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Russlands Bürger bekommen im nächsten Winter Kartoffeln aus befreundeten Ländern


Zum Hauptthema der Regierungssitzung wurden am Donnerstag, dem 7. November die Erörterung der vorläufigen Bilanz der Ernte dieses Jahres und die Vorbereitung der Aussaat im nächsten Jahr. Wichtig sei es, die Entwicklung der Inlandsproduktion zu gewährleisten und systematische Maßnahmen zur Erhöhung des Angebots an Agrarerzeugnissen auszuarbeiten, damit die Menschen im Land stets eine Auswahl an einheimischen qualitätsgerechten Nahrungsmitteln haben, erklärte Premier Michail Mischustin.
Der russische Kabinettschef beauftragte das Landwirtschafts- und das Finanzministerium der Russischen Föderation, die Finanzierung der Aussaat-Kampagne des kommenden Jahres abzusichern. „Ich bitte Sie, sich außerordentlich aufmerksam gegenüber der Vorbereitung der Aussaat-Kampagne des Jahres 2025 zu verhalten. Alles, was die Agrarier für die Aussaat-Kampagne brauchen, muss man schon heute durchdenken. Und eine Bitte, gesondert nach der Regierungssitzung mit (Finanzminister – „NG“) Anton Germanowitsch Siluanow die Fragen hinsichtlich des ausreichenden Umfangs an Mitteln für die Aussaat-Kampagne zu klären. Ich meine die Investitionsmittel. Mit allen Agrarerzeugern, mit denen Sie Kontakt haben, muss der ausreichende Umfang an Investitionsmitteln abgeklärt werden“, sagte Mischustin, wobei er sich an Landwirtschaftsministerin Oxana Lut wandte.
Der Premier erteilt ebenfalls den Auftrag, aufmerksam die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Blick zu haben. „Es ist sehr wichtig, dass das Angebot der Wirtschaft, mit dem wir uns befassen, auch hinsichtlich der Früchte und des Gemüses ausreichend ist“, unterstrich der Regierungschef.
Ungeachtet der ungünstigen Witterungsbedingungen hätten die russischen Agrarier in diesem Landwirtschaftsjahr 128 Millionen Tonnen Getreide eingebracht, teilte der russische Premier Michail Mischustin zu Beginn der Sitzung mit. Wobei ihn wenig später (am 15. November) das russische Statistikamt Rosstat korrigieren musste: Per 1. November waren 124,3 Millionen Tonnen Getreide geerntet worden, fast 17 Millionen Tonnen weniger als im vergangenen Jahr. Mischustin erklärte weiter: „Eine gute Zunahme gibt es in Bezug auf die Ölkulturen – konkret in Bezug auf Soja, Sonnenblumen und Raps“. Schützenhilfe leistete ihm die Landwirtschaftsministerin. Sie sagte voraus, dass entsprechend der Jahresbilanz 130 Millionen Tonnen Getreide eingebracht werden würden, darunter 83 Millionen Tonnen Weizen. Schließlich erfolge die Erntekampagne ungeachtet der unterschiedliche Witterungsbedingungen insgesamt ordnungsgemäß
„Ich erinnere daran, dass der Inlandskonsum an Getreide bei uns 87 Millionen Tonnen ausmacht. Somit haben wir bereits vollkommen die Lebensmittelsicherheit hinsichtlich dieser Richtung abgesichert“, unterstrich die Ministerin, wobei sie hinzufügte, dass dieses Ergebnis in die Top 5 der besten in der neuesten Geschichte Russlands eingehen werde und dem Land erlaube, das Exportpotenzial zu bewahren.
Was die Ernte anderer Kulturen angeht, so sind laut vorläufigen optimistischen Prognosen rund 28 Millionen Tonnen an Ölkulturen eingebracht worden, wobei in Bezug auf Soja und Raps 7 Millionen bzw. 4,6 Millionen Tonnen geerntet werden. Zuckerrüben – rund 44 Millionen Tonnen, was erlauben wird, 6,3 bis 6,4 Millionen Tonnen Zucker zu produzieren. „Solch ein Umfang wird ebenfalls vollkommen unseren Inlandsbedarf decken“, betonte Oxana Lut. Damit diese letzte Voraussage aufgeht, müssen die russischen Agrarier noch ordentlich zulegen. Rosstat meldete am 15. November, dass per 1. November 35,5 Millionen Tonnen Zuckerrüben geerntet wurden (zwei Millionen Tonnen weniger als im vergangenen Jahr).
Außerdem erwartet man im Landwirtschaftsministerium, dass über sieben Millionen Tonnen Kartoffeln und etwa 7,4 Millionen Tonnen Gemüse im organisierten Agrarsektor eingebracht werden. Die Erträge werden damit jedoch unter denen des vergangenen Jahres liegen. „Für eine zusätzliche Versorgung des Marktes mit Kartoffeln und Freilandgemüse planen wir, rechtzeitige Importe aus befreundeten Ländern vorzunehmen“, sagte die Landwirtschaftsministerin. Dabei erwarte man im organisierten Sektor hinsichtlich des Gewächshausgemüses – darunter in Bezug auf Gurken und Tomaten – ein maximales Produktionsergebnis – ca. 1,6 Millionen Tonnen.
Zum Vergleich. Im vergangenen Jahr wurden rund 143 Millionen Tonnen Getreide eingebracht, das zweithöchste Ergebnis in der Geschichte Russlands. Und unter Berücksichtigung der Ernte auf dem Territorium des Donbass und Noworossia – etwa 147 Millionen Tonnen. Oxana Lut nannte auch die Gründe für den diesjährigen Rückgang – die Frosteinbrüche im Frühjahr, die Trockenheit im Sommer und umfangreichen Niederschläge während der Ernte. Alles in allem werden wohl 20 bis 22 Millionen Tonnen weniger Getreide verbucht werden.
Über die Perspektiven des kommenden Jahres sagte die Landwirtschaftsministerin, dass derzeit über 19 Millionen Hektar mit Getreide und technischen Kultur bestellt worden seien. „Hinsichtlich der Jahresbilanz rechnen wir damit, eine Fläche von etwas weniger als 20 Millionen Hektar zu erreichen, was dem Stand des vergangenen Jahres nahekommt. Wir erweitern planmäßig die Anbauflächen in den neuen Regionen. Wir planen, in diesen Subjekte 1,6 Millionen Hektar mit Wintergetreide zu bestellen (dies ist um drei Prozent mehr als im vergangenen Jahr“, betonte O. Lut.
Obgleich man im Landwirtschaftsministerium über Erfolge des eiheimischen Agrarsektors berichtet, sehen die Rosstat-Daten nicht so optimistisch aus. Die September-Bilanz wies für die Agrarerzeugnisse eine minimale Zunahme von 0,2 Prozent nach dem Einbruch um 14,7 Prozent im August aus. In den ersten neun Monaten dieses Jahres musste daher ein Gesamtrückgang der Agrarproduktion von 2,3 Prozent hingenommen werden.
Eine Stagnation der Produktion wird nicht nur im Ackerbau beobachtet. Der Rinderbestand in den Betrieben aller Agrarerzeuger verringerte sich um vier Prozent und machte Ende September 17,2 Millionen Tiere aus. Wobei der Bestand an Kühen um 3,2 Prozent zurückging, der an Schafen und Ziegen – um 4,4 Prozent.
Es stagniert auch die Milchproduktion. So wurden im Zeitraum Januar-September dieses Jahres in den Betrieben aller Kategorien lt. Berechnungen über 26 Millionen Tonnen Milch erzeugt, was lediglich 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr sind. Im analogen Zeitraum des vergangenen Jahres betrug die Steigerung 2,5 Prozent. Und allein im September dieses Jahres wurden weniger als drei Millionen Tonnen Milch erzeugt – ein Minus von 0,2 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres.
Was den durch Unwetter verursachten Schaden angeht, so hätten die Versicherungszahlungen mit einer staatlichen Unterstützung aufgrund des Verlustes der Ernte 2,6 Milliarden Rubel ausgemachte, hatte zuvor die Ministerin mitgeteilt. Entsprechend den Ernteergebnissen könne diese Summe bis auf 5,5 Milliarden Rubel ansteigen, schätzt man im Landwirtschaftsministerium. „Außerdem sind aus dem Reservefonds der Regierung 930 Millionen Rubel für eine Unterstützung der Gartenbaubetriebe bereitgestellt worden, di durch die Fröste betroffen worden waren“, fügte Oxana Lut hinzu.
Im Ministerkabinett versprach man am 7. November seinerseits, auch weiterhin operativ auf die Bedürfnisse des Agrar-Industrie-Sektors zu reagieren. Regierungschef Michail Mischustin merkte an, dass in den letzten Jahren die Unterstützung für die Landwirtschaft erheblich aufgestockt worden sei. „Insgesamt sind im laufenden Jahr aus dem föderalen Haushalt für solche Zwecke rund 580 Milliarden Rubel bereitgestellt worden“, berichtete der Premier. „Im Entwurf des Hauptfinanzdokuments hat man für das kommende Jahr die notwendigen Mittel vorgesehen, um im vollen Umfang und zu den vom Staatsoberhaupt gestellten Fristen das Tempo für die technologische Modernisierung des Agrar-Industrie-Komplexes zu gewährleisten“, fügte er hinzu.
Der Premier erinnerte daran, dass im Land ein flexibler, auf die Bedürfnisse des Agrar-Industrie-Komplexes orientierter Mechanismus zur Gewährung einer Finanzierung für die Agrarier wirke. „Wir subventionieren eine ganze Reihe von Kreditprogrammen, wobei wir die Anleihen zu vergünstigten Prozentsätzen für lange Investitionsvorhaben und für einen kurzen Zeitraum zu erschwinglichen machen. Um die Stabilität der Erzeuger von Agrarprodukten zu gewährleisten, stellen wir zusätzliche Mittel für eine Bezahlung der übernommenen Verbindlichkeiten in Bezug auf früher gewährte Kredite bereit. Wir setzen für solche Zwecke über 30 Milliarden Rubel ein. Dies wird erlauben, mindestens 50.000 Anleihen zu finanzieren, die bereits durch unsere Agrarier erhalten wurden“, versprach der Vorsitzende des Ministerkabinetts.
„Wir helfen auch bei der Erneuerung der Technik für den Agrar-Industrie-Komplex. Im Rahmen von Leasing-Programmen sind über das Industrie- und Handelsministerium fast 30.000 Fahrzeuge und andere Technik im laufenden Jahr erworben worden“, betonte Mischustin.
„Wenn wir über den Anbau von Getreide in der Russischen Föderation sprechen, so betrug bis zum Beitritt der neuen vier Regionen zur Russischen Föderation, die unter anderem auch Agrarregionen sind, die Norm für die Getreideernte in Russland 120 bis 130 Millionen Tonnen. Danach erhöhte sich dieser Parameter bis auf 130 bis 150 Millionen Tonnen. Selbst unter Berücksichtigung der Zunahme des Inlandsverbrauchs an Getreidekulturen von 80 bis auf 83 Millionen Tonnen erzeugen wir nach wie vor weitaus mehr als wir verbrauchen können. Es darf nicht vergessen werden, dass es in Russland eine strategische Reserve an Getreide gibt“, sagte Kirill Jermolenko, Leiter des Agrar-Ausschusses der Business-Vereinigung „Stütze Russlands“ des Verwaltungsgebietes Samara.
Die Situation im einheimischen Agrar-Industrie-Komplex ähnele der Situation in der Wirtschaft des Landes insgesamt, meint der Mitbegründer der Vereinigung der Weinbauer und Winzer „Sewastopol“, Oleg Nikolajew. „Es gibt gute Bruttowerte in der Phase der primären Verarbeitungsstadien, aber Probleme mit der Umwandlung der Rohstoffe in hochwertigere Produkte, die nicht nur über einen größeren Mehrwert verfügen, sondern auch über einen längeren Zeitraum gelagert werden können“, urteilt er.
„Zu einem Problem des russischen Agrar-Exports in der Periode seiner stürmischen Entwicklung im vorangegangenen Jahrzehnt wurde die Orientierung auf die Ausfuhr entweder primären Erzeugnisse des Ackerbaus – Getreide – oder von Produkten einer ersten Verarbeitung. Zu einer Folge dessen wurde die starke Abhängigkeit des Exports von der Ernte, was eine Bewertung der Effektivität seiner Unterstützung erschwert“, fügte Denis Ternowskij, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Agrar- und Lebensmittelpolitik an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst, hinzu.