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Russlands Energieministerium hat begonnen, sich über den Schutz der Erdöl- und Erdgas-Infrastruktur vor Drohnen Gedanken zu machen


Technische Maßnahmen zum Schutz der russischen Erdöl- und Erdgas-Infrastruktur vor Drohnenattacken sind bereits vor einigen Wochen auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die Anzahl der Angriffe auf Erdölverarbeitungsbetriebe und Reservoirs mit Kraftstoff macht schon Dutzende aus. Und bei Weitem nicht alle angegriffene Verarbeitungsbetriebe haben die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt. Schließlich fügt die Explosion von mehreren Dutzend Kilogramm Sprengstoff in unmittelbarer Nähe von komplizierten Industrieanlagen diesen einen wesentlichen Schaden zu, der nicht innerhalb von zwei oder gar von einer Woche beseitigt werden kann.

Die Verluste der russischen Erdöl-Unternehmen können Milliarden an Rubel ausmachen, die sich sowohl aufgrund der Instandsetzungsarbeiten und den Erwerb neuer Anlagen als auch wegen einer Verringerung der Lieferungen von Erdölprodukten ergeben. Wobei, wenn ein beschädigter Erdölverarbeitungsbetrieb in ursprünglicher Gestalt instandgesetzt wird, er erneut einer Attacke ausgesetzt werden kann. Im Zusammenhang damit ergibt sich die Frage: Hat es für die Erdölunternehmen denn nicht Sinn, sich Gedanken über die Errichtung gewisser Schutzschilde oder die Installierung von Luftabwehr-MGs rund um die kritisch wichtige Infrastruktur zu machen?

Es ist natürlich keine Sache von Journalisten, konkrete technische oder militärische Lösungen für den Schutz der Infrastrukturobjekte vorzuschlagen. Journalisten aus dem zivilen Bereich sehen jedoch, wie sich viele Militärs auf eigene Initiative hin erfolgreich vor Drohnen schützen. Vor zwei Jahren hatten Metallnetze über Autos und Panzern, die entsprechend den eigenen Möglichkeiten und Vorstellungen geschaffen wurden, sarkastische Kommentare von auf Sofas herumsitzenden Beobachtern ausgelöst. Doch es tauchten immer mehr Schutzgitter auf, die als „Grill-Kohlebecken“ („Mangaly“) bezeichnet wurden. Und heute ist bereits israelische gepanzerte Technik im Gaza-Streifen mit solchen „Mangalys“ unterwegs. Russische (Militär-) Technik rollte bereits aus den Betrieben und Werkstätten gar mit mehr oder weniger standardisierten Schutzgittern. Dabei sind die „Mangalys“ möglicherweise noch nicht als obligatorische Schutzmittel durch die höchste Militärführung und das Industrie-Spitzenmanagement bestätigt worden. Ein ähnliches Bild sehen Beobachter auch auf dem Gebiet der Marine-Technik. Es gibt aber viele Angaben über die Installierung einer zusätzlichen Bewaffnung an iranischen Schiffen für eine Abwehr von Attacken durch Schnellboote.

In vielen Ländern wird die Initiative mittlerer Führungsschichten beinahe als ein Zeichen non fehlender Loyalität angesehen. Jedoch sind übermäßige Verluste von Militärtechnik oder Industrieobjekten auch kein Zeichen für eine besondere Loyalität. Früher oder später stellen sich für die Eigner oder Führungskräfte von Industrieunternehmen die Fragen: Was haben Sie denn für eine Bewahrung der Technik getan? Haben Sie bei den Projektanten um eine Analyse von Varianten für einen Schutz gebeten? Haben Sie die Kosten und die Zeit für die Installierung von Schutzbauten und -vorrichtungen überschlagen?

Beamte und die Unternehmensinhaber begreifen augenscheinlich die großen Risiken einer Untätigkeit. Es sind nicht einmal einige Monate vergangen, und das Energieministerium der Russischen Föderation hat bekanntgegeben, dass es Sicherheitsmaßnahmen für die Erdölverarbeitungsbetriebe ausarbeite. Solch eine Ankündigung erfolgte am 19. März im Föderationsrat (Russlands Oberhaus – Anmerkung der Redaktion). „Die Frage nach der Sicherheit wird natürlich diskutiert, es wird daran gearbeitet. Und es gibt eine Gesetzesinitiative unserer Kollegen. Soweit ich verstehe, können wir im Falle eines Ausfalls irgendwelcher Anlagen und Ausrüstungen die Brenn- und Kraftstoff-Ströme stets umlenken. Das Wichtigste ist, dass die Bahn keinen Strich durch die Rechnung macht“, erläuterte lt. Interfax Artjom Werchow, Direktor des Departments für die Entwicklung des Gassektors im Energieministerium. „Wir spielen gemeinsam, unter anderem mit Kollegen aus der Russischen Garde, Maßnahmen für einen Schutz von Objekten, für die Stationierung von erforderlichen Verteidigungssystemen des Typs Panzir durch“, teilte er mit.

In den von Bränden und Explosionen betroffenen Unternehmen hat man es aber vorgezogen, keine „Gesetzesinitiativen“ abzuwarten. Im Verwaltungsgebiet Samara hat man begonnen, den Schutz der Erdölverarbeitungsbetriebe vor Attacken durch Drohnen zu verstärken. Laut Berichten der einheimischen Presse sind Arbeiten in den Erdölverarbeitungsbetrieben von Nishnij Nowgorod und Rjasan aufgenommen worden.

Post Scriptum:

Laut Berechnungen von Reuters sind im Februar und März dieses Jahres durch ukrainische Schläge gegen Erdölverarbeitungsbetriebe Russlands 13 Prozent der Gesamtkapazität der Primäranlagen für eine Verarbeitung von Erdöl gelähmt worden. Wenn man nur die Raffinerien berücksichtigt, die Benzin und Dieselkraftstoff produzieren, hat die russische Wirtschaft rund neun Prozent der Produktion zeitweilig verloren. Umgerechnet sind dies ein Wegfall von täglich 77.400 Tonnen.

Laut Schätzungen von JPMorgan Chase haben die ukrainischen Drohnenattacken Kapazitäten für die Verarbeitung von 900.000 Barrel (ca. 123.000 Tonnen) am Tag wegbrechen lassen. Für die Instandsetzungen können Wochen, wenn nicht gar Monate ins Land gehen, schrieben Analytiker der Bank. Im Ergebnis der entstandenen Situation ergaben deren Berechnungen, dass damit die Ölpreise um etwa 4 Dollar je Barrel ansteigen.

Daher wohl auch die Appelle der USA an die Ukraine, die Attacken gegen die energiewirtschaftliche Infrastruktur Russlands einzustellen. Die „Financial Times“ berichtete darüber unter Berufung auf drei fachkundige Quellen. Und sie erläuterte gleichfalls, welche Beweggründe es dafür gibt. Russland bleibt nach wie vor einer der weltweit größten Exporteure von Energieträgern ungeachtet der Sanktionen des Westens. Allein in diesem Jahr sind die Ölpreise international um ca. 15 Prozent angestiegen, bis auf 85 Dollar je Barrel. In den USA führte dies ebenfalls zu einem Anstieg der Kosten für Brenn- und Kraftstoffe. Zeitlich unpassend für Joe Biden, der sich anschickt, die Kampagne zu seiner Wiederwahl zu beginnen. In Washington befürchtet man gleichfalls, dass Russland mit Antwortschlägen gegen ukrainische Energieobjekte reagieren werde. Der Freitag belegte dies mit entsprechenden Meldungen. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete, dass mit hochpräzisen Raketen Energieobjekte unter Beschuss genommen wurden, um die Arbeit der Unternehmen, die sich mit der Herstellung und Reparatur von Militärtechnik befassen, zu stören. Von den erheblichen Kollateralschäden auf dem ukrainischen Territorium war jedoch keine Rede.