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Russlands Bürger schnallen den Gürtel enger und gehen bescheidener ins zweite Jahr mit der militärischen Sonderoperation


Die Bürger Russlands, die jedes Jahr die Ausgaben für die Neujahrsfeiertage erhöht hatten, scheiterten an der Krise des Jahres 2022 und wurden vor dem Hintergrund der zweistelligen Inflationsrate (lt. Angaben der letzten Woche etwa 12,5 Prozent bisher auf das Jahr hochgerechnet – Anmerkung der Redaktion), der geopolitischen Instabilität und des Rückgangs der persönlichen Einnahmen sparsamer. Die Experten der „NG“ betonen, dass das Sortiment des Silvestertischs unverändert sei. Der statistische Durchschnittsbürger Russlands wird genauso Sekt trinken sowie den Salat „Olivier“ und Kaviar und Mandarinen essen. Aber gespart muss werden – an der Dauer des lukullischen Teils der Feiertage, an der Qualität der Lebensmittel und bei den Geschenken. Zumal der Einzelhandelsumsatz bei den Waren aus dem Nichtlebensmittelbereich sich in einem stabilen Sinkflug befindet und die ganze Zeit seit Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine (seit dem 24. Februar – Anmerkung der Redaktion) bei einem Wert für den Einbruch von 15 Prozent liegt.

Der durchschnittliche Etat für den Silvesterabend und die Neujahrsfeiertage wird für eine Person ohne Berücksichtigung der Geschenke in diesem Jahr 17.500 Rubel (umgerechnet etwa 244 Euro) ausmachen, zeigte eine Befragung des Forschungszentrums des Internetportals www.SuperJob.ru.

Laut der Befragung entfällt die maximale Durchschnittssumme an Feiertagsausgaben auf die Mitbürger mit einem Monatseinkommen ab 80.000 Rubel. Sie beabsichtigen, 19.600 Rubel auszugeben. Genau solch eine Summe im Durchschnitt planen, die russischen Männer auszugeben. Die Frauen drücken jedoch stark das Gesamtergebnis. Laut den Ergebnissen der erwähnten Untersuchung wird deren Durchschnittsetat für den Silvesterabend und die Neujahrsfeiertage 14.400 Rubel ausmachen.

Jedoch wird der durchschnittliche Etat für die Silvesternacht und die Neujahrsfeiertage um 4,6 Prozent bescheidener als vor einem Jahr ausfallen, als der statistische Durchschnittsbürger Russlands für den Rutsch ins neue Jahr 2022 und die Neujahrsfeiertage 18.500 Rubel ausgab. Wobei dies der erste Fall in allen Krisenjahren ist, dass diese Ausgaben schrumpfen. Der Etat für Silvester und die Neujahrsferien lag Ende des COVID-Jahres 2020 im Durchschnitt bei 18.300 Rubel. Und im Jahr 2019 – bei 18.000 Rubel.

Nunmehr verringern Russlands Bürger den Etat, und dies vor dem Hintergrund dessen, dass die Ausgaben für den Silvesterschmaus um 12 bis 14 Prozent höher ausfallen. Solche Zahlen nennen die Analytiker der Investitionsfirma „Finam“. Etwa solche Zahlen erreichte zum Jahresende die Inflationsrate – 12,5 Prozent. Vertreter des Landwirtschaftsministeriums bezeichnen die Situation auf dem Lebensmittelmarkt als eine stabile. Und die Erhöhung der Preise bringen sie mit dem gewöhnlichen saisonbedingten Charakter in einen Zusammenhang. Im Dezember wird das Gemüse – Gurken, Tomaten, Kartoffeln, Möhren, Weißkohl – aufgrund des Rückgangs des Angebots auf dem Markt teurer. In der Assoziation der Einzelhandelsunternehmen (AKORT) versucht man zu beruhigen: Delikatessen und Schaumweine werden vor dem Jahreswechsel nicht teurer werden.

Laut Angaben des russischen staatlichen Staistikamts Rosstat kostete im vergangenen Jahr für eine Familie aus vier Personen der Silvesterschmaus im Durchschnitt 7.000 Rubel, in diesem Jahr bereits etwas mehr als 10.000 Rubel. Laut einer Befragung der Bank „Otkrytie“ und der Versicherungsgesellschaft „Rosgosstrakh“ seien 37 Prozent der Bürger Russlands bereit, für den Silvesterabend nicht mehr als 5.000 Rubel auszugeben. Weitere 38 Prozent haben vor, im Bereich von 5.000 bis 10.000 Rubel zu bleiben. Mit 10.000 bis 20.000 Rubel rechnen 15 Prozent der Befragten. Nur fünf Prozent planen, mehr als 20.000 Rubel auszugeben. Und weitere fünf Prozent beabsichtigen überhaupt nicht, einen Silvesterschmaus zu organisieren.

Außer den Neujahrsköstlichkeiten sind der zweite Hauptausgabenposten für diese Feiertage die Geschenke. Laut Angaben der Versicherungsgesellschaft „Alfastrakhovanie“ seien ca. 30 Prozent der Befragten bereit, für Geschenke 5000 bis 10.000 Rubel auszugeben. Weitere 27 Prozent – 15.000 bis 25.000 Rubel. Und 25,8 Prozent – 10.000 bis 15.000 Rubel. 12,4 Prozent der Befragten planen, erhebliche Ausgaben zu tätigen – 25.000 bis 50.000 Rubel. Die Durchschnittssumme, die Russlands Bürger für Neujahrsüberraschungen ausgeben gedenken, liegt in diesem Jahr bei 12.500 Rubel. Dies ist – wenn auch nicht allzu sehr – weniger als vor einem Jahr, konstatiert die Kommentatorin Jekaterina Posdejewa von der Internetseite www.finam.ru.

Die Neujahrsfeiertage seien doch bei uns das bedeutendste Fest. Und ungeachtet des ernsthaften Rückgangs der Geldeinnahmen würden Russlands Bürger die Angewohnheiten nicht stark ändern, sagte der „NG“ Georgij Ostapkowitsch, Direktor des Zentrums für Konjunkturforschungen an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften. „Wie erwartet wird, fallen die Geldeinnahmen von Russlands Bürgern entsprechend den Ergebnissen des Jahres um drei bis 3,5 Prozent. Dies bedeutet, dass die wegfallenden Einnahmen der Bürger im Vergleich zum vergangenen Jahr 2,5 bis 3 Billionen Rubel ausmachen werden. Eine gewaltige Geldsumme. Ein Rückgang der Einkommen hatte es aber auch in der COVID-Krise gegeben. Damals waren jedoch die Ausgaben für den Volksfeiertag gar etwas angestiegen.

Es sei offensichtlich, dass es jetzt mehr Unbestimmtheit gibt. Die Menschen beeinflusse stark die geopolitische Unbestimmtheit. Turbulenz auf dem Arbeitsmarkt würden auch der laufende wirtschaftliche Transformationsprozess und die Erweiterung der Anwendung neuer, darunter digitaler Technologien hinzufügen. Daher könnten sich auch jene Sorgen machen und die Ausgaben reduzieren, die nicht „grundlegend“ Fuß gefasst haben, darunter auch jene, die ein Familien-Business führen, sagte der Experte.

Dennoch aber würden Russlands Bürger nach Meinung von Ostapkowitsch den Traditionen treu bleiben. „Das Sortiment auf den Tischen wird gewahrt. Geben wird es sowohl Sekt als auch Kaviar und Salate. Die Vorräte an Lebensmitteln wird es nicht bis zum 3. Januar wie früher geben. Viele kaufen Lebensmittel ein, nur damit sie für die Silvesternacht und den 1. Januar reichen. Traditionell wird man an der Qualität der Produkte sparen. Sekt und Wodka kauft man billiger, der Kaviar wird nicht aus Kamtschatka für 1200 eine Dose, sondern für 400 Rubel aus dem Moskauer Gebiet sein“, sagt er. Die größten Einsparungen werde es bei den Geschenken geben, meint der Experte.

Die Wirtschaftsexpertinnen aus der „Alfa-Bank“ Natalia Orlowa und Irina Postowzewa hatten zuvor erläutert, worin die Besonderheit des Konsumverhaltens von Russlands Bürgern nach den Hochzeiten der COVID- und der jetzigen Krise besteht. Sowohl im Jahr 2020 als auch in diesem Jahr sei in den Diagrammen für die Dynamik des Einzelhandelsumsatzes ein starkes Absacken im Frühjahr auszumachen. Im Jahr 2020 brachen die Verkäufe von Nichtlebensmittel-Waren im April gleich um 35 Prozent ein. Im gleichen Monat, aber in diesem Jahr , gingen sie schon um 16,7 Prozent zurück.

Nur während in der COVID-Krise die Wiederherstellung der Nachfrage entsprechend einer V-förmigen Kurve erfolgte, wobei sie zum Sommer zu einem schwachen Wachstum von weniger als einem Prozent überging, erinnert die Diagramm-Kurve an den lateinischen Buchstaben L. Sowohl im Sommer als auch im Herbst lag der Rückgang auf einem Stand von rund 15 Prozent.

Die Verkäufe im Lebensmitteleinzelhandel sind nicht so tragisch zurückgegangen. Dennoch aber ist die Dynamik in diesem Jahr weitaus schlechter als vor zwei Jahren. Der April-Rückgang um 8,2 Prozent wurde bis zum Oktober des Jahres 2020 durch einen Rückgang um 1,2 Prozent abgelöst. In diesem Jahr wurden die Lebensmitteleinkäufe nach dem Anstieg im März um 4,8 Prozent durch einen Rückgang im April um 1,7 Prozent abgelöst. Und im Oktober machte der Wert bereits minus 4,3 Prozent aus.

„Es ist möglich, dass sich derzeit die russischen Haushalte auf eine Beibehaltung der Ausgaben im Lebensmittelsegment konzentrieren. Der Verbrauch von Lebensmittelwaren verringerte sich nur um 0,9 Prozent in den ersten neun Monaten des Jahres 2022, während er im Nichtlebensmittel-Segment um 10,2 Prozent einbrach“, schreiben Orlowa und Rostowzewa. Wenn die von den Expertinnen festgestellt Tendenz anhält, ist es offensichtlich, dass die Bürger die Ausgaben für den Festtagstisch nicht so reduzieren werden wie für Geschenke für Verwandte, Bekannte und sich selbst.

Die Regierung bessert die Prognosen hinsichtlich der Einkommen von Russlands Bürgern auf. Dennoch aber erwartet sie ein Rückgang. Das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung hat zum Herbst die Prognose hinsichtlich einer Verringerung des Reallohns im Jahr 2022 bis auf 2,9 Prozent von 3,8 Prozent in der Mai-Fassung der Prognose verbessert. Im kommenden Jahr erwartet das Ministerium ein Ansteigen der real zur Verfügung stehenden Einkommen der Bevölkerung nur um 1,2 Prozent, im Jahr 2024 – um 3,5 Prozent und im Jahr 2025 – um zwei Prozent.

„Viele Bürger Russlands hatten es vorgezogen, während der langen Neujahrsfeiertage ins Ausland zu reisen. Nunmehr sind die Varianten für solch einen Urlaub eingeschränkt. Und ein Urlaub auf dem Territorium der Russischen Föderation ist billiger (wenn auch qualitativ oft nicht gleichwertig – Anmerkung der Redaktion). Eine analoge Situation besteht auch mit den Geschenken. Einige Arten von Waren sind heutzutage nicht zugänglich, und die zugänglichen analogen sind billiger. Folglich kann man die Verringerung der Ausgaben als einen normalen Prozess bezeichnen“, sagte der „NG“ Artjom Tusow, amtierender Direktor des Departments für den Kapitalmarkt der Firma „IVA Partners“.

Nach Aussagen des Experten hätte die COVID-Krise die Menschen zu Hause eingesperrt. Und es hätten sich mehr Mittel für Ausgaben für den Jahreswechsel akkumuliert. „Und damals waren jegliche Waren aus dem Ausland zugänglich, was auch die Ausgaben erhöhte“, sagt er.

Nach Meinung von A. Tusow würden Russlands Bürger nicht sparen. Die Ausgaben würden aber dennoch aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Geldausgeben sinken. „Ausländische Kurorte sind mitunter einfach unzugänglich, wie allerdings auch die teuren Waren westlicher Marken, die man früher am Silvesterabend schenkte“, erläuterte der Experte.

„Bei den Neujahrsfeiertagen gibt es stets solch eine Größe, in deren Hinsicht man kaum sparen wird – dies sind der Salat „Olivier“, Schichtsalat mit Hering (Seljodka Pod Schuboj — Hering unterm Mantel) und ein Heißgericht, der sogenannte Lebensmittelkorb für das Feiern von Silvester und Neujahr. Er hat Standardformen, und die Menschen haben sich daran gewöhnt. Der Silvester- bzw. Neujahrstisch – dies sind bereits ein fester Begriff“, sagt Pawel Sigal, 1. Vize-Präsident der Unternehmervereinigung „Stütze Russlands“. Möglicherweise wird man, wenn man von einem Sparen spricht, anstelle von Auslandsreisen zu Orten innerhalb Russlands fahren. Als eine Variante wird man eventuell weniger für das Freizeit- und Unterhaltsprogramm an den Neujahrstagen sparen. Man kann die Ausgaben für Neujahrsgeschenke variieren. Es gibt Geschenke, die im Haushalt gebraucht werden, und es gibt die, die man als dekorative bezeichnen kann, die keinen besondere gedanklichen Inhalt außer eine Festtagsstimmung vermitteln. Daher muss in diesem Fall jeder für sich selbst entscheiden, wie er das Geld für dieses Fest ausgibt“.