Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Gespräch mit dem Staatsoberhaupt der Volksrepublik China Xi Jinping per Videokonferenzschaltung am Mittwoch die Beziehungen Moskaus und Pekings als Muster einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert bezeichnet. Sie sei für die Bewahrung der Stabilität in der Welt wichtig. Hinsichtlich der Ergebnisse der Gespräche, die etwa anderthalb Stunden dauerten, heben Kommentatoren die Informationen darüber hervor, dass China zu einem internationalen Zentrum zur Herstellung der russischen Anti-COVID-Vakzine „Sputnik V“ und „Sputnik Light“ werde. Unterschrieben wurden Verträge über die Produktion von über 150 Millionen Impfstoff-Dosen mit sechs chinesischen Firmen.
Nach Aussagen des Pressesekretärs des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, hatten sich das russische und das chinesische Staatsoberhaupt angeschickt, „die aggressive Rhetorik“ der USA und der NATO zu erörtern. Und dies bedeute unter anderem, wie die „New York Times“ resümierte, dass eine Antwort auf den Versuch von US-Präsident Joseph Biden, ein „Bündnis der Demokratien“ zu schaffen, gegeben werden müsse. Die Antwort besteht darin, dass die zwei Länder, die einst Gegner gewesen waren, eine antiwestliche „geschlossene Front“ bilden. Solch eine Front wird sich vorerst in keinen militärischen Block verwandeln, doch die geopolitische Partnerschaft Russlands und Chinas wird immer enger.
Die Gespräche, unterstreicht die US-amerikanische Zeitung, erfolgten zu jenem Zeitpunkt, an dem sich die Spannung in der internationalen Arena verstärkt habe. Westliche Politiker werfen Putin die Vorbereitung eines Einmarschs in die Ukraine vor, und Putin verlangt Sicherheitsgarantien von der NATO. Xi Jinping ist gezwungen, auf den diplomatischen Boykott der bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Peking, der von den USA und einer Reihe ihrer Verbündeten verkündet wurde, aber auch auf die Sanktionen Amerikas wegen der Verfolgung der moslemischen Uiguren im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China zu reagieren.
Wobei diese Bestrafungen keinen anschaulich-demonstrativen Charakter wie früher tragen, als Washington für mehrere Beamte des repressiven Apparats in Xinjiang die Einreise nach Amerika verboten und nichtexistierende Konten in amerikanischen Banken auf Eis gelegt hatte. Dieses Mal hat die Biden-Administration acht chinesische Unternehmen auf schwarze Listen gesetzt, die angeblich an der Organisierung einer Verfolgung von Uiguren teilnehmen. Amerikanischen Investoren ist verboten worden, Anteile an diesen Unternehmen zu erwerben. Unter den chinesischen Unternehmen, die unter das Sanktionsbeil geraten sind, ist DJI, der weltweit größte Hersteller von Drohnen für kommerzielle Zwecke.
Insgesamt stehen 60 chinesische Finanzgruppen auf der schwarzen Liste. Bald wird deren Liste verlängert werden. Das US-Repräsentantenhaus billigte einen Gesetzentwurf, der ein völliges Verbot für den Import von Waren aus Xinjiang in die Vereinigten Staaten vorsieht. Ein analoges Bill (englisch: Gesetz) wurde auch im Senat behandelt. Es wird erwartet, dass beide Kongress-Häuser bald ihre Vorschläge abstimmen und sie zur Unterschrift an den Präsidenten weiterleiten werden. Und schließlich sind gerade in Xinjiang die meisten Unternehmen für die Fertigung von Solarzellen ansässig, die in viele Länder exportiert werden.
Das arabische Nachrichtenportal Al-Jazeera zitiert die Wertung des Sprechers des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin, der erklärte, dass das Online-Treffen von Xi Jinping und Wladimir Putin „noch mehr das gegenseitige Vertrauen zwischen beiden Seiten verstärken wird“.
Vertrauen spielt unbedingt eine riesige Rolle. Dennoch aber ist aus den offiziellen Erklärungen unklar geblieben, gerade was für eine Antwort Russland und China auf den Druck von außen geben werden.
In einem Gespräch mit der „NG“ betonte Andrej Ostrowskij, Leiter des Zentrums für Wirtschaftsforschungen des Instituts für den Fernen Osten der Russischen Akademie der Wissenschaften: „Zur effektivsten Antwort Moskau und Pekings würde eine Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und der militärischen Zusammenarbeit werden. Russland und China haben freilich erklärt, dass sie sich nicht anschicken würden, einen militärischen Block zu schaffen. Aber der Vertrag über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit, der 2001 unterzeichnet wurde, ist um fünf Jahre verlängert worden. Meines Erachtens muss man den Amerikanern zu verstehen geben, dass, wenn sie den Druck verstärken werden, ein Vertrag, der die Gewährung militärischer Hilfe füreinander vorsieht, abgeschlossen wird“.
Dem Druck würden unsere Länder erfolgreich widerstehen können, wenn sie sich mehr mit den Handels- und Wirtschaftsbanden befassen würden, nimmt der Experte an. „Es sind beispielsweise zwei Brücken über den Amur errichtet worden. Doch aus irgendwelchen Gründen sind sie nicht in Betrieb genommen worden. Informationen über einen Güterverkehr über die Brücke Blagowestschensk – Heihe sind nicht eingetroffen. Wenn man ein größeres Bild im Blick hat, so hatte man sich noch zu Zeiten, als der Präsident der Russischen Föderation Dmitrij Medwedjew gewesen war, geeinigt, den Handelsumfang bis auf 200 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Aber leider hat man ihn nicht gesteigert. Im vergangenen Jahr machte der Umfang des russisch-chinesischen Handels 107,5 Milliarden Dollar aus. Der Handelsumfang Chinas mit den USA hat sich aber der 600-Milliarden-Dollar-Marke genähert. Hinsichtlich der Investitionen fällt der Vergleich auch nicht zu unseren Gunsten aus. Aus China fließen etwa acht Milliarden Dollar im Jahr nach Russland. Russland jedoch investiert fast nichts in China. Ich hoffe, wenn die Gaslieferungen von Jamal und Sachalin nach China beginnen werden, man den Handelsumfang bis auf 200 Milliarden steigern kann. Dies ist durchaus real“, unterstrich Ostrowskij.
Russland und China haben gleichfalls über eine Umstellung der Verrechnungen im Handel auf Rubel und Yuan gesprochen. Die Chinesen haben gesagt: Der Rubel ist zu volatil. Daher werden kleine Deals entsprechend dem Rubel-Yuan-Wechselkurs abgewickelt. Die großen Lieferungen aber – nach wie vor in Dollar, resümierte Ostrowskij.
Sein Kollege, der China-Kundler Andrej Karnejew, Leiter der Schule für Orientalistik an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, sagte der „NG“, dass es vorerst schwierig sei zu urteilen, wie die Seiten dem Druck begegnen werden. Dies war wahrscheinlich der nichtoffene Teil des Mittwochgesprächs. Man müsse aber im Blick haben, dass es hier eine Komplementarität, eine gegenseitige Ergänzbarkeit gebe. China ist eine gewaltige Wirtschaftsmacht. Und Russland demonstriert im militärischen Bereich ernsthafte Erfolge. Eine Anhebung des Niveaus der Kooperation zwischen ihnen werde helfen, dem Druck auf beide Länder standzuhalten. Was aber die Rhetorik angehe, so gebe es bisher keine Beispiele dafür, dass Russland und China aktiv gemeinsam im Bereich der Massenmedien arbeiten würden.