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Russland sperrt sich nicht gegen einen Dialog mit dem Westen


Zum fünften Mal hat Wladimir Putin eine Amtszeit als russisches Staatsoberhaupt begonnen, nachdem er bei den Wahlen vom 15.-17. März 2024 auf 87,28 Prozent aller abgegebenen Stimmen (über 76,2 Millionen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 77,49 Prozent) gekommen war. Vor einer optisch opulenten Kulisse, dem Großen Kreml-Palast, legte er seinen Amtseid ab. Und dies in Anwesenheit von ca. 2500 geladenen Gästen. Vor sechs Jahren waren es freilich doppelt so viele gewesen, wobei auch in Moskau akkreditierte westliche Diplomaten in den Kreml gekommen waren. In diesem Jahr blieben die meisten westlichen Vertreter des Moskauer Diplomaten-Korps der Zeremonie fern, wobei Deutschland sich besonders galant aus der Affäre gezogen hatte. Kurz vor der Putin-Amtseinführung wurde Botschafter Alexander Graf Lambsdorff nach Berlin zurückberufen, um das weitere Vorgehen im Fall der Russland vorgeworfenen Cyber-Attacken gegen die SPD zu erörtern.

 

Aufmerksame Beobachter verfolgten die Liveübertragung im russischen Fernsehen aus den drei Kreml-Sälen – den Georgs-, den Alexander- und Andreas-Saal – vor allem mit Blick auf die anstehende Neubildung des Ministerkabinetts, aber auch hinsichtlich des Oberhauptes der Republik Tschetschenien. Laut Medienberichten soll Ramsan Kadyrow Probleme mit der Nebenniere haben. Erstmals zeigte das Fernsehen Russlands auch einen extra für den 71jährigen Präsidenten zelebrierten Gottesdienst in der Mariä-Verkündungs-Kathedrale im Kreml (im Rahmen der gesamten Amtseinführung). Das Oberhaupt der Russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, hatte dies übernommen und bekundete in einem Dankgebet die Unterstützung der Kirche für die militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine, die bereits den 804. Tag andauert. „Schwierige Entscheidungen zum Wohle des Volkes wurden niemals von der Kirche oder dem Volk verurteilt“, sagte Kirill am Dienstag.

 

Rechtzeitig zur Amtseinführungszeremonie von Wladimir Putin legte das staatliche Meinungsforschungszentrum VTsIOM Umfrageergebnisse vor. Auf die Frage, ob Putin die Stabilität im Lande bewahren könne, antworteten 80 Prozent der Befragten bejahend. Und vor dem Hintergrund der westlichen Wirtschaftssanktionen vertraten im März dieses Jahres 76 Prozent der Befragten, dass der Kremlchef einen durchdachten Aktionsplan zur Verbesserung der Wirtschaftssituation im Land habe. Folglich sei er auch die beste Wahl für das Präsidentenamt (81 Prozent der Befragten), ermittelte VTsIOM-Umfrage.

 

Die Redaktion „NG Deutschland“ veröffentlicht im Nachfolgenden eine Übersetzung der heutigen Antrittsrede von Wladimir Putin.

 

„Damen und Herren! Liebe Freunde!

 

In diesen feierlichen und verantwortungsvollen Minuten des Amtsantritts als Präsident möchte ich den Bürgern Russlands in allen Regionen unseres Landes, den Einwohnern unserer historischen Gebiete, die das Recht verteidigten, mit Russland zu sein, herzlich danken.

 

Ich möchte mich vor unseren Helden verneigen, den Teilnehmern der militärischen Sonderoperation, vor allen, die für das Vaterland kämpfen.

 

Ich danke Ihnen noch einmal für das mir erwiesene Vertrauen und die Unterstützung. Und ich wende mich jetzt an jeden Bürger Russlands.

 

Ich habe gerade die Worte des Präsidenten-Amtseides gesprochen. In seinem Wortlaut ist das Wesen der höchsten Zweckbestimmung des Staatsoberhauptes konzentriert – Russland zu bewahren und unserem Volk zu dienen.

 

Ich verstehe, dass dies eine riesige Ehre ist, eine Verpflichtung und heilige Pflicht. Gerade dies bestimmte den Sinn und den Inhalt meiner Arbeit in den vorangegangenen Jahren. Ich versichere Ihnen, dass auch künftig die Interessen, die Sicherheit des Volkes von Russland für mich am höchsten stehen.

 

Der konsolidierte Wille von Millionen Menschen – dies ist eine kolossale Kraft, ein Beleg für unsere gemeinsame, feste Zuversicht, dass wir das Schicksal Russlands selbst bestimmen werden, und nur selbst im Interesse der heutigen und künftigen Generationen.

 

Sie, die Bürger Russlands, haben die Richtigkeit des Kurses des Landes bekräftigt. Dies hat gerade jetzt eine gewaltige Bedeutung, da wir mit ernsthaften Prüfungen konfrontiert wurden. Ich sehe darin den tiefen Sinn unserer gemeinsamen historischen Ziele, die Entschlossenheit, unbeugsam unsere Entscheidung, unsere Werte, die Freiheit und die nationalen Interessen Russlands zu verteidigen.

 

Ich bin sicher: Wir werden würdig diese schwierige, diese eine Zäsur setzende Periode bewältigen, noch stärker werden und unbedingt die langfristigen Pläne und großangelegten Projekte, die auf das Erreichen der Entwicklungsziele ausgerichtet sind, realisieren.

 

Und dies ist vor allem eine Bewahrung des Volkes. Ich bin sicher, dass die mehrere Jahrhunderte alten Familienwerte und Traditionen auch künftig die gesellschaftlichen und religiösen Vereinigungen, politischen Parteien, alle Ebenen der Macht vereinen werden.

 

Unsere Entscheidungen zur Entwicklung des Landes und der Regionen müssen effektive und gerechte sein, das Wohlergehen und die Lebensqualität der russischen Familien erhöhen.

 

Wir waren und werden offen für eine Festigung guter Beziehungen mit allen Ländern sein, die in Russland einen zuverlässigen und ehrlichen Partner sehen. Und dies ist wirklich die weltweite Mehrheit.

 

Wir lehnen keinen Dialog mit den westlichen Staaten ab. Die Entscheidung liegt bei ihnen: Sind sie gewillt, auch weiterhin zu versuchen, die Entwicklung Russlands aufzuhalten, die Politik einer Aggression, des über Jahre anhaltenden Drucks auf unser Land fortzusetzen oder doch einen Weg zu einer Zusammenarbeit und nach Frieden zu suchen?

 

Ich wiederhole: Ein Gespräch, unter anderem zu Fragen der Sicherheit und strategischen Stabilität, ist möglich. Aber nicht von einer Position der Stärke aus, ohne jeglichen Hochmut, Dünkel und einer eigenen Ausschließlichkeit, sondern nur als gleiche, wobei die gegenseitigen Interessen geachtet werden.

 

Zusammen mit den Partnern hinsichtlich der eurasischen Integration, mit anderen souveränen Zentren der Entwicklung werden wir die Arbeit zur Gestaltung einer multipolaren Weltordnung und eines unteilbaren Sicherheitssystems fortsetzen.

 

In der komplizierten Welt, die sich rasant verändert, müssen wir autarke und wettbewerbsfähige sein, für Russland neue Horizonte auftun, wie dies bereits mehrfach in unserer Geschichte gewesen war.

 

Für uns ist es aber wichtig, sich auch ihrer Lehren zu erinnern, nicht den tragischen Preis der inneren Wirren und Erschütterungen zu vergessen. Daher muss unser staatliches und gesellschaftspolitisches System ein festes und absolut stabiles hinsichtlich jeglicher Herausforderungen und Bedrohungen sein sowie den progressiven Charakter und die Stabilität der Entwicklung sowie die Einheit und Unabhängigkeit des Landes sichern.

 

Dabei bedeutet Stabilität nicht Konservatismus. Unser staatliches, unser Gesellschaftssystem muss ein flexibles sein, Bedingungen für eine Erneuerung und eine Vorwärtsbewegung schaffen.

 

Wir haben gesehen, wie sich die Atmosphäre in der Gesellschaft verändert hat, wie hoch heute Zuverlässigkeit, gegenseitige Verantwortung, Aufrichtigkeit, Anständigkeit, Edelmut und Mut geschätzt werden. Ich werde alles tun, damit die Menschen, die ihre besten menschlichen und professionellen Qualitäten an den Tag legten, durch Taten die Treue gegenüber dem Vaterland beweisen, führende Positionen bei der staatlichen Verwaltung, in der Wirtschaft, in allen Bereichen einnehmen.

 

Wir müssen eine zuverlässige Kontinuität in der Entwicklung des Landes für Dezennien voraus gewährleisten, junge Generationen großziehen und erziehen, die die Stärke Russlands festigen, unsere Staatlichkeit entwickeln, der zwischennationale Eintracht zugrunde liegt, die Bewahrung der Traditionen aller Völker, die in Russland, einem Land und einer Zivilisation, die durch die russische Sprache und unsere multinationale Kultur vereint ist, leben.

 

Liebe Freunde!

 

Ich werde alles notwenige tun, alles, was in meinen Kräften steht, um Ihr Vertrauen zu rechtfertigen, und dafür alle Vollmachten des Staatsoberhauptes nutzen, die in der Verfassung verankert worden sind. Dabei unterstreiche ich: Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in entscheidendem Maße von unserer Einheit und Geschlossenheit abhängen, vom gemeinsamen Streben, dem Vaterland Nutzen zu bringen, es zu verteidigen und mit voller Hingabe zu arbeiten.

 

Heute sind wir vom Wesen her für unsere 1000jährige Geschichte und unsere Vorfahren verantwortlich. Sie hatten scheinbar uneinnehmbare Höhen erreicht, denn sie hatten stets die Heimat an die erste Stelle gestellt. Sie wussten, dass man wirklich große Ziele nur gemeinsam mit seinem Land und mit dem ganzen Volk erreichen kann. Und sie haben eine Weltmacht geschaffen, unser Vaterland. Sie haben solche Triumphe erreicht, die uns auch heute inspirieren.

 

Wir schauen zuversichtlich nach vorn, planen unsere Zukunft, konzipieren und realisieren bereits neue Projekte und Programme, die dazu bestimmt sind, unsere Entwicklung zu einer noch dynamischeren, zu einer noch stärkeren zu machen.

 

Wir sind ein geeintes du großes Volk und überwinden gemeinsam alle Hindernisse, verwirklichen alles Geplante. Gemeinsam werden wir siegen!“