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Russland schließt Bombenangriffe gegen Freischärler nicht aus


Die russischen Luftstreitkräfte haben Schläge gegen den Gegner und Konzentrationen von Menschen und Technik an der tadschikisch-afghanischen Grenze geführt – diese Aufgabe war bei den Manövern auf dem Übungsgelände „Charb-Maidon“ des tadschikischen Verwaltungsgebietes Chatlon vom 5. bis 10. August gestellt worden. An den Manövern nahmen tadschikische und usbekische Militärs teil. Russland verspricht im Falle einer Aggression von Afghanistan aus, den Ländern Zentralasiens zu helfen.

„Bei den Manövern sind eine Staffel von Su-25-Kampfflugzeugen, Mi-24-Kampfhubschrauber, aber auch Mi-8-Kampf- und Transporthubschrauber unterschiedlicher Modifikationen eingesetzt worden. Während der Hauptetappe der Manöver erfüllen die Piloten Aufgaben zur Suche nach getarnten Stützpunkten des angenommenen Gegners sowie zur Führung von Raketen- und Bombenschlägen gegen Ziele, die Konzentrationen von Menschen und Technik imitieren“, teilte der Pressedienst des Zentralen Militärbezirks der russischen Streitkräfte am 9. August mit.

An diesen Manövern wurden über 2500 Militärs und rund 500 Waffensysteme und Gefechtstechnik eingesetzt. Angehörige der Luftlandetruppen trainierten Handlungen, um Angriffen aus mobilen Luftabwehrraketenkomplexen des angenommenen Gegners auszuweichen.

Die Manöver erfolgten vor dem Hintergrund der Konfrontation zwischen den Taliban (die radikale Bewegung ist in der Russischen Föderation verboten) und der Regierung des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani. Die USA und ihre Verbündeten sind gezwungen, in die Situation einzugreifen, da die Regierungskräfte nicht imstande sind, den Taliban Widerstand zu leisten. Amerikanische B-52-Flugzeuge und Kampfdrohnen bombardierten Positionen der Taliban-Bewegung in mehreren Provinzen Afghanistans. Die Taliban setzen jedoch ihren Siegeszug selbstbewusst vor. Am vergangenen Wochenende nahmen sie fünf Provinzhauptstädte im Landesnorden, unweit der Grenze zu den Ländern Zentralasiens ein und stürmen derzeit Masar-i-Scharif, einen ehemaligen Standort der Bundeswehr.

Der Afghanistan-Sondervertreter des russischen Präsidenten, der Direktor des 2. Asien-Departments im Außenministerium Russlands, Samir Kabulow, erklärte dieser Tage, dass die Präsenz der Taliban in den nördlichen Provinzen Afghanistans als ein Schutz vor einer Ausbreitung anderer terroristischer Gruppierungen auf die Länder Zentralasiens diene, meldete die russische staatliche Nachrichtenagentur „Sputnik“. Der russische Außenamtsvertreter betonte, dass seit langem auf den nordafghanischen Territorien terroristische Organisationen ihre Basen hätten, mit denen die Taliban-Bewegung in einem Konflikt stehe und gegen die sie kämpfen würde. Der Diplomat behauptet, dass die Taliban für die Länder Zentralasiens in der nächsten Zeit keine Gefahr darstellen würden. Er erinnerte aber auch daran, dass keine Fakten eines Grenzübertritts durch Taliban-Vertreter fixiert worden seien. Nach Meinung Kabulows würde die Taliban-Bewegung verbal und konkret mit Taten beweisen, dass sie sich nur mit inneren Problemen Afghanistans befasse.

Die Konfrontation nimmt auch zwischen den Taliban und ausländischen Freischärlern internationaler terroristischer Gruppierungen, insbesondere des IS (Islamischer Staat – in Russland verboten), aufgrund ideologischer Differenzen zu. Die Taliban haben versprochen, Afghanistan von den Extremisten zu befreien, womit sie einen gefährlichen Zustand von Instabilität und dessen potenzielle Ausdehnung auf die gesamte Region Zentralasiens ausgelöst haben.

„Die Hauptgefahr in Richtung Zentralasien und dementsprechend in Richtung Russland geht nicht von der in der Russischen Föderation verbotenen Taliban-Bewegung als solche aus, sondern von der Perspektive einer Instabilität in Afghanistan an sich“, sagte der „NG“ der Experte für internationale Angelegenheiten Grigorij Trofimtschuk. Er betonte, dass, als die Sowjetunion ein Militärkontingent in dieses Land einrücken ließ, es dort keinerlei Taliban gegeben hatte, doch die Gefahr von Instabilität sei auf genau solch einem Niveau gewesen. „Anders gesagt, für die Länder Zentralasiens sind das Hauptproblem nicht konkret die Taliban, sondern alle Auswirkungen der totalen Destabilisierung inkl. das Auftauchen unterschiedlichster radikaler Kräfte in den grenznahen Gebieten, einer Aktivierung nichttraditioneller Islamisten auf dem postsowjetischen Territorium usw. Daher sollten viele Kommentatoren nicht endlos lang wiederholen, dass sich die Taliban nicht über ihre Gebiete hinaus gen Norden bewegen würden, da sie dies angeblich nicht bräuchten und nötig hätten, dass diese „Bauern“ ausschließlich den eigenen Boden bearbeiten würden. Wenn die Frage nur so stehen würde, würde sich auch keiner besonders Sorgen hinsichtlich dessen machen, wer wen zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Rahmen des „innerafghanischen Dialogs“ umbringt“, meint Trofimtschuk.

Nach Meinung des Experten müssten die Militärmanöver der Partner – wie eben jene russisch-usbekisch-tadschikischen – sicher mit der ihnen gebührenden Regelmäßigkeit abgehalten werden. Solch ein Bild sei jedoch imstande, in irgendeiner Weise nur die Steuerzahler der entsprechenden Länder zu beeinflussen, aber nicht die radikalen Kräfte sowie die terroristischen Gruppierungen und die Armeen. Es scheint, dass solch eine Demonstration militärischer Stärke eine entgegengesetzte Wirkung auf sie ausüben werde: Sie möchten schneller auf jene Territorien gelangen, über die bisher so ausgelassen diese Panzer herumrollen. Dies würde sie richtig anmachen.

Was die These angehe, wonach man sich keine Sorgen machen müsse und dass „die Taliban in Kabul Ordnung schaffen werden“, so „haben wir bereits zu sehen bekommen, wie diese Ordnung geschaffen wird“, wie Grigorij Trofimtschuk betonte. „Die Fotos von (Mohammed) Najibullah (ehemaliger Präsident Afghanistans, der im September 1996 hingerichtet wurde – Anmerkung der Redaktion) und seiner Mitstreiter lösen nach wie vor einen schrecklichen Eindruck aus. Somit ist diese Bedrohung eine direkte. Einfach aus dem Grunde, dass Afghanistan sich direkt südlich von Zentralasien befindet. Leider wird die Gefahr für die zentralasiatischen Weiten durch die übermäßige Demonstration von Toleranz unserer Beamten gegenüber den Taliban nicht aufgehoben. China muss sich auch darüber Gedanken machen, da diese Gefahr heute im Unterschied zu 1979 auch eine in seine Richtung ist. Früher oder später wird China endlich seine Armee einsetzen müssen, um mit Hilfe der Taliban oder sonst irgendwelcher anderer radikaler Kräfte zu überprüfen, was sie wirklich wert ist“, unterstrich Trofimtschuk.

Noch ein Problem ist der Exodus der Zivilbevölkerung aus Afghanistan in die angrenzenden Länder. Während die Türkei eine Mauer an der Grenze mit dem Iran errichtet, über dessen Territorium die Afghanen fliehen, sind dagegen die Offiziellen Tadschikistans bereit, bis zu 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Im Verwaltungsgebiet Chatlon werden für sie Zeltlager eingerichtet. Afghanische Militärs und Bewohner der nördlichen Provinzen Afghanistans, vor allem Tadschiken und Kirgisen, haben bereits die afghanisch-tadschikische Grenze mit ihrem Hab und Gut überschritten. Sie sind aber zurückgeschickt worden.

„Tadschikistan und Kirgisien sind die schwächsten Glieder im System der regionalen Sicherheit. Man muss klar verstehen, dass für Zentralasien das Hauptrisiko nicht die Taliban bleiben, sondern das Vordringen einer Reihe extremistischer Gruppierungen auf das Territorium dieser Länder, die die Taliban beginnen, aus Afghanistan verdrängen, womit sie übernommene Verpflichtungen erfüllen. In erster Linie sind Tadschikistan und Kirgisien bedroht. Die Sicherheitskräfte in diesen Ländern sind nicht in der Lage, eine qualitätsgerechte Filtrierung der Flüchtlinge vorzunehmen und einen normalen Komplex von operativen und Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich jener, die auf ihr Territorium gelangen werden, durchzuführen“, sagte der „NG“ Igor Pankratenko, stellvertretender Direktor des Zentrums für strategische Bewertungen und Prognosen. Dies sei zweifach unter Berücksichtigung dessen gefährlich, dass in diesen beiden Ländern bereits ein radikaler Untergrund wirkt, der Kontakte mit dem IS und anderen religiösen Organisationen unterhalte. In Kirgisien – dem einzigen Land Zentralasien – sei die Tätigkeit der religiösen Organisation „Tablighi Jamaat“ (in der Russischen Föderation verboten) erlaubt, die Unterstützung sowohl seitens der gewöhnlichen Bevölkerung als auch seitens der Behörden genieße.

Derweil haben die Vertreter der Sicherheitsorgane Tadschikistans die illegale Tätigkeit von beinahe zehn radikalen Bewegungen auf dem Landesterritorium aufgedeckt, erklärte Innenminister Ramason Rachimsoda.