung nicht überstehen. Schon jetzt gibt es ein ernsthaftes Aufkommen von sozialen negativen Inhalten. Und alle erzielten Ergebnisse im Verlauf der Reformen der letzten fünf Jahre können nivelliert werden, wenn die Gasfrage nicht geklärt wird“, nimmt Ergaschew an.
Stanislaw Prittschin, wissenschaftlicher Oberassistent des Zentrums für postsowjetische Studien am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, betonte, dass, wenn man in Astana und Taschkent das Gas-Bündnis durch das geopolitische Prisma betrachte und die Befürchtungen im Hinterkopf habe, unter die Sanktionen des Westens zu geraten, so werde es keine Gewinner geben. Solch eine Position sei an sich konterproduktiv, da sie von Anfang an einen Konflikt voraussetze und gegen die Interessen der eigentlichen Bündnis-Teilnehmer spiele.
„Der Jahresbeginn hat in Usbekistan gezeigt, dass es weder innere Ressourcen noch äußere Akteure gibt, die bereit wären, als Garant für die Energiesicherheit des Landes aufzutreten. Turkmenistan hat geringe Mengen an freiem Erdgas. Aber unter den Bedingungen des Force-majeure-Regimes sind sie eingefroren. Wenn man die Energiebilanzen der Region beurteilt, so kann nur Russland zu einer Quelle von Energieressourcen für Usbekistan werden, wo der Verbrauch die Erzeugung überstiegen hat. Dafür muss es Gas über das Territorium von Usbekistan nach China exportieren und das Gasverteilungssystem der Republik übernehmen, zumal „Gazprom“ bereits das kirgisische Gastransportsystem kontrolliert, das mit Usbekistan gekoppelt ist. Dementsprechend werden für den russischen Konzern zusätzliche Möglichkeiten für eine Erweiterung der Arbeit am Boden und die Distribution von Gas an die Bevölkerung geschaffen“, sagte Stanislaw Prittschin der „NG“.