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Russlands Flagge und Hymne werden den Schlachtenbummlern als Antidepressiva verschrieben


In die Staatsduma (das russische Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) ist eine Initiative zur Korrektur der Verfassungsgesetze über die Flagge und Hymne der Russischen Föderation eingebracht worden. Die entsprechenden Abgeordneten schlagen vor, die russische Trikolore zu einer obligatorischen in allen Sportstätten und im Verlauf jeglicher Wettbewerbe, die stets mit der offiziellen Hymne beginnen sollen, zu machen. Dies werde zu jener Antwort Russlands auf das Verbot für dessen Sportler:Innen, im Ausland unter den staatlichen Symbolen an den Start zu gehen. Und sie werde das Gefühl von Nationalstolz zurückbringen, darunter an den Schlachtenbummlern. Freilich ist im Text ausgewiesen worden, dass die Änderungen nicht die Regeln internationaler Sportwettkämpfe aufheben würden.

Der Staatsduma-Ausschuss für Körperkultur und Sport hat in vollständiger Zusammensetzung unter der Gesetzesvorlage unterschrieben, was eine Unterstützung von vier der fünf Parlamentsfraktionen sichert. Das heißt, es gibt theoretisch eine überwältigende Stimmenmehrheit, die für eine Veränderung von Verfassungsgesetzen erforderlich ist.

In früheren Jahren hätte man mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit prognostizieren können, dass diese symbolische Initiative den Abgeordneten erlauben werde, für sich Eigenwerbung zu machen. Und danach in den Schubfächern der Duma-Schreibtische verschwindet. Jetzt werden derartige demonstrative Gesten von den Herrschenden gebraucht. Und die Chancen für eine Billigung des Gesetzentwurfs durch das Unterhaus sind große.

Beispielsweise soll im Verfassungsgesetz über die Staatsflagge die Formulierung auftauchen, dass jene „ständig an den Gebäuden von allgemeinbildenden Einrichtungen und Organisationen, die Subjekte von Körperkultur und Sport sind, unabhängig von der Eigentumsform, aber auch an Sportobjekten befestigt oder ständig auf deren Territorien angebracht ist“. Die russische Trikolore „wird bei offiziellen Körperkultur- und Sportveranstaltungen unbedingt gehisst (aufgehängt)“. Was aber die Hymne angeht, so wird sie „bei der Eröffnung offizieller Körperkultur- und Sportveranstaltungen, aber auch bei der Durchführung offizieller Zeremonien bei Sportwettkämpfen auf dem Territorium der Russischen Föderation und im Ausland intoniert“. Nach diesen Worten folgt in dem Dokument jedoch ganz und gar kein Punkt, sondern lediglich ein Bindestrich.

Da ergibt sich, dass zum großen Bedauern für die „Turbo-Patrioten“, die durchaus denken könnten, dass nun endlich durch die Offiziellen eine mehr oder weniger richtige harte Antwort auf die ständigen Verbote für die russische Flagge und die russische Hymne bei Weltmeisterschaften gegeben worden ist, dies nicht der Realität entspricht. Sie besteht in der Präzisierung, dass die Musik von Alexander Alexandrow (Komponist der Hymne der Russischen Föderation — Anmerkung der Redaktion) zu den Versen von Sergej Michalkow „entsprechend den Regeln für die Durchführung dieser Wettkämpfe“ erklingt. Es sei angemerkt, dass es bezüglich der Flagge nicht einmal eine derartige Erwähnung über deren Verwendung im Ausland gibt.

Dafür machen den schwachbrüstigen Inhalt solch eines Textes die Gesetzgeber durch ein Erläuterungsschreiben vollkommen wett, obwohl es keine Relevanz für die Rechtsanwendung besitzt.

„Solch ein Schritt ist eine gesetzmäßige Antwort darauf, dass den russischen Sportlern durch internationale Sportverbände das Recht genommen wird, bei entsprechenden Wettkämpfen anzutreten und ihr Land zu vertreten“, unterstreichen die Abgeordneten.

Sie empören sich sehr stark: „Im Verlauf einer langen Zeit werden Russlands Staatssymbole einer offenkundigen Diskriminierung im Bereich des internationalen Sports ausgesetzt“.

Dabei halten die „vom Volke Gewählten“ ihre Gesetzesvorlage über nichts offenkundig für ein wirksames Antidepressivum sowohl für die Sportler als auch für die Fans, denn gerade solch ein Mittel „ist eine der Methoden, um die negative Wirkung der unfreundlichen Politik gegenüber den grundlegenden Werten der russischen Gesellschaft zu verringern“. Über solch eine medikamentöse Eigenschaft verfüge besonders die Flagge. Und die Verwendung der Hymne fördere eine Entwicklung „von Solidarität der russischen Zivilgesellschaft“.

Wenn man aber etwas ernsthafterer spricht, so demonstriert der letzte Absatz des Erläuterungsschreibens, dass man die Initiative des Staatsduma-Ausschusses für Körperkultur und Sport nicht mehr als einen Ausdruck für das Wirken des gegenwärtigen Informations- und Sonderoperationskontextes ansehen kann.

„Dieser Gesetzesentwurf zielt auf eine Unterstützung des Nationalstolzes und der fundamentalen Werte der russischen Sportbewegung und aller Bürger, die sich aktiv um das Schicksal des russischen Sports sorgen, der im Verlauf eines beispiellos langen Zeitraums der Möglichkeit beraubt ist, sein Land zu vertreten, ab“, erklären die Parlamentarier unbeholfen, aber mit heißem Herzen.