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Russland versuchte, der EAWU harte Entwicklungsgrenzen vorzugeben


In diesem Jahr kann die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Mit ihrer Hilfe ist es gelungen, eine Vielzahl von Barrieren zwischen den Ländern zu beseitigen. Man müsse aber an die Zukunft denken, meinen die Spitzenvertreter des Bündnisses. Im Verlauf des III. Wirtschaftsforums der EAWU, das Anfang der Woche in Jerewan stattfand, haben sie eingestanden, dass es ungeachtet der offensichtlichen Erfolge für die Menschen in ihren Ländern immer noch schwierig ist, eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit vorzunehmen. Dieses Problem zu lösen, könne die Entwicklung eines (gemeinsamen) digitalen Raumes helfen. Die Termini, die mit der Digitalisierung zusammenhängen, hätten in unserem Alltag einen festen Platz eingenommen, meint Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan. Dabei müsse es um eine vollständige Umgestaltung der staatlichen Dienste gehen. Es sei unzureichend, Dokumente zu digitalisieren. Man müsse die Arbeit der Institutionen verändern. Unter anderem müsse die Gewährung staatlicher Leistungen auf maximale Weise vereinfacht werden. Und zur Grundlage dafür werde das Vertrauen zwischen dem Staat, dem Business und den Bürgern. Dies werde unter anderem den grenzüberschreitenden Handel vereinfachen sowie erlauben, die Steuern und Verwaltungskosten zu reduzieren. Die Realisierung dieser Neuerungen würden erhebliche Anstrengungen erfordern. Man dürfe sie aber nicht ignorieren. „Um eine digitale Gesellschaft und eine entwickelte Wirtschaft zu schaffen, haben wir vor allem beschlossen, unsere digitale Architektur auf den zwei wichtigen Prinzipien – dem Vertrauen und der Sicherheit – zu verankern. Die digitalen Prozesse müssen praktische, aktuelle und nützliche für die Menschen und das Business sein. Wenn dies nicht erfolgt, so ist dies keine Digitalisierung, sondern eine Imitation, was nutzlos ist“, unterstrich der armenische Regierungschef Paschinjan. „Um eine digitale Gesellschaft und eine entwickelte Wirtschaft zu gestalten, haben wir vor allem beschlossen, unsere digitale Architektur auf zwei wichtigen Prinzipien – dem Vertrauen und der Sicherheit – zu verankern. Die digitalen Prozesse müssen praktische, aktuelle und nützliche für die Menschen und das Business sein. Wenn dies nicht erfolgt, ist dies keine Digitalisierung, sondern eine Imitation, was nutzlos ist“, unterstrich der armenischen Regierungschef Paschinjan. Bemerkenswert ist, dass die gesamte Plenartagung der Grundeinstellung des armenischen Premiers entsprach. Wenn auch nicht ohne Holprigkeiten, so strahlten die Teilnehmer des Treffens doch Optimismus und Freundlichkeit aus. Und Weißrusslands Premierminister Roman Golowtschenko wurde da zu keiner Ausnahme, der als erstes Paschinjan für den Empfang dankte. Zu diesem Zeitpunkt hatte man scheinbar den kalten diplomatischen Krieg zwischen Jerewan und Minsk vergessen. Dabei betonte Golowtschenko, dass man ungeachtet bestimmter Erfolge bei der Digitalisierung der Länder der EAWU die Probleme nicht ignorieren könne. „Das Tempo entspricht nicht den abgestimmten Plänen. Von den 39 (vereinbarten) gemeinsamen Prozessen sind alle EAWU-Staaten nur an 21 beteiligt. Und ein Informationsaustausch erfolgt nur in Bezug auf 18“, gestand der Minsker Vertreter ein. Dennoch sei nach seinen Worten in Weißrussland eine zielgerichtete Politik zur Entwicklung der Digitalisierung ausgearbeitet worden. So forciere die Republik das Tempo zur Importsubstitution. Zusammen mit den russischen Kollegen entwickle sie die Optoelektronik. Der weißrussische Premier betonte, dass die Digitalisierung den gemeinsamen Interessen der Länder der EAWU dienen müsse. Dies bedeute, dass sie auf der Basis einheitlicher Prinzipien und Herangehensweisen implementiert werden müsse. Kasachstans Regierungschef Olshas Bektenow erklärte seinerseits mit Stolz, dass sein Land der Spitzenreiter in der IT-Industrie unter den Ländern Zentralasiens sei. „Der Beitrag des IT-Sektors zum BIP Kasachstans macht 4,3 Prozent aus. Über 93 Prozent der staatlichen Leistungen werden ausschließlich in elektronischer Form gewährt“, unterstrich der Kabinettschef. Bektenow teilte gleichfalls mit, dass Astana für eine gemeinsame Digitalisierung im Rahmen der EAWU eintrete. Als eines der positiven Beispiele führte er den Start des Portals für eine unifizierte Suche „Arbeit ohne Grenzen“ an, mit dessen Hilfe man Arbeitsplätze und Mitarbeiter in den Ländern des Bündnisses suchen könne. „Die Digitalisierung ist keine Modetrend, sondern ein Unterpfand für ein wirtschaftliches Prosperieren“, resümierte der kasachische Regierungsvorsitzende. Die Digitalisierung eröffne neue Horizonte, pflichtete Kirgisiens Premier Akylbek Dschaparow bei. „Wir schaffen ein gemeinsames Hirn für die EAWU. So unifizieren wir unsere Standards, vereinfachen wir die grenzüberschreitenden Prozeduren und gestalten einheitliche Mechanismen für einen Informationsaustausch“, sagte er. Dabei hatte er entschieden, sich mit dem Projekt „Digitaler Zoll“ zu rühmen, das erlaubte, die Abfertigungsdauer an der Grenze erheblich zu verringern. Während bis zum Jahr 2020 dies im Durchschnitt fünf Stunden und 18 Minuten in Anspruch genommen hätte, so erfordere dies weniger als 45 Minuten. „Die Eurasische Wirtschaftsunion besteht zehn Jahre. Dies ist nicht die größte Zeitspanne. Man kann aber mit Sicherheit sagen, dass das Integrationsprojekt aufgegangen ist und erfolgreich funktioniert… Das Bündnis hat alle Möglichkeiten, um zu einem der Pole der entstehenden multipolaren Welt zu werden“, ist sich Russlands Premierminister Michail Mischustin sicher. Nach seinen Worten werde das weitere Vorankommen davon abhängen, wie die Verbündeten an der Gestaltung eines gemeinsamen digitalen Raums arbeiten werden. „Vor uns steht eine große Herausforderung. Wir müssen die technologische Unabhängigkeit der Union sichern, das Tempo des Eindringens von Technologien in die Wirtschaft, den sozialen Bereich und in die staatliche Verwaltung bewahren und erhöhen. Solche Systemaufgaben kann man nur durch gemeinsame Anstrengungen lösen. Und man muss sich ausschließlich auf eigene Entwicklungen und Neuerungen stützen“, sagte Mischustin. Dabei warnte Russlands Premierminister, dass ein Verzicht auf eine digitale Souveränität, ein Ausbremsen der Prozesse zur Harmonisierung der digitalen Umgestaltung im eurasischen Raum, aber auch ein unvorsichtiges Implementieren von (technischen und technologischen) Lösungen aus den für Russland unfreundlichen Ländern durch eine Reihe von Beteiligten des Bündnisses zum Auftreten von Handels- und administrativen Barrieren führen könne. „Dies ist in der Lage, die Grundlagen der Integrationsvereinigung zu untergraben“, fügte Mischustin hinzu. Nach seinen Aussagen müsse die EAWU die Entwicklung eigener wettbewerbsfähiger digitaler Lösungen anschieben sowie die Kooperation der führenden Technologie-Unternehmen erweitern. In diesem Zusammenhang sprach er über die technologische Souveränität, nach der die Russische Föderation strebe. Er betonte unter anderem, dass Russland sich bereits mit mehr als zur Hälfte mit einheimischen Server-Plattformen und Systemen zur Informationsspeicherung versorge. Dabei räumte er jedoch ein: „Konsequent erhöhen wir den Anteil der eingesetzten russischen elektronischen Komponente“, ohne auf Details und genaue Zahlen einzugehen. „Gegenwärtig starten wir die Herstellung von Basisstationen auf der Grundlage russischer Software für die 4G- und 5G-Fernmeldenetze. Im kommenden Jahr planen wir, die Serienproduktion solcher Lösungen zu starten“, kündigte Mischustin an. „Insgesamt verfügt Russland über moderne Technologien und digitale Plattformen und hat die Herstellung einer Reihe elektronischer Gadgets organisiert. Und wir schlagen hier den Bündnispartnern vor, zu diesen Entwicklungen überzugehen, eine zusätzliche Nachfrage zu generieren und die digitale Souveränität und unsere gemeinsame Wirtschaft zu stärken. Es kommt die Zeit, in der wir aktiver unseren gemeinsamen Markt der digitalen Technologien vor Unternehmer anderer Regionen verteidigen müssen“, unterstrich Mischustin, der damit erneut gegen die aus russischer Sicht unfreundlichen Staaten Front machte. Allerdings erfolgte nach dem Forum eine erweiterte Tagung des Eurasischen Regierungsrates, bei der sich herausstellte, dass die Bündnispartner nicht nur mit der Digitalisierung Probleme haben. Wobei die Warnungen Moskaus keine große Wirkung auf sie ausüben. So teilte Paschinjan mit, dass das Fehlen einer Entscheidung zu Fragen eines gemeinsamen Energiemarktes das Wachstumstempo der Volkswirtschaften der EAWU-Mitglieder wesentlich ausbremse. Dabei unterstrich er, dass Jerewan niemals einer Einschränkung seiner Souveränität in Fragen der regionalen Kommunikationswege zugestimmt hätte. „So etwas hat es nie gegeben. Und dies ist eine offensichtliche Verzerrung der Fakten. Armenien übernimmt die klare Verpflichtung, die Sicherheit der Frachtgüter, der Transportmittel und Menschen auf seinem Territorium zu gewährleisten. Und wir garantieren dies“, sagte Paschinjan. Wie unschwer zu erraten ist, galten seine Worte Moskau und Baku. In der gemeinsamen Erklärung vom 9. November 2020 hatten die Spitzenvertreter Russlands, Armeniens und Aserbaidschans mitgeteilt, dass alle Wirtschafts- und Transportverbindungen zwischen den beiden Kaukasus-Republiken deblockiert werden müssen. Und die Kontrolle der Transportverbindungen würden russische Grenzer vornehmen. Später aber begannen die armenischen Offiziellen darauf zu bestehen, dass sie entweder selbst die Sicherheit der Frachtgüter gewährleisten oder diese Mission einer privaten Agentur anvertrauen könnten.