Russlands Präsident Wladimir Putin hat in dieser Woche mit einem Erlass ab dem 15. Mai das Visa-Regime für die Bürger Georgiens aufgehoben. Mit einem anderen Erlass hat er das Verbot für direkte Flugverbindungen zwischen Russland und Georgien annulliert. Parallel dazu hat das Außenministerium der Russischen Föderation die im Jahr 2019 bestätigten Empfehlungen, sich Reisen nach Georgien zu enthalten, zurückgezogen. Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili bezeichnete bereits die Handlungen Moskaus als eine Provokation. Und die Opposition hält sie für einen Beweis für den prorussischen Kurs der Regierungspartei „Georgischer Traum“.
Gemäß dem Erlass von Wladimir Putin brauchen ab dem 15. Mai die Bürger Georgiens, die in die Russische Föderation für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen einreisen, keine Visa. Ausreichend werden die Pässe an sich sein. Die Wiederherstellung des direkten Flugverkehrs wird wahrscheinlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Und es werden Verhandlungen zwischen den zuständigen Behörden für Zivilluftfahrt beider Länder und den Fluggesellschaften erforderlich sein. Obgleich solche Gespräche möglicherweise bereits erfolgten. Jüngst tauchten Informationen auf, wonach Russland georgische Destinationen in das Verzeichnis der Linienflüge seiner Airlines aufgenommen hätte. Allerdings hat die georgische Seite diese Meldung dementiert, wobei sie erklärte, dass ihr nichts bekannt sei.
Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili bezeichnete die Handlungen Moskaus als eine erneute Provokation. Nach ihren Aussagen seien die Aufhebung des Visa-Regimes und die Wiederaufnahme des Flugverkehrs unzulässig, „solange Russland die aggressiven Handlungen in der Ukraine und die Okkupation georgischer Territorien fortsetzt“. Am Mittwoch forderte sie auf, den Sicherheitsrat einzuberufen und für Russlands Bürger 3-Monatsvisa einzuführen.
Vertreter der regierenden Partei „Georgischer Traum“ kommentierte Russlands Handlungen. Parteichef Irakli Kobakhidze meinte in einer Sendung von Imedi TV: „Georgiens pragmatische Politik bringt Ergebnisse. Und ein Ergebnis ist, dass wir in Georgien heute keine zweite Front haben“. Auch die als mit „Georgischer Traum“ affiliiert geltende Partei „Stärke des Volkes“ würdigte das Moskauer Vorgehen. Einer ihrer Führer, Guram Macharashvili, erklärte, dass die Entscheidung von Wladimir Putin die Lebensbedingungen der Georgier in Russland erleichtern werde. Und er sehe weder in der Aufhebung des Visa-Regimes noch in der Wiederherstellung der direkten Flugverbindungen nichts Schlechtes. Dabei gab Macharashvili eine warnende Erklärung hinsichtlich möglicher Protestaktionen der Opposition ab: Möge sie nicht vergessen, dass Michail Saakaschwili einseitig das Visa-Regime für Bürger Russlands vor mehr als zehn Jahre, faktisch gleich nach dem Augustkrieg von 2008, in dessen Ergebnis Georgien Territorien verloren hatte, aufgehoben hatte.
Dennoch scheint sich die radikale Opposition auf Proteste vorzubereiten. Die „Nationale Bewegung“ hat bereits die Aufhebung des Visa-Regimes und die Wiederherstellung der direkten Flugverbindungen als „noch einen Beweis für den prorussischen Kurs der Regierungspartei „Georgischer Traum“, die eine Komödie mit einem Beitritt zur Europäischen Union spiele“, bezeichnet. Offensichtlich bereiten sich die „Nationalen“ auf einen neuen Versuch vor, die Situation in der Republik hochzuschaukeln.
Die Vertreter vom „Georgischen Traum“ hatten sich anfangs in Schweigen gehüllt. Man konnte sie verstehen. Die Situation ist wirklich eine etwas heikle. Parteichef Irakli Kobakhidze und Tbilissis Bürgermeister Kacha Kaladse hatten bereits im Vorfeld der Putin-Dekrete Gerüchte kommentiert, dass Russland Georgien für die neutrale Position in der Ukraine-Frage mit der Aufhebung des Visa-Regimes „würdigen“ könne. Sie konstatierten, dass derartige Handlungen Moskaus zu einem positiven Faktor werden würden.
In der georgischen Gesellschaft gehen die Meinung wie üblich auseinander. In den sozialen Netzwerken macht ein Teil der Nutzer keinen Hehl aus der Freude über die Aufhebung des Visa-Regimes und die Wiederherstellung des direkten Flugverkehrs. Ein anderer Teil macht Europa Vorwürfe, dass es die Gewährung des Status eines EU-Mitgliedskandidaten für Georgien verschleppt habe. Eine derartige Verschleppung nutze Moskau dafür aus, um Tbilissi in den Bereich seines geopolitischen Einflusses zurückzuholen. Und dritte scherzen sarkastisch: Russland wolle so sehr keine Integration Georgiens mit Europa, dass es jeden Augenblick Verhandlungen über eine Wiederherstellung der Jurisdiktion Tbilissi in Abchasien und Südossetien beginnen werde.
Nicht abseits vom Geschehen ist auch Kiew geblieben. Der Chef der Rada-Fraktion „Diener des Volkes“, David Arachamia, erklärte, dass er jetzt eine baldige Ersetzung der georgischen Währung Lari durch den russischen Rubel erwarte. Darauf hat man in Tbilissi bereits mit einer traditionellen Antwort reagiert. Man müsse auf sich selbst aufpassen und die ukrainischen Probleme lösen.
Es sei daran erinnert, dass im Zusammenhang mit einem Zwischenfall aufgrund der Reise des Staatsduma-Abgeordneten Sergej Gawrilow nach Tbilissi, als es um den 20. Juni des Jahres 2019 zu Zusammenstößen von gegen diesen Besuch protestierender Menschen und der Polizei gekommen war, Moskau die Einstellung des direkten Flugverkehrs mit Georgien bekanntgab.
Post Scriptum
Mehrere russische Fluggesellschaften stehen bereits in den Startlöchern, um Direktflüge nach Georgien aufzunehmen. Entsprechend einem Abkommen Russlands und Georgiens sind allein auf der Route Moskau-Tbilissi maximal 21 Flüge in der Woche möglich. Die Airline Red Wings beantragte daher am Donnerstag beispielsweise Genehmigungen für Flüge aus Samara und Kasan in die georgische Hauptstadt. Am Samstag wurde bekannt, dass die georgischen Behörden bisher kein grünes Licht gegeben haben. Interessant ist aber noch eine Tatsache: Die russischen Fluggesellschaften werden wohl laut Angaben von Russlands Transportministerium nur mit einheimischen SSJ-100-Jets die Destinationen in Georgien anfliegen.
Ja, und was die Regierungspartei „Georgischer Traum“ angeht, so findet sie bei der Bevölkerungsmehrheit Unterstützung für ihre Russland-Politik. Die Entscheidung der georgischen Regierung, sich nicht den Wirtschaftssanktionen gegen Russland anzuschließen, billigen 66 Prozent der in Georgien befragten Bürger, meldete am Donnerstag Imedi-TV. Der Sender hatte eine entsprechende Umfrage durch das Georgische internationale Zentrum für öffentliche Meinung und Marketing GORBI durchführen lassen. 29 Prozent der Befragten hatten sich bei dieser Meinungserhebung gegen die Haltung der georgischen Regierung ausgesprochen. Auf die Frage nach dem Ukraine-Konflikt und der Rolle Georgiens dabei meinten 82 Prozent, dass sie die Politik des gegenwärtigen Ministerkabinetts zur Verhinderung einer Involvierung Georgiens in den Krieg unterstützen würden. Nur 13 Prozent sind nicht mit diesem Kurs einverstanden.