In Moskau ist man der Auffassung, dass die Republik Moldowa endgültig gen Westen gehen werde. Über diese Wahl des offiziellen Kischinjows hat man im Außenministerium der Russischen Föderation gesprochen, wobei betont wurde, dass „Moldawien nach dem Machtantritt der proeuropäischen Kräfte in den Jahren 2020-2021 begonnen hat, schrittweise die Kontakte mit Russland, der GUS und der Eurasischen Wirtschaftsunion, wo es übrigens einen Beobachterstatus hat, zurückzufahren“. Dabei sind laut Umfragen einer soziologischen Untersuchung, die im April vorgenommen wurde, 60 Prozent der Bürger der Republik der Auffassung, dass die Russische Föderation der wichtigste strategische Partner Moldawiens bleiben sollte. 39 Prozent der Bürger der Republik Moldowa sehen die EU in dieser Rolle, 22,9 Prozent die USA. Dabei sind die Vereinigten Staaten an erster Stelle unter den Ländern, mit denen nach Meinung der Einwohner Moldawiens Kischinjow die Partnerschaftsbeziehungen abbrechen sollte. Gleichfalls sind die meisten Bürger Moldawiens – 50,4 Prozent – der Auffassung, dass Kischinjow weiterhin Gas vom russischen Konzern „Gazprom“ kaufen sollte, 17,3 Prozent – dass seine Quelle diversifiziert werden sollten, 13,8 Prozent, dass man in Rumänien Gas kaufen müsse.
Auch im April hatten sich 72 Prozent der Einwohner von Moldawien noch gegen eine Unterstützung der antirussischen Sanktionen ausgesprochen. Freilich hat sich diese Haltung inzwischen geändert, wenn man Umfrageergebnisse des Unternehmens CBS Research analysiert, die vom 27. April bis 6. Mai gewonnen wurden. Laut eben diesen Angaben sind mehr als 40 Prozent der Bürger Moldawiens der Auffassung, dass Russlands Aktionen in der Ukraine unbegründete seien. Generell wird aber klar, was die Bürger möchten und wer tatsächlich anstrebt, die Kontakte mit der Russischen Föderation zu drosseln. Dies illustrieren in den letzten Tag gut die in Moldawien zunehmenden Protestaktivitäten. Die Protestierenden rufen dazu auf, jene abzusetzen, die die Politik ändern, ohne die Meinung des Volkes zu berücksichtigen – also die Regierung und die herrschende Propräsidenten-Partei der Aktion und Solidarität (PAS).
Die Moldawier würden sich ungern irgendwohin integrieren, darunter auch nicht mit Russland. Laut Angaben einer Umfrage der in Kischinjow ansässigen Beraterfirma Intellect Group würden 59,9 Prozent der befragten Bürger der Republik Moldowa das Land künftig gern als ein unabhängiges und neutrales sehen. In die EU würden nur 22,6 Prozent streben, in die Eurasische Wirtschaftsunion – zehn Prozent, nach Rumänien – 3,3 Prozent. Die Bürger wollen selbst den Kurs des Landes auswählen. Für sie versuche dies aber Präsidentin Maia Sandu und ihre Regierung zu tun. Und gerade das Ministerkabinett bezichtigt man heute auf Plätzen der moldawischen Hauptstadt des beispiellosen Anstiegs der Preise für Gas und andere Energieressourcen. Sandu führt man gar als Beispiel Serbiens Präsident Aleksandar Vučić an, der, wenn es nötig sei, nach Moskau reise und sich über den Gaspreis einige, wobei er an die Interessen seiner Wähler denke. Dabei will aber auch sein Land der Europäischen Union beitreten.
Die derzeitigen Proteste in Moskau führen die linken Parteien an. Am Montag haben aber die Rechtszentristen angekündigt, dass sie sich ihnen anschließen würden, wenn die führenden Minister nicht die Regierung verlassen würden. Auf die Straßen wollen auch die Gewerkschaften Menschen bringen. Zur gleichen Zeit kommen fast jede Woche Beamte der USA und der EU nach Moldawien. Sie unterstützen Präsidentin Sandu und ihren Kurs in Richtung einer euro-atlantischen Integration.
Derzeit hält sich US-Senator Robert Portman zu einem Besuch in Kischinjow auf. Er sicherte Moldawien Unterstützung bei der Überwindung der Wirtschaftsfolgen der von Russland begonnenen Kampfhandlungen in der Ukraine zu. Vor einer Woche war eine Delegation von US-Kongressvertretern in die moldawische Hauptstadt gekommen, die versprachen, dem Land Waffen zu liefern, wenn es in den Ukraine-Konflikt involviert werde. Am Dienstag waren acht Parlamentsvorsitzende der Ostsee-Länder in Kischinjow eingetroffen. Das Ziel aller Besucher ist, Moldawien im Einflussbereich des Westens zu halten. Das Volk möchte aber keine Trennung mit Russland, das unter anderem das Land mit billigem Gas und billiger Elektroenergie versorgen könnte, was eine Stabilisierung der Wirtschaft bedeute. Dies behaupten vor allem die Kommunisten und Sozialisten Moldawiens, die merkwürdige Vorstellungen von billigem russischem Gas haben. Im Mai zahlte Moldawien 920 Dollar für eintausend Kubikmeter, im Juni – 880 Dollar, während Serbien nur rund 400 Dollar an „Gazprom“ zahlen wird.
Faktisch würde Moldawien gern mit der EU zusammenarbeiten, dabei aber nicht Russland verlieren sowie ein neutrales Land bleiben. Dabei könnte der Republik Moskau helfen, wenn es entscheiden würde, ob es dies brauche. Wie beispielsweise die Amerikaner für sich geklärt haben. Moskau arbeitet aber nicht so aktiv in der Republik wie Washington. Und den Moldawiern ist derweil aufgrund einer russischen Aggression angst und bange. In dieser Situation muss man Kischinjow erklären, dass die Russische Föderation nicht anfangen werde, Transnistrien in den Beziehungen mit Moldawien einzusetzen und kein Unglück in die Region bringen werde. Ohne dies zu tun kann Moskau das Land verlieren, wo die Bevölkerung heute Russland wie nie zuvor unterstützt.