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Russland setzt auf die Kaspi-Region


In der Kaspi-Region wird eine neue Organisation gebildet – der Kaspische Rat. Dies wird in Aschgabat zuerst bei einer Tagung der Außenminister der Kaspi-Anrainerstaaten am Dienstag bekanntgegeben. Und danach, am folgenden Tag beim VI. Kaspi-Summit, der gleichfalls in der turkmenischen Hauptstadt erfolgen wird. Moskau setzt auf die Kaspi-Region, und Turkmenistan wird für die Russische Föderation zu einem wichtigen Land. Das Ziel ist, nicht nur den Prozess zur Ratifizierung der Konvention zu Ende zu führen, sondern auch die Zusammenarbeit hinsichtlich einer Reihe anderer Richtungen anzuschieben, unter anderem um sich in die Projekte für die Transportkorridore einzutakten.

Ursprünglich war die Durchführung des Gipfels der Oberhäupter der Kaspi-Anrainerstaaten für den Herbst vergangenen Jahres geplant gewesen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie hatte man aber das Treffen um ein Jahr verschoben. Nach dem Moskau-Besuch des neuen Präsidenten Turkmenistans, Serdar Berdymuchamedow, war entschieden worden, am 29. Juni in Aschgabat zusammenzukommen. An dem Tag feiert Turkmenistans zweiter Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow, seinen 65. Geburtstag. Die Oberhäupter der Länder der „Kaspi-5“ (Russland, Aserbaidschan, Kasachstan, Iran und Turkmenistan – „NG“) haben beschlossen, so dem Jubilar ein Geschenk in Gestalt der Abhaltung des VI. Kaspi-Summits zu machen, auf den er sich so lange vorbereitet hatte.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat mit seinem turkmenischen Amtskollegen Raschid Meredow telefonisch die Kaspi-Agenda abgestimmt, aber auch persönlich Teheran und Baku besucht, wo er sich mit seinen Amtskollegen traf. Nach Aussagen des russischen Ministers werde der Hauptakzent auf die Notwendigkeit einer vollständigen Erfüllung des wichtigen Dokuments – der Konvention über den Rechtsstatus des Kaspi-Sees, das im August 2018 im kasachischen Aktau unterzeichnet worden war – gesetzt werden. So erklärte Sergej Lawrow zu den Ergebnissen seiner Gespräche mit Aserbaidschans Außenminister Dscheichun Bairamow und Präsident Ilham Alijew: „Wir haben ein gemeinsames Verstehen dessen, dass die Oberhäupter der Kaspi-Staaten, wenn sie am 29. Juni in Aschgabat zusammenkommen werden, die Bedeutung dieses Dokuments und die Relevanz der Schlüsselprinzipien, die in ihm verankert worden sind, bestätigen werden“.

Aufgrund der Meinungsverschiedenheiten mit dem Westen angesichts der Ukraine-Krise beginnt Moskau, neue Konturen für seine Außenpolitik in der Kaspi- und zentralasiatischen Region zu schaffen. In dieser Hinsicht kann der nunmehrige Summit zu einem Wendepunkt in der Arbeit der „Kaspi-5“ werden. Dies hängt damit zusammen, dass die hauptsächlichen Probleme zur Aufteilung des Kaspischen Meeres gelöst worden sind. Ein Durchbruch war beim letzten, dem V. Kaspi-Gipfeltreffen in Aktau erreicht worden. Und in Aschgabat wird die Unterzeichnung einer Konvention über die Abgrenzung erwartet. Die Hauptidee hing damit zusammen, zivilisiert die Öl- und Gas-Reichtümer und die Naturressourcen des Kaspis aufzuteilen. Diese Aufgabe ist gelöst worden. Die Öl- und Gas-Ressourcen des Kaspischen Meeres rücken aber an zweite Stelle. Wichtiger wird seine geostrategische und Transit-Bedeutung.

Daher sei bei der Tagung der Außenminister der Kaspi-Anrainerstaaten, wie die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa bei einem Briefing sagte, geplant, eine Art Überprüfung der Zusammenarbeit in der Kaspi-Region vorzunehmen und die Modalität des weiteren Zusammenwirkens im Rahmen der Vorbereitung des anstehenden Präsidenten-Treffens der Kaspi-Anrainerländer zu erörtern.

Die Außenminister der „Kaspi-5“ erörtern am Dienstag die Bildung der neuen Organisation – des Kaspischen Rates -, teilte am Vorabend Sergej Lawrow mit: „Unter den Initiativen, die bei dem neuen Summit vorgestellt werden, ist unser Vorschlag über die Schaffung eines Kaspischen Rates. Wir schlagen vor, sein Hauptquartier in Astrachan einzurichten. Vorerst werden die Details abgestimmt. Keiner hat einen Einwand. Es gibt aber Befürchtungen seitens einer Reihe von Kollegen, dass dies eine weitere bürokratische Struktur sein werde. Die Sache ist die, wie man dies organisiert. Man kann es ohne eine große „bürokratische Maschinerie“ tun, regelmäßige Beratungen zu unterschiedlichen Aspekten der Zusammenarbeit in der Kaspi-Region auf ständiger Grundlage durchführen, und nicht nur im Kontext der Vorbereitung auf ein neues Gipfeltreffen“.

„Insgesamt ist zu sehen, dass Russland derzeit einen gewissen Umbau hinsichtlich der Außenpolitik in Bezug auf die Länder Zentralasiens vornimmt. Gesucht wird nach alternativen Richtungen in einer Zeit, in der die Europäische Union und insgesamt die westliche Richtung aufhören, eine Priorität für Russland zu sein. Daher werden alle Dialog-Plattformen in Eurasien aktualisiert, darunter auch die kaspische. In dieser Hinsicht macht es Sinn zu betonen, dass zum ersten Besuchsziel des neuen Präsidenten von Turkmenistan, Serdar Berdymuchamedow, Russland wurde. Die Gespräche in Moskau waren recht erfolgreiche. Dies verweist darauf, dass Turkmenistan zu einem für die Russische Föderation wichtigen Land wird. Im Rahmen des Kaspi-Dialogs werden Arbeiten zur Suche nach Gelegenheiten für eine Aktivierung der Möglichkeiten im Interesse einer Wirtschafts- und Investitionstätigkeit vorgenommen werden, um das Potenzial und die Perspektiven der Region zu realisieren. Dies gilt aber nicht nur für Turkmenistan, sondern auch für den Iran und die anderen kaspischen Staaten“, sagte der „NG“ Stanislaw Prittschin, wissenschaftlicher Oberassistent des Zentrums für postsowjetische Studien des Je.-M.-Primakow-Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Der Direktor für regionale Projekte des Kaspi-Instituts für strategische Forschungen, Jurij Solosobow, ist der Auffassung, dass die Kaspi-Region heute ihre Bedeutung „als eine Kreuzung der Transportkorridore „Ost-West“ und „Nord-Süd“ und als eine wichtige Zone zur Gewährleistung von Stabilität im Zentrum Eurasiens“ verstärke. „Dies ist ein wesentlicher Übergang, denn, während wir Ressourcen in unserer nationalen Zone fördern können, kann kein gemeinsamer Transit in eben der eigenen nationalen Zone ohne Ideen für eine Zusammenarbeit realisiert werden. Dies bedeutet, dass die Logik einer Trennung der Staaten durch die Logik einer Zusammenarbeit abgelöst werden muss“, sagte Solosobow der „NG“. Der Experte erinnerte an die Geschichte von zwei Organisationen – der GUS, die nach Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin für eine Trennung geschaffen wurde, und der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit, der mehr als zehn Staaten beitreten wollen. Nach seinen Worten seien praktisch alle zentralasiatischen Akteure an einer Stabilität und an neuen Routen interessiert, darunter Russland, das unter den Bedingungen einer beispiellosen Transportblockade von den westlichen Korridoren vollkommen abgeschnitten wurde. Der östliche Korridor bleibt fraglich.

Die zweite Idee sei nach Aussagen von Jurij Solosobow die Vereinigung verschiedener Korridore, die Etablierung einer südlichen multimodalen Route, die Weiterführung der Trasse Ost-West über den Hafen Turkmenbaschi, die russischen Kaspi-Häfen und den Hafen in Baku. Alle Seiten seien daran interessiert, dieses überaus gewaltige Transitpotenzial gemeinsam zu nutzen. Der Experte erinnerte daran, dass den Gedanken von einem Transport-Oligopol (Oligopol ist in der Wirtschaft eine Marktform, die durch wenige Marktteilnehmer gekennzeichnet ist – Anmerkung der Redaktion) Ende der 90er des vergangenen Jahrhunderts der russische Geopolitiker Wadim Zymburskij formuliert hatte. Er besteht in der Vereinigung mehrerer Transportrouten, die nicht miteinander konkurrieren, sondern zusammenwirken. Die Logik sei eine sehr simple. Frachtgüter können von einer Route zu einer anderen umgelenkt werden, da keiner der Akteure an einer Blockade interessiert sei. Außerdem werde ein Transport-Oligopol vor einem äußeren Sanktionsdruck gesichert sein. Wenn ein Weg abgeschnitten wird, wird ein anderer weiterhin funktionieren. „All dies zeugt davon, dass sich die Kaspi-5 über eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit bereits nicht in einem Protokollformat Gedanken machen kann, sondern in einem neuen Format.“ Zu einem Analog könnte eine Kaspische Organisation für Zusammenarbeit werden, in der Russland eine wichtige Rolle spielen könnte.