Am Dienstag wurde gleich in zweiter und in dritter Lesung durch die Staatsduma (das russische Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) ein Gesetz verabschiedet, das erlaubt, ab dem 1. September grenzüberschreitende Zahlungen und Börsengeschäfte in digitalen Währungen im Rahmen experimenteller Rechtsregimes vorzunehmen. Die Abgeordneten legalisierten gleichfalls das Mining von Kryptowährungen in Russland. In der Zentralbank verheißt man, dass die ersten Zahlungen in Kryptowährungen bis zum Ende dieses Jahres im Rahmen der experimentellen Modalitäten beginnen würden.
„Faktisch treffen wir eine historische Entscheidung. Wir erlauben, viele Fragen zu klären, die mit den Zahlungen unserer Subjekte der Wirtschaftstätigkeit und ihrer ausländischen Partner verbunden sind“, unterstrich am Dienstag der Chef des Duma-Ausschusses für den Finanzmarkt, Anatolij Aksakow (Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“) bei der Sitzung des Unterhauses. „Die Gesetzesvorlage zielt auf eine gesetzliche Verankerung einer real existierenden Erscheinung ab – das sogenannte Mining, d. h. die Geldschöpfung in Kryptowährungen. Diese Gesetzesvorlage erlaubt, die entsprechende Tätigkeit legal vorzunehmen“, fügte er hinzu.
Entsprechend dem neuen Gesetz wird die Zentralbank mit Funktionen der bevollmächtigten und regulierenden Behörde für Fragen der experimentellen Rechtsregimes im Bereich des Umlaufs digitalen Geldes. Als Aufsichtsbehörde wird die Zentralbank unter anderem ein Monitoring der Tätigkeit von Initiatoren experimenteller Rechtsregimes zwecks Ermittlung von Risiken hinsichtlich des Zufügens eines Schadens für die Verteidigung und Sicherheit des Staates, aber auch von Risiken der Legalisierung krimineller Einnahmen und Finanzierung von Terrorismus vornehmen. Nach Feststellung solcher Risiken ist die Zentralbank verpflichtet, innerhalb von maximal zehn Tagen den Inlandsgeheimdienst FSB und Rosfinanzmonitoring darüber zu informieren.
An der Stelle sei betont, dass die vorerst geltende Gesetzgebung verbietet, Kryptowährungen im Zahlungsverkehr zu verwenden. Das neue Gesetz erlaubt nun aber, Kryptowährungen als Zahlungsmittel in der Außenhandelstätigkeit im Rahmen experimenteller Rechtsregimes einzusetzen. Dabei müssen durch ein Programm für diese die Rechte und Pflichten der Beteiligten an solchen Zahlungen, aber auch der Organe und Agenten für Devisenkontrolle bestimmt werden.
Die Zentralbank wird ebenfalls eine spezielle elektronische Plattform für Operationen mit digitalen Währungen auf der Grundlage des Nationalen Zahlungssystems schaffen, die Regeln für ihre Arbeit, aber auch die Anforderungen an die Tätigkeit ihres Betreibers bestimmen. Bereits ab kommenden September wird die Zentralbank gleich mehrere Experimente durchführen können – zur Verwendung von Kryptowährungen für Zahlungen im Außenhandel, zur Abwicklung von Börsengeschäften mit Kryptowährungen und zur Schaffung der elektronischen Plattform für Operationen mit Kryptowährungen auf der Grundlage des Nationalen Zahlungssystems.
Am Dienstag wurde gleichfalls in zweiter und dritter Lesung eine Norm verabschiedet, die ab November in Russland das Mining von Kryptowährungen zu legalisieren erlaubt. Mit Mining können sich die russischen Rechtspersonen und individuellen Unternehmer befassen, die in ein entsprechendes Register des russischen Finanzministeriums aufgenommen worden sind. Die Bürger Russlands, die keine individuellen Unternehmer sind, können sich mit einem Mining digitaler Währungen ohne eine Aufnahme in das ausgewiesene Register befassen, wenn sie die von der Regierung der Russischen Föderation festgelegten Obergrenzen für den Stromverbrauch nicht überschreiten. Rechtspersonen und individuelle Unternehmer können die Tätigkeit eines Betreibers einer Mining-Infrastruktur nach Aufnahme in ein entsprechendes Register solcher Betreiber, das das Finanzministerium betreuen wird, wahrnehmen. Dabei können sich die individuellen Unternehmer nicht mit einem Mining befassen, die keine aufgehobenen Vorstrafen oder nicht getilgte Vorstrafen aufgrund von Straftaten im Wirtschaftsbereich, gegen die Staatsgewalt oder aufgrund von vorsätzlichen Straftaten mittlerer Schwere, schwere und besonders schweren Verbrechen haben, die in das Verzeichnis von Terroristen und Extremisten aufgenommen wurden. Gleiches gilt ebenfalls für die Rechtspersonen, die derartige Personen unter den Gründern (Gesellschaftern), Benefiziaren und Führungskräften haben.
Im Verlauf der zweiten Lesung war das Verbot für die Organisierung eines Verkehrs digitaler Währungen auf dem Territorium der Russischen Föderation aus dem Dokument ausgeschlossen worden. Dabei wird aber ein Verbot für Werbung für Kryptowährungen und deren Anbieten für einen unbegrenzten Personenkreis eingeführt. Dieses Verbot wird gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes wirksam werden.
Einen Tag zuvor hatte der Duma-Ausschuss für den Finanzmarkt dem Unterhaus empfohlen, in zweiter Lesung eine Norm zu verabschieden, der entsprechend ausländische digitale Finanz-Aktiva an russischen Blockchain-Plattformen gehandelt werden können. Die Norm wurde als Änderung zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über die Regulierung der Mining-Tätigkeit ausgestaltet. Im Rahmen dieser Präzisierungen wird die Zentralbank mit dem Recht ausgestattet, ein Verbot für das Platzieren einzelner Emissionen zu verhängen, wenn sie darin eine Gefahr für die Finanzstabilität der Russischen Föderation ausmacht. Die Änderungen vereinfachen gleichfalls die Integration russischer digitaler Finanz-Aktiva mit ausländischen Systemen.
„Wir haben zur zweiten Lesung eine recht ausgewogene Gesetzesvorlage vorbereitet, die helfen wird, die Industrien effektiv zu entwickeln. Wir betrachten in erster Linie die Kryptowährungen als ein Instrument zum Umgehen der Sanktionen und einen Punkt hochtechnologischer Exporte“, unterstrich am Dienstag der stellvertretende Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Informationspolitik, Informationstechnologien und Fernmeldewesen, Anton Gorelkin (Kremlpartei „Einiges Russland“). Nach seinen Worten belege Russland heute weltweit den zweiten Platz in Bezug auf das Mining.
Grenzüberschreitende Zahlungen seien gegenüber Sanktionen anfällig, solang sie in Dollar und Euro über SWIFT erfolgen. Gerade daher sei es wichtig, alternative Kanäle zu entwickeln, erklärte am Dienstag Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina im Föderationsrat (dem russischen Oberhaus – Anmerkung der Redaktion). „Ich gehe darauf ein, was sowohl uns als auch das Business derzeit sehr stark beunruhigt. Dies sind die grenzüberschreitenden Zahlungen… Das Business findet in der Regel einen Ausweg. Aber die Ketten, die Zeiträume werden länger, die Kosten nehmen zu“, sagte sie.
In der Zentralbank rechnet man dabei damit, dass die ersten experimentellen grenzüberschreitenden Zahlungen in Kryptowährungen bereits bis Ende des laufenden Jahres erfolgen werden. „Die Bedingungen des Experiments erörtern wir bereits mit Ministerien und Institutionen, mit dem Business“, konstatierte Nabiullina. „In der Perspektive sind auch grenzüberschreitende Zahlungen in digitalen Währungen der Zentralbanken möglich. Wir führen dazu mit einer Reihe von Ländern einen Dialog“, teilte die Zentralbank-Chefin mit.
Außerdem verabschiedete am Dienstag die Staatsduma in zweiter Lesung die Gesetzesvorlage, die ausländischen Banken (aus befreundeten Ländern Russlands – Anmerkung der Redaktion) erlaubt, in der Russischen Föderation eigene Filialen zu eröffnen, aber nicht mehr als eine. Diese Änderung wird helfen, die Bedingungen für eine Entwicklung des Systems der internationalen Zahlungen zu schaffen, aber auch die Gewinnung ausländischer Investitionen für die Wirtschaft der Russischen Föderation zu fördern. Somit wird eine ausländische Bank über ihre Filiale in der Russischen Föderation eine professionelle Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt vornehmen können.
Filialen ausländischer Banken in Russland können Konten einrichten und führen, Mittel in deren Hinsicht überweisen – aber unter Berücksichtigung der für sie festgelegten Einschränkungen. So können die Filialen keine Konten für natürliche Personen einrichten. Von den Operationen mit natürlichen Personen, darunter mit individuellen Unternehmern, kann eine ausländische Bank über ihre Filiale in Russland lediglich einen Kauf und Verkauf ausländischer Devisen in bar und bargeldlos ohne Eröffnung von Bankkonten, aber auch Überweisungen ohne Eröffnung von Konten, darunter für elektronisches Geld vornehmen. Die Filialen dürfen gleichfalls keine Gelder und Edelmetalle natürlicher Personen und Rechtspersonen auf Konten gewinnen, Edelmetall-Konten einrichten und führen sowie Operationen mit Edelmetallen abwickeln. Ihnen ist es untersagt, sich mit einer Produktions-, Handels und Versicherungstätigkeit zu befassen.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg lenkt die Aufmerksamkeit auf die rasante Veränderung der Haltung zu digitalen Währungen in der Russischen Föderation. Noch im Januar des Jahres 2022 plädierte die Zentralbank für ein vollkommenes Verbot in Bezug auf die Nutzung und Schaffung von Kryptowährungen, wobei sie erklärt hatte, dass sie ein ernsthaftes Risiko für die Finanzstabilität und ökonomische Sicherheit darstellen würden. Ende vergangenen Jahres schwächte die Zentralbank ihre Haltung ab, wobei sie eine experimentelle Nutzung von Kryptowährungen und das Mining bei grenzüberschreitenden Zahlungen unterstützte.
Dabei bewerten Experten unterschiedlich die Folgen aus der Legalisierung von Kryptowährungen. „Nur die großen Exporteure können die Bedingungen erfüllen, die in den Gesetzen dargelegt worden sind, was die Zahlungen in Kryptowährungen in einen „geschlossenen Klub“ verwandelt, der das Kleinunternehmertum und den Mittelstand ausschließt. Transaktionen werden beispielsweise nur für diejenigen zugänglich, die selbst Kryptowährungen erzeugen, was gegenwärtig nur große Unternehmen in Russland tun“, zitiert Bloomberg die Analytikerin Ani Aslanjan.
„Die digitalen Finanz-Aktiva, dies sind noch eine Etappe der Entwicklung des Finanzmarktes. Man muss verstehen, dass wir von gedeckten bzw. abgesicherten Vermögen sprechen. Die Erweiterung der finanziellen Möglichkeiten wird sich stets positiv für die Industrie auswirken. Ich bin mir aber nicht sicher, dass das Arbeiten mit digitalen Finanz-Aktiva die grenzüberschreitenden Zahlungen ernsthaft beeinflussen wird“, bezweifelt Prof. Michal Komarow von der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften.
Die Verwendung von Kryptowährungen für grenzüberschreitende Zahlungen würden die Sanktionsprobleme nicht lösen, meint Wladimir Schalajew, Partner der Firma „Rechtsgruppe“.
Es ist wichtig, sich dessen zu erinnern, dass grenzüberschreitende Zahlungen für das Business eine gewaltige Infrastruktur darstellen, die über Jahre aufgebaut wurde. Und die Mechanismen der Abwicklung solcher Zahlungen wurden ausgehend von den kolossalen Erfahrungen zusammengestellt, die früher erworben wurden, erinnert Georgij Nikonow, Generaldirektor des Zahlungsservice Vepay. „Jeglicher neuer Arbeitsmechanismus wird ganz bestimmt gefragt sein. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keinen klar beschriebenen Gesetzesakt und keine verständlichen Prozeduren, die den kompletten Zyklus des Auftauchens von Kryptowährungen, ihres Aufbewahrens auf Konten und der weiteren Zahlungen regelt. Wenn die Aufsichtsbehörde und die entsprechenden Blockchain-Plattformen oder deren Betreiber ein verständliches Regelwerk für alle Industrien vorlegen, die eine Außenhandelstätigkeit vornehmen, wird dies bestimmt interessant werden. Ein anderer Aspekt dieses Zusammenwirkens besteht darin, dass die Seite des Empfängers solcher Zahlungen an die russischen Blockchain-Plattformen angekoppelt sein und die Fähigkeit besitzen muss, übermittelten Daten zu chiffrieren. Dies verlangt aber einen gehörigen Zeitumfang für eine Integration, für Tests und das Abstimmen des (jeweiligen) Service“, meint der Experte.
„Neben einer Zulassung ausländischer digitaler Finanz-Aktiva ist es wichtig, eine vollkommen handlungsfähige Infrastruktur sowohl im Land als auch auf zwischenstaatlicher Ebene zu gestalten. Und innerhalb der Russischen Föderation digitale Finanz-Aktiva als Zahlungsinstrument zu legitimieren“, unterstreicht Dmitrij Zelischtschew, Geschäftsführer der Firma „Ricom Trust“.
„Die neue Norm wird erlauben, ausländische digitale Finanz-Aktiva auf den russischen Markt zu lassen. Die größte Frage besteht jedoch darin, dass es in einer Reihe befreundeter Länder (mit Ausnahme Brasilien und der VAE) schlicht und einfach keine analogen Vermögenswerte gibt. Beispielsweise gibt es in Indien und der Republik Südafrika (die BRICS-Staaten sind) ganz und gar nicht das Instrument der digitalen Finanz-Aktiva als solches. Und in China sind jegliche Kryptowährungen und digitale Finanz-Aktiva vollkommen verboten. Dies löst nicht das Problem der grenzüberschreitenden Zahlungen, da die digitalen Finanz-Aktiva zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein populäres Zahlungsmittel sind. Außerdem sind die digitalen Finanz-Aktiva nur für den russischen Markt relevant. Für die ausländischen Märkte werden Kryptowährungen eine Nachfrage haben“, meint die Expertin des Zentrums Russland-OECD der Präsidentenakademie, Maria Giritsch.