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Russland und Weißrussland forcieren militärische Integration


Moskau und Minsk demonstrieren vollkommene Einmütigkeit und Pläne für eine Erweiterung der Industriekooperation. Experten sprechen jedoch davon, dass gegenwärtig die militärischen Programme in den Vordergrund bei der Zusammenarbeit rücken würden. Diese These bestätigend, haben Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin vereinbart, Anfang des Jahres gemeinsame Militärmanöver abzuhalten.

„Sie haben mich stets in dieser Hinsicht unterstützt. Ja, und da habe ich mich an Sie gewandt, damit wir unsere gemeinsamen Manöver nicht einstellen, damit wir die Bildung von Zentren zur Ausbildung unserer Jungs, vor allem hinsichtlich neuer Modelle von Militärtechnik, die wir in Russland erwerben, fortsetzen. Wir tun dies“, erklärte Alexander Lukaschenko am vergangenen Mittwoch bei einer Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Sankt Petersburg. Das russische Staatsoberhaupt erklärte seinerseits, dass er die Vorschläge zur Abhaltung von Militärmanövern angenommen hätte und sie zu Jahresbeginn – im Februar/März – stattfinden würden. Die endgültige Entscheidung über die Zeit ihrer Durchführung würden die Militärs selbst treffen.

Es sei daran erinnert, dass der weißrussische Staatschef einen Tag zuvor in die nördliche Hauptstadt Russlands gekommen war und am informellen Gipfeltreffen der Oberhäupter der GUS-Mitgliedsländer teilgenommen hatte.

Wie aus dem Protokollteil folgte, haben Weißrussland und Russland eine Kooperation im Bereich des Flugzeugbaus, aber auch einen Zugang weißrussischer Hersteller zu den staatlichen Einkäufen in Russland vereinbart. Alexander Lukaschenko dankte Russland und persönlich Wladimir Putin viel für die Unterstützung.

„Natürlich wissen Sie um die Situation in Belarus. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, vor allem Ihnen persönlich, was Sie für Belarus getan haben. Und für jene Unterstützung, die Sie uns gewähren. Ich möchte Ihnen nicht schmeicheln. Dies ist keine Schmeichelei. Die Sache ist aber die, dass jeglicher Vorschlag, den wir unterbreiten, oder Bitte… Sie erteilen den einen oder anderen Menschen einen Auftrag, sie reagieren. Sowohl die russischen Unternehmen als auch die Regierung und die Banken kommen uns entgegen, wobei sie uns in dieser schweren Sanktionszeit unterstützen“, sagte Lukaschenko.

Der breiten Öffentlichkeit hat man auch wie im Falle der vorangegangenen Gespräche wenig über deren Inhalt mitgeteilt. Auf der weißrussisch-russischen Tagesordnung gibt es viele Fragen, die eine Erörterung erfordern. Offiziell akzentuieren die Beamten entsprechend dem Gewohnheitsprinzip die Aufmerksamkeit auf die Fragen einer Vertiefung der Integration sowie der Unifizierung der Zoll- und Steuergesetzgebung. Die Experten erklären derweil beim Reagieren auf den außenpolitischen Kontext, dass gegenwärtig die militärische Komponente der Integration in den Vordergrund rücke.

Die Position von Minsk hinsichtlich der Frage der militärischen Zusammenarbeit ist für das Schicksal von Alexander Lukaschenko eine bestimmende, der sozusagen den Segen von Russlands Präsident Wladimir Putin braucht, um an der Macht zu bleiben. Wie die „NG“ bereits schrieb (russische Printausgabe der „NG“ vom 28. Dezember 2021, https://www.ng.ru/cis/2021-12-27/1_833belorussia.html), halten die Experten gerade diese Frage für die wichtigste für Minsk auf der gegenwärtigen weißrussisch-russischen Agenda. Es sei daran erinnert, dass die Analytiker davon überzeugt sind, dass der ständige weißrussische Staatschef gerade seinen baldigen Abtritt und einen kontrollierbaren Machttransit Moskau als Gegenleistung für die Unterstützung im September 2020 versprochen hätte. Damals hatte der Amtssessel unter ihm stark gewackelt, was durch die Massenproteste ausgelöst worden war, und nur Moskaus Unterstützung hatte geholfen, sich auf ihm zu halten.

Anfangs war davon die Rede, dass zur Bezahlung für die Unterstützung die Vertiefung der Integration bis hin zu einer vollständigen Aufgabe der Unabhängigkeit werde. Mehrere Experten prognostizierten, dass dies erneut mit einem Konflikt enden könne, wie dies bereits früher geschehen war. Die Situation hat sich jedoch verändert. „Russland ist in einen harten Konflikt mit dem Westen getreten und stellt ihm ein Ultimatum. In dieser Situation braucht Putin Lukaschenko als einen Faktor in diesem sich zuspitzenden Konflikt“, kommentierte der Politologe Valerij Karbalewitsch die Situation für die „NG“. Der Experte konstatierte, dass Lukaschenko ein weiteres Mal Glück gehabt hätte. Die internationale Konjunktur habe sich verändert, und Moskau sei bereit, seinem weiteren Verbleib an der Macht zuzustimmen. Jetzt aber sei die Bezahlung dafür die militärische Zusammenarbeit.

„Wenn sich die Beziehungen Russlands mit dem Westen zuspitzen werden, so schließe ich das Auftauchen irgendwelcher russischer Einheiten und eine Zunahme der Anzahl der gemeinsamen Manöver nicht aus, wenn die einen russischen Militäreinheiten abgezogen werden und andere kommen“, sagte Valerij Karbalewitsch der „NG“ bei der Kommentierung möglicher Richtungen der militärischen Zusammenarbeit.

Zur gleichen Zeit werde es nach Meinung des Experten nicht bis zu einer Stationierung von Kernwaffen auf dem Territorium Weißrusslands kommen, worüber Alexander Lukaschenko spricht und damit dem Westen droht. „Ich denke nicht, dass Russland bereit ist, wem auch immer seine Kernwaffen auf irgendein Territorium zu übergeben“, sagte Valerij Karbalewitsch.

Bei der Kommentierung des veröffentlichten Verfassungsentwurfs, zu dem im Februar in Weißrussland die Abstimmung erfolgen soll, lenken die Experten die Aufmerksamkeit darauf, dass aus ihm die These vom kernwaffenfreien und neutralen Status des Status ausgeschlossen wurde. An deren Stelle tauchte der Punkt darüber auf, dass die „Republik Belarus eine militärische Aggression von ihrem Territorium aus gegen andere Staaten ausschließt“. Nach Meinung von Experten seien diese Änderungen gerade eine Geste in Richtung Russlands, dass gegenwärtig die militärische Allianz mit Weißrussland brauche. Allerdings rufen die Analytiker auf, dem keine allzu große Bedeutung beizumessen, da der Punkt über die militärische Neutralität de facto auch so schon lange nicht wirke. Weißrussland ist Mitglied der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit.